Österreich

Stadt Wien ist 1.000 Jahre älter als gedacht

Heute Redaktion
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100 Jahre lang lag das Fragment einer Bronzetafel im Depot des Wien Museum. Bis ein junger Historiker das "Rätsel in 41 Zeichen" löste und nachwies: Schon Vindobona hatte wohl ein Stadtrecht.

1913 wurde bei Grabungen an der Adresse Am Hof 4 (City) nahe der südlichen Mauer innerhalb des einstigen Legionslagers Vindobona das Stück einer Bronzetafel gefunden. Von den 41 Zeichen konnten nur die Wörter "edicta" und "Galba" mit Sicherheit entziffert werden. Vermutet wurde, dass es sich um ein Edikt des Kaisers Galba handelt, der von 68 bis 69 n. Chr. nur wenige Monate regierte.

100 Jahre später gelang es einem jungen Historiker, die wahre Bedeutung des unscheinbaren Metallstücks zu entschlüsseln: Das Fragment war Teil einer Stadtrechtstafel und beweist: Nicht nur das mittelalterliche Wien seit 1221 besaß ein Stadtrecht, sondern wohl bereits das römische Vindobona etwa 1000

Jahre vorher.

Heute, Dienstag, wurde das "historische Rätsel in 41 Zeichen" von Bürgermeister Michael Ludwig und Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (beide SPÖ) im Römermuseum enthüllt. Ab 6. März ist das Fragment der Stadtgesetztafel von Vindobona hier für Besucher zu sehen.

Europäische Funden halfen bei Entschlüsselung

1986 wurden in Andalusien (Spanien) Tafeln des römischen Stadtgesetzes der Stadt Irni aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. entdeckt. Seither sind zirka 70 Prozent des römischen Stadtgesetztextes, der allgemein als Vorlage diente, bekannt.

Im Zuge seiner Dissertation über die römischen Stadtgesetze an der Universität Wien konnte Historiker Niklas Rafetseder (29) Parallelen zwischen dem Fragment von Vindobona und dem Stadtgesetz von Irni aufdecken und dadurch nachweisen, dass die Bronzetafel aus dem Depot des Wien Museums das Fragment einer römischen Stadtgesetztafel ist. Das Stadtrecht bezieht sich höchstwahrscheinlich auf die Zivil- oder Lagervorstadt des Legionsstandortes Vindobona, deren Status als Munizipium zwischen 120 bis 250 n.Chr. nun mit hoher Sicherheit festzustellen ist.

"Sensationeller Fund" schreibt Wiens Geschichte neu

"Es sind aus dem römischen Reich nur wenige Stadtrechte überliefert worden, da diese Art der Urkunde auf Bronze geschrieben worden ist. Dieses Material war begehrt und wurde

daher im Laufe der Geschichte immer wieder eingeschmolzen, um es anderwärtig zu verwenden. Deswegen werden Texte auf Bronze sehr selten gefunden. Das macht den Fund noch sensationeller", freut sich Franziska Beutler vom Institut für Alte Geschichte und

Altertumskunde an der Uni Wien.

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(Bild: Wien Museum/Birgit und Peter Kainz)

"Es gilt als wissenschaftliche Sensation und lässt das Herz eines jeden Historikers höher schlagen: Wien hat schon vor ca. 1800 Jahren ein Stadtrecht verliehen bekommen. Der Geschichtsunterricht über die Stadt Wien muss jedenfalls neu gedacht werden", ist auch Stadtchef Michael Ludwig (SPÖ) begeistert.