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Wirt cancelt Sommerlager – weil Gäste Behinderung haben

Nachdem er erfuhr, dass künftige Gäste eine geistige Behinderung haben, zog ein Wirt in Laax (Schweiz) seine Offerte zurück.

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Um zwölf lernbehinderten und leicht geistig beeinträchtigten Menschen eine kurze Auszeit zu gönnen, wollte die Stiftung «Freier leben» in einem Hostel in Laax einige Zimmer buchen.
Um zwölf lernbehinderten und leicht geistig beeinträchtigten Menschen eine kurze Auszeit zu gönnen, wollte die Stiftung «Freier leben» in einem Hostel in Laax einige Zimmer buchen.
Tourismus Laax/Gaudenz Danuser

Eine Woche Ferien in Laax GR, inmitten von Dörfern, Bergen und Seen: Um zwölf jungen lernbehinderten und leicht geistig beeinträchtigten Menschen eine kurze Auszeit zu gönnen, wollte die Stiftung "Freier leben" in einem Hostel in Laax einige Zimmer buchen. Zunächst lief alles nach Plan, wie der E-Mail-Verkehr, der 20 Minuten vorliegt, beweist: Die Zimmer wären frei gewesen, die Stiftung wollte eine Anzahlung für die Reservierung leisten. Doch dann vollzog die Herberge eine Kehrtwendung.

"Sorry – ich habe gerade festgestellt, dass es sich bei den 'Gästen' um geistig behinderte Menschen handelt. Es tut mir leid, dir sagen zu müssen, dass wir für die Unterbringung nicht geeignet sind", schreiben die Hostel-Verantwortlichen in einem Mail. Solche Bedingungen müssten im Voraus abgeklärt werden. "Mit Diskriminierung hat dies nichts zu tun." Jedoch sei man in der Vergangenheit "immer wieder" auf den Kosten sitzen geblieben. "Dies können wir uns zu einer Zeit, in der die Gastronomie gebeutelt wird wie kein anderer Unternehmenszweig, schlichtweg nicht mehr leisten."

Absage verstoße gegen Gleichstellungsgesetz

Der Wirt habe die Offerte aufgrund stereotyper Vorstellungen über Menschen mit Behinderungen zurückgezogen. "Aus unserer Sicht ist das klar diskriminierend und verstößt gegen das Behindertengleichstellungsgesetz", sagt Nuria Frei, Rechtsanwältin Abteilung Gleichstellung bei Inclusion Handicap, dem Dachverband der Schweizer Behindertenorganisationen. "Ihm war offensichtlich nicht klar, dass in diesem Fall die betroffenen Menschen mit einer geistigen Behinderung keine speziellen Umbauten bei der Infrastruktur benötigen." Der Wirt hätte den Sachverhalt näher abklären müssen, statt direkt eine Absage zu erteilen.

Man kenne den konkreten Fall nicht – aber falls das Hostel Menschen mit Behinderungen bewusst ausgeschlossen habe, sei das ein Skandal, sagt auch Susanne Stahel, Leiterin der Kommunikation von Pro Infirmis: "Alle Menschen haben das Recht, gleichberechtigt an der Gesellschaft und am Leben teilhaben zu können."

"Hostel nicht behindertengerecht gebaut"

Der Verantwortliche des Hostels wehrt sich gegen die Vorwürfe. "Niemand wird von uns diskriminiert, egal welcher Herkunft, Hautfarbe oder körperlicher Konstitution jemand ist." Im Gegenteil: "Wir betreiben ein internationales Hostel und unsere Gäste kommen aus allen Herren Länder."

Dass man die Offerte in diesem Fall zurückziehen musste, sei darauf zurückzuführen, dass man eine situationsgerechte Unterbringung nicht sicherstellen konnte: "Unser Hostel ist in keinster Weise behindertengerecht gebaut." Das Hostel – rund 120-jährig – erstrecke sich über drei Stockwerke, die über enge Treppen miteinander verbunden seien. Weder die Zimmereinrichtungen noch die sanitären Anlagen seien auf Menschen mit Behinderungen ausgerichtet.

Wirt kassierte Drohungen

In der Vergangenheit habe man viel Geld verloren, nachdem zunächst reserviert wurde und dann im letzten Moment – als klar wurde, dass das Hostel nicht den Ansprüchen genügt – wieder storniert wurde. "Wir wollten einfach nur transparent sein", so der Wirt. Nach der Äußerung seiner Bedenken sei mit der Person, die die Buchung vornahm, ein normales Gespräch nicht mehr möglich gewesen. "Die Frau hat uns sehr emotional zu verstehen gegeben, was sie von uns hält." Mittlerweile habe das Hostel auch auf Facebook und Google einige negative Kommentare kassiert. "Es wurden gar Drohungen gegen uns ausgesprochen."

Für entstandene Missverständnisse wolle er sich entschuldigen. "Sollten wir bei unseren Bedenken zur Unterbringung falsche Schlüsse gezogen haben, tut uns dies sehr leid – dies war nicht unsere Absicht", so der Betreiber. "Es war niemals unsere Absicht, andere zu diskriminieren - dafür stehe ich mit meinem Wort."

Man hätte es aber begrüßt, wenn die Frau dem Hostel vor einer Reservierung einen kurzen Besuch abgestattet und auf die besonderen Bedingungen hingewiesen hätte. "So hätte man die Situation vor Ort klären können", sagt der Wirt. "Wären dann von ihrer Seite keine Einwände zu beanstanden gewesen, wäre ein Aufenthalt natürlich kein Problem gewesen."

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