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Künstler nimmt sich Schwarzarbeit zur Brust

Heute Redaktion
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Bild: Milan Mijalkovic

Milan Mijalkovic lässt in Wien einen LKW mit Busen-Kunstwasserbrunnen los und will auf den "Arbeiterstrich" samt Bedingungen aufmerksam machen.

„Kann alles Arbeit" ist ein Satz, der in der illegalen Subkultur der Wiener Baubranche typischerweise die Verhandlungen eröffnet und dabei ein Dilemma ausdrückt. Wer seine Chancen auf Arbeit und damit Lohn nicht verwirken will, muss sich verkaufen können – und zwar oft unter Wert. Acht Euro ist der Stundenlohn, den sich die Männer aus Bulgarien, Rumänien, Polen, Ungarn, der Ukraine und dem Kosovo, viele von ihnen Meister ihres Fachs, erhoffen, wenn sie an der Triester Straße täglich darauf warten, abgeholt und zu einer Baustelle im Umland gefahren zu werden. Sie haben kein Recht auf Entlohnung, sind weder sozial- noch kranken- oder unfallversichert. Fernab von Verhandlungen um Lohnnebenkosten, Kollektivverträge und den Zwölf-Stunden-Tag.

Künstler Milan Mijalkovic fährt schwere Geschütze auf

Ein Thema, das den Architekten und Künstler Milan Mijalkovic, geboren 1982 im mazedonischen Skopje, schon lange beschäftigt. Seit 2001 lebt er in Wien, wo er zu Beginn neben dem Studium selbst solchen Jobs nachging, die ihn vor körperliche Herausforderungen stellten. 2016 nahm Mijalkovic an einer Gruppenausstellung im frei_raum Q21 zum 50-jährigen Jubiläum des Gastarbeiter-Abkommens zwischen Österreich und der Republik Jugoslawien teil. Auf Sockeln positionierte er vor den Eingängen zwei Schwarzarbeiter, die das Eintreffen des damaligen Außen- und Integrationsministers abwarteten und von denen einer Sebastian Kurz schließlich die Hand schüttelte.

"Die Wiener Maria" spendet Wasser

Grundüberlegung für seine neue Aktion, „Die Wiener Maria", ist, so sagt es Mijalkovic selbst, die Frage: „Welche anerkennende Geste bringt jeder von uns denjenigen, die für ihn arbeiten, entgegen?". Das Glas Wasser als existentieller Minimalkonsens wird hier zum mobilen Brunnen. Gefördert mit Mitteln des Bundeskanzleramts, ließ Mijalkovic dafür nach seinen Entwürfen eine weibliche Brust mit einem Durchmesser von zwei Metern und einer porzellanartigen Oberfläche gestalten. Diese soll, montiert an einem Kleinlaster, in der Woche vom 23. bis 30. August täglich an der Triester Straße, der Herbststraße und der Brünner Straße vorfahren und über die Brustwarze kaltes Wasser freigeben.

Das Recht auf Arbeit

„Die weibliche, entblößte Brust steht für Verletzlichkeit und gegenseitige Abhängigkeit zugleich", so der Künstler. „Schwarzarbeiter, Schwarzarbeiter, kriegst ein Wasser", hat Mijalkovic in einzelnen Buchstaben an einer Seite des LKWs anbringen lassen. Das Versprechen umrahmen Auszüge aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. „Jeder hat das Recht auf Arbeit und freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen", lautet der erste Satz. Dass an den angefahrenen Plätzen täglich vielmehr „alles Arbeit" geboten und verlangt wird, das macht ein Riesenbusen kaum noch ignorierbar.

(tim)

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