Österreich

Wieser: "Der Arbeitnehmer brennt im Prinzip alles!"

In "Heute" sprach Arbeiterkammer NÖ-Präsident Markus Wieser über ungerechte Verteilung und die neuen Herausforderungen am Arbeitsmarkt.

Heute Redaktion
Teilen

"Heute": Wie wirkt sich die Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt aus?

Markus Wieser: Studien belegen, dass rund 360.000 Jobs dadurch gefährdet sind.

"Heute": Wie kann man dem entgegenwirken?

Wieser: Man muss den Menschen die Angst nehmen. Ich bin oft in Betrieben. Es herrscht große Sorge - auch in Richtung Pension. Als unerlässlich erachte ich die duale Weiterbildung, Arbeitnehmer sollen im Arbeitsprozess digitale Kompetenzen erwerben und ins Unternehmen einbringen - eine Win-Win-Situation.

"Heute": Gibt es durch die Digitalisierung auch Chancen?

Wieser: Ja! Es ändert sich vieles. Ein Kind, das heute geboren wird und einen normalen Gesundheitsverlauf hat, wird aus heutiger Sicht über 100 Jahre alt. Der Pflegeberuf wird boomen.

"Heute": Stichwort Sozialstaat - wie kann dieser für die Zukunft fit gemacht bzw. ausgebaut werden?

Wieser: Es muss eine Verbreiterung der Beitragsgrundlage her. Wer Menschen durch Maschinen ersetzt, der muss das auch für die Allgemeinheit bezahlen. Umgekehrt genauso - wer als Unternehmer mehr Arbeitskräfte einstellt, soll auch entlastet werden. Denn es ist so: Der Arbeitnehmer brennt alles, von den Gehaltsabgaben, Steuern etc. Auf der anderen Seite gibt es internationale Konzerne, die wenig bis gar nichts zahlen. Aber wenn dann eine Betriebsstätte des Konzerns in NÖ Feuer fängt, müssen unsere Freiwilligen gratis löschen. Das kann nicht sein! Und es gibt immer noch ca. 300.000 Arbeitnehmer, die unter 1.500 € brutto für eine 40-Stunden-Woche verdienen - das ist nicht gerecht.

"Heute": Wie entwickelt sich der Jobmarkt? Wie können wir Menschen im Arbeitsprozess halten?

Wieser: Es muss ehrlich gespielt werden. Beispiel: Flexibilität der Arbeitszeiten - das wird einem Kassier oder einer OP-Schwester wenig bringen. Einem Kassier nützt eine flexible Arbeitszeit nichts, wenn der Supermarkt um 7.30 Uhr auf- und um 19 Uhr zusperrt. Bei der Ausbildung muss der Zugang zur Bildung bereits früher, im Kindergartenalter beginnen. Hier sollten Talente erkannt und gefördert werden. Ausbildung ist das wichtigste Tool - jedes erfolgreiche Unternehmen setzt darauf.

"Heute": Was ist mit den Menschen 50 plus? Da wird viel Aufwand betrieben, viel politisches Kleingeld gemacht, aber fragen Sie einen 55-jährigen Arbeitslosen nach der 150sten Bewerbung. Sehen Sie da auch Probleme?

Wieser: Stimmt - wir haben 2 große Probleme: 50 plus und behinderte Menschen im Arbeitsprozess. Bei Behinderten gibt es eine Quote (Anm: ist gestaffelt), aber man kann sich mit einer Ausgleichstaxe freikaufen. Diese Taxe gehört auf die Höhe des Mindestlohns erhöht, dann wird die Quote auch erfüllt werden. Bei der Arbeitslosigkeit 50 plus bedarf es arbeitspolitischer Maßnahmen wie jetzt die Aktion "20.000".

"Heute": Stichwort Lehrling, wie ist die Situation in NÖ?

Wieser: Wir hatten 2016 ein Plus von 2,6 % Lehranfängern in NÖ. Auch das Auslandspraktikum wird super angenommen.

"Heute": Welche Rolle spielen Flüchtlinge am Jobmarkt?

Wieser: Es muss ein kontrollierter Zugang sein. Flüchtlinge müssen Sprache und Kultur lernen bzw. annehmen. Unfair ist aber, dass Asylwerber am Jobmarkt fast gar nichts dürfen, während subsidär Schutzberechtigte und anerkannte Flüchtlinge weit mehr dürfen.