Österreich

Wiener schimpfen am liebsten beim Autofahren

Verbale Aggression kommt in Wien am häufigsten beim Autofahren vor. Das ergab eine neue Studie der Germanistin Oksana Havryliv.

Heute Redaktion
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Auffahren, schneiden, drängeln, ausbremsen: Wer in der Bundeshauptstadt motorisiert unterwegs ist, braucht meist gute Nerven – und ein loses Mundwerk.

Vor allem, wenn der Fahrer alleine im Auto sitzt, fallen die Unmutsäußerungen besonders leicht: "Verbale Aggression kommt beim Autofahren am häufigsten vor", bestätigt Germanistin Oksana Havryliv, die das Wiener Schimpfverhalten untersucht hat. Insgesamt ist das Schimpfen ohne direktes Gegenüber mit 68 Prozent die häufigste Art, seinen Emotionen verbal freien Lauf zu lassen.

Für die Studie "Verbale Aggression und soziale Variablen" hat die Forscherin die Daten aus 36 Interviews und mehr als 200 Fragebögen ausgewertet. Befragt wurden Personen von 13 bis 80 Jahren, quer durch alle Schichten und gleichmäßig nach Geschlecht (50:50) aufgeteilt.

Scherzhafter Gebrauch nimmt ab

Wiederum im Abnehmen begriffen ist der humorvolle Gebrauch von Schimpfwörtern. Laut Havryliv ist dies unter anderem auf sich verändernde Gesellschaftsverhältnisse vor dem Hintergrund von Migration zurückzuführen. So gaben vor allem ältere Personen an, sie würden im Vergleich zu früher davon Abstand nehmen, sich im öffentlichen Raum verbal aggressiv zu äußern, "da man nicht weiß, wie andere darauf reagieren".

Anders bei den Jugendlichen: Hier ist der scherzhafte Umgang mit Schimpfwörtern – besonders unter Freunden – beliebt, signalisiert Verbundenheit und findet sich zum Beispiel bei der Begrüßung wie "Seavas, du Wappler" wieder.

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Der Unterschied zwischen Mann und Frau

"Frauen verwenden mehr Ausdrücke mit höherer Bildkraft und reflektieren ihr Verhalten stärker", fasst Havryliv die Ergebnisse in Bezug auf Geschlechter-Aspekte zusammen. Hier geht es vorrangig darum, indirekt Grenzen aufzuzeigen mit Formulierungen wie "Ich flipp aus!", "Mich zerreißt's gleich!" oder "Das ist wirklich das Letzte!". Bei Männern sind Beschimpfungen eher direkt und etwa an Gegenstände wie Computer oder das Auto gerichtet.

Grundsätzlich aber gilt, geschimpft, geflucht oder gelästert wird in allen Schichten, egal ob mit Hochschulabschluss oder niedrigem Bildungsniveau. Nicht selten sind Wut und Ärger auch gegen sich selbst gerichtet: "Sowohl Frauen als auch Männer neigen im gleichen Maße zu Selbstbeschimpfungen", erklärt die Wissenschafterin.

Geschimpft wird im Dialekt

Dass meistens im Dialekt geschimpft wird, sei naheliegend, erklärt Havryliv: "Dort, wo man sich sprachlich Zuhause fühlt, ist es leichter, seinen Emotionen verbal nachzugeben." Dabei ist der Wiener Dialekt nicht nur eine gute Quelle für einschlägige Bezeichnungen, "besonders interessant ist auch der Kontakt zu anderen Sprachen wie zum Beispiel den slawischen", meint die Germanistin. In Letzteren werden Schimpfwörter oft gebraucht, um einfach nur Pausen zu füllen. Dieser Gebrauch ist inzwischen auch im Deutschen, besonders bei Jugendlichen, üblich.

(cz)