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"Wo Long: Fallen Dynasty" im Test – "Nioh" auf Speed

Das Genre der Action-Rollenspiele hat einen neuen Hit. Ein Prise "Nioh", etwas "Sekiro", noch brachialere Kämpfe – "Wo Long: Fallen Dynasty" ist da.

Rene Findenig
"Wo Long: Fallen Dynasty" im Test – das Hardcore-Rollenspiel wartet mit noch härteren Kämpfen und mehr spielerischen Freiheiten auf.
"Wo Long: Fallen Dynasty" im Test – das Hardcore-Rollenspiel wartet mit noch härteren Kämpfen und mehr spielerischen Freiheiten auf.
Team Ninja

Team Ninja und Koei Tecmo sind für eines bekannt: Brachial harte Action-Rollenspiele, die Fans jubeln lassen und den meisten anderen Zockern Tränen der Wut in die Augen treiben. Mit "Nioh" und "Nioh 2" nahmen sich die Entwickler Hits wie die "Dark Souls"-Reihe zum Vorbild – und schaufelten zum ohnehin hohen Schwierigkeitsgrad noch ein weit schnelleres Gameplay, Tonnen an Loot und Tasten-Kombos dazu, bei denen die Gefahr bestand, sich beim Zocken die Finger zu brechen. Das Spielprinzip blieb dagegen gleich: In knackigen Kämpfen tritt man gegen unterschiedlich herausfordernde Gegner an und streift sich deren Ausrüstung plus Erfahrungspunkte ein, wenn man sie besiegt. Stirbt man dagegen, verliert man alles.

Die Games verbanden blitzschnelle Kämpfe, in denen die Reaktionen am Punkt sein mussten, mit zahlreichen Anpassungs-Optionen bei Ausrüstung, Waffen und Fähigkeiten. Doch nicht nur die Feinde zeigten sich in diesen Games herausfordernd, sondern auch der Spielablauf. Ergatterte Erfahrungspunkte konnte man nur an bestimmten Stellen im Spiel in seine Statuswerte und Fähigkeiten stecken und auch dort nur Nachschub an Items bekommen – allerdings erschienen so auch alle besiegten Gegner erneut. Starb man vor diesen Punkten, waren die Erfahrungspunkte weg und Spieler hatten nur eine einzige Chance, sie am Todesort wieder einzusammeln – alle besiegten Feinde bis auf Bosse waren aber auch so wieder da. 

Bruchstückhafte Story und wenig fesselnde Charaktere

Auch das neue "Wo Long: Fallen Dynasty" für Xbox Series X|S und One, PlayStation 5 und 4 sowie PC setzt auf diese Kern-Mechaniken. Typischerweise erfährt man anfangs nicht viel über die Story aus der chinesischen Ära der Drei Königreiche. Die Handlung bleibt aber wie gewohnt oberflächlich und nur in Bruchstücken erzählt, die legendären Figuren kommen so schnell wie sie wieder gehen und man selbst ist im Spiel ein namenloser Krieger ohne besondere Hintergrundgeschichte. Das mag alles schlimm klingen, ist aber den Fans des Genres zum größten Teil vollkommen egal. Alles, was man wissen muss: Im Krieg der Königreiche, in dem auch Übernatürliches mitmischt, jagt man ein Elixier, das Unsterblichkeit verleihen soll.

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    Wenn etwas "Nioh 3" schreit, dann ist es eindeutig die Spielwelt des rund 40 bis 60 Stunden langen "Wo Long: Fallen Dynasty". Die Umgebungen vom idyllischen ...
    Wenn etwas "Nioh 3" schreit, dann ist es eindeutig die Spielwelt des rund 40 bis 60 Stunden langen "Wo Long: Fallen Dynasty". Die Umgebungen vom idyllischen ...
    Team Ninja

    Auch wenn die Stärken des Spiels woanders liegen, wünschenswert wären dennoch eine konsequentere Erzählung der Handlung und vor allem Charaktere, die dem Spieler mehr ans Herz wachsen. "Wo Long: Fallen Dynasty" schlägt da den anderen Weg ein und feuert Charaktere noch schneller raus, als es in den "Nioh"-Games der Fall war. In so gut wie jeder Mission wird man von einem neuen, legendären Krieger begleitet und zieht gegen einen anderen von bösen Mächten gesteuerten, historischen Charakter in die Boss-Schlacht. Wer nicht halbwegs mit der Zeit der Drei Reiche der chinesischen Geschichte vertraut ist, wird die sich ständig wechselnden Figuren bis auf wenige Ausnahmen sofort wieder vergessen.

    Im Kampf gibt es etwas mehr "Sekiro" als "Nioh"

    Zugegeben, einige Videosequenzen des Spiels sind mit spektakulären Effekten und bombastischen Kämpfen inszeniert, da man aber fast keinen Bezug zu den Figuren herstellen kann, sind sie auch nicht mehr als eine schöne Ablenkung von der eigentlichen Stärke des Spiels. Und das ist einmal mehr der Kampf. Und der orientiert sich nun überraschenderweise etwas stärker an From Softwares "Sekiro: Shadows Die Twice" denn an den hauseigenen "Nioh"-Teilen. So ist zentrales Element das Parieren (statt Ausweichen oder Blocken) von Attacken, womit die Gegner-Haltung gebrochen und zum Gegenangriff angesetzt werden kann. Die Ausdauerleiste namens KI aus den "Nioh"-Teilen wird zudem gegen einen Willensbalken ersetzt.

    Die Funktion ist ähnlich, aber nicht gleich: Beim Ausweichen, Angreifen, Parieren und allen anderen Kampf-Aktionen füllt sich die linke Seite der Leiste orange – und lässt uns bei voller Füllung einige Momente wehrlos zurück. Pariert man dagegen erfolgreich Attacken der Gegner, indem man im richtigen Moment blitzschnell die entsprechende Taste drückt, nimmt die orangen Füllung der Leiste ab und wandert nach rechts zu blauer Farbe. Diese wiederum schaltet uns mächtigere Attacken frei, die verheerenden Schaden bei den Feinden anrichten können. Aber: Auch die Feinde unterliegen dieser Willens-Mechanik und können diese auch entsprechend gegen uns einsetzen – aber auch wehrlos sein, wenn wir ihre Kampf-Haltung brechen.

    Ist man im  "Flow", spielt sich das Game genial

    Die Willens-Attacken laufen mit vielen verschiedenen Kurz-Animationen ab, an denen man sich auch nach Stunden nicht satt sehen kann. Standard-Feinde zeigen sich bereits zu Beginn recht herausfordernd, sind aber eigentlich nur die Vorbereitung für die Bosse, die am Ende der Levels warten. Können die Standard-Feinde auch mit Standard-Angriffen besiegt werden, tut man gut daran, die Parier-Mechanik ausgiebig zu üben, denn bei den Bossen kommt man ohne das notwendige Timing nicht weit und beißt schon am ersten Obermacker in Serie ins Gras. Zudem kommen bei stärkeren Gegner auch Angriffe dazu, die per rotem Leuchten angekündigt und nur pariert, aber nicht geblockt werden können. Das kennt man bereits aus "Nioh 2".

    Egal ob "Sekiro", "Nioh" oder "Dark Souls", der Anfang des Games ist auch hier richtig schwer. Der perfekte Timing zu finden, die Fähigkeiten und Angriffe zu lernen, mit Bossen zurechtzukommen, die je nach eingestecktem Schaden mehrere Angriffs-Phasen besitzen und ein überdimensioniertes Loot-, Ausrüstungs- und Skill-System überfordern anfangs gehörig. Trotz Dutzender Spiel-Tode sollte man aber dran bleiben und besser werden, denn irgendwann geht auch in "Wo Long: Fallen Dynasty" die Steuerung ins Blut über und man kommt in einen Kampf-"Flow", bei dem man sich durch die Gegner-Reihen schnetzelt und dann dem Boss den Gar ausmacht. Das fühlt sich im neuen Action-Rollenspiel fantastischer als je zuvor an.

    Für Einzelspieler noch schwerer, dank Koop aber entschärft

    Viele der übrigen Kern-Elemente sind übrigens aus so gut wie allen "Soulslikes" bekannt: Einen einstellbaren Schwierigkeitsgrad gibt es nicht, zum Start darf man den eigenen Charakter aufwendig per Editor personalisieren, gespeichert und aufgelevelt wird nur an bestimmten Orten in den Levels, bei der Wahl der Waffen und Ausrüstung bekommt man weder Vorgaben noch eine helfende Hand und beim Aufleveln des Charakters muss man sich genauestens einlesen, um herauszufinden, welche Kategorien zum eigenen Spielstil passen und die notwendigen Statuswerte erhöhen. Das Gameplay selbst zeigt sich härter, schneller und fordernder als "Nioh", an dem wir uns streckenweise die Zähne ausgebissen hatten.

    Wobei: Der überragende Härtegrad gilt für Einzelspieler und kann dank NPC-Unterstützern, aber auch im Koop (mit bis zu zwei Helfern) entschärft werden. Nach den Einführungsmissionen begleitet unseren Protagonisten meist ein KI-gesteuerter Kämpfer auf die Missionen. Die KI kann sich durchaus sehen lassen und auch im Gefecht gegen Bosse darf man sich auf sie verlassen. Ein Comeback feiert die "lebendige Waffe" der "Nioh"-Games, mit der man kurzzeitig starke Geister-Wesen in den Kampf rufen konnte – eine Gott-Bestie lässt sich nun durch eine durch Angriffe gefüllte Leiste erwecken. Anders als noch im ersten "Nioh"-Teil müssen wir für die Koop-Unterstützung auch nicht mehr erst alle Missionen des Spiels alleine bewältigen.

    Neues Moral-System zeigt uns, wie hart es noch wird

    Völlig neu im Spiel ist ein Moral-System, das per Punktzahl über dem Kopf der Feinde anzeigt, wie stark diese im Vergleich zu uns sind. Während unser Charakter-Level mit jedem Aufleveln bekannterweise steigt, setzt jedoch jedes neue Areal in "Wo Long: Fallen Dynasty" unser Moral-Level auf null zurück. Das System klingt zwar seltsam, spielt sich aber ausgezeichnet, denn mit durch besiegte Gegner steigende Moral arbeiten wir uns zu härteren Feinden vor und bekommen gleichzeitig einen Boost der Widerstands- und Schadenswerte. Natürlich darf man als moralisch vollkommen unterlevelter Spieler auch Feinde mit hohen Moralwerten angreifen, muss sich dann aber auf harte Kämpfe einstellen, in denen man weniger Schaden austeilt.

    Das Moral-System ist so etwas wie eine optische Orientierung, die Spieler wissen lässt, wie herausfordernd sich ein Feind im Kampf zeigen wird. Das System hat aber auch noch eine andere Besonderheit: Einerseits dürfen wir an den Markierungs-Flaggen und Standarten, die als Speicherpunkte dienen, im Spiel den aktuellen Moral-Wert absichern, damit dieser nicht unter einen bestimmten Wert fallen kann. Andererseits werden die Moralpunkte beim Spieltod nur halbiert und lassen sich von dem Feind zurückgewinnen, der uns in den Tod geschickt hat. Eine weitere Neuerung gibt es bei der Fortbewegung, denn unser Protagonist kann jetzt springen und damit nicht nur die Welt eingehender erkunden, sondern auch ganz neu kämpfen.

    Beim "Grundgerüst" finden sich "Nioh"-Kenner sofort zurecht

    So kommen im Kampf zu leichten, schweren und Spezialattacken nun auch Sprungattacken hinzu – oder Feinde lassen sich auch per Sprungattacke von einem erhöhten Plateau überraschen. Hier hat sich "Wo Long: Fallen Dynasty" deutlich spürbar an "Sekiro: Shadows Die Twice", aber auch "Elden Ring" orientiert. Entsprechend schneller und ausgiebiger darf man deshalb die Levels erkunden, die anders als in "Elden Ring" aber nicht in einer offenen Spielwelt, sondern in abgeschlossenen Missionen und künstlich begrenzten Gebieten zu finden sind. Das eine oder andere Geheimnis und Abkürzungen haben die extrem an die "Nioh"-Teile erinnernden Level zu bieten, abseits davon bleiben sie aber linear. 

    Wenn etwas "Nioh 3" schreit, dann ist es eindeutig die Spielwelt des rund 40 bis 60 Stunden langen "Wo Long: Fallen Dynasty". Die Umgebungen vom idyllischen Bergdorf über Strand- und Wiesenabschnitte bis hin zu düsteren Tempeln und gruseligen Höhlen schreien regelrecht heraus, dass das Spiel auf "Nioh" und "Nioh 2" aufbaut. Und auch sonst findet man sich als "Nioh"-Kenner sofort zurecht. Wählbare Haupt- und Nebenmissionen, Beschwören von Koop-Partnern und Einsteigen ins Spiel anderer Zocker, leichte und schwere Attacken, nutzbare Items, Bosse am laufenden Band und das Aufleveln Dutzender Skills, Ausrüstungen und Charakterwerte –  man kennt man die Inhalte aus den "Vorgängern" fast auswendig.

    Beim Aufleveln geht das Spiel wieder extrem in die Tiefe

    Auch wenn die Grundlagen übernommen wurden, werden Spieler wieder mit Hunderten neuen Begriffen konfrontiert, die erst durchblickt werden wollen. So orientiert sich etwa das Charakter-Levelsystem an den fünf Elementen Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Jedes Hochleveln einer Kategorie erhöht nun immer auch die Lebensenergie des Protagonisten, verzweigt sich aber in die Unterkategorien immer weiter. So entscheidet beispielsweise der Wasser-Wert, wie leicht uns Feinde entdecken und verringert die Menge an Willenskraft, die wir für ein erfolgreiches Parieren eines Angriffs verbrauchen. Figuren-Klassen bietet das Spiel wieder nicht, was den Spielern wieder vollkommene Freiheit über die eigene Charakter-Entwicklung gibt.

    Egal welche Waffen und Rüstungen man findet oder welche Zaubersprüche man einsetzen will, man muss nur die jeweils dafür notwendigen Charakter-Werte beim Hochleveln erreichen. Das sorgt auch dafür, dass man sich nicht in einer gewissen Klasse festfährt, sondern gerne mit den vielen möglichen Spielstilen experimentiert. Die Komplexität endet aber auch hier noch lange nicht, so können wie in "Nioh" Ausrüstungen und Waffen verkauft und zu Materialien zerlegt sowie teils selbst hergestellt werden, Schadens- und Effektwerte sich gegenseitig verstärken oder schwächen und Feinde stärker oder schwächer auf die jeweiligen Elemente reagieren. All das passiert in schönerer Grafik und mit besseren Monstern als zuvor.

    "Wo Long: Fallen Dynasty" im Test – "Nioh" auf Speed

    Im Test fielen zwar noch einige Ruckler auf, generell spielt sich "Wo Long: Fallen Dynasty" aber wahlweise entweder mit recht konstanten 60 Bildern pro Sekunde in 1440p-Auflösung oder einer minimal geringeren Bildrate mit schärferen Details. Die Welt sieht nun gestochen scharf aus, besonders die Figuren- und Feind-Animationen zeigen sich superflüssig und die Boss-Designs sind durch die Bank spektakulär. In Verbindung mit den atmosphärischen Schauplätzen ergibt das ein Game, das sogar noch schöner als das bildgewaltige "Elden Ring" ausgefallen ist. Generell gilt als Test-Fazit: Wer die "Nioh"-Teile und "Sekiro: Shadows Die Twice" mochte, wird das neue Action-Rollenspiel "Wo Long: Fallen Dynasty" einfach lieben.

    "Wo Long: Fallen Dynasty" ist ein "Nioh" auf Speed. Nun reicht es nicht mehr, Feinde einfach zu umtänzeln und Attacken auszuweichen, man muss in den direkten Kampf mit ihnen und ihre Angriffe mit fast übermenschlichen Reaktionen parieren. Das führt aber, sobald man es gemeistert hat, zu einem noch größeren Glücksgefühl als schon bisher. Und in Verbindung mit jederzeit zurücksetzbaren Charakter-Werten, einer vollkommen freien Wahl an Ausrüstung und Waffen sowie zahlreichen magischen Effekten und der neuen Sprung-Mechanik ist das Spiel eines der besten Action-Rollenspiele überhaupt geworden. Besonders für Einzelspieler ist der Schwierigkeitsgrad durch das Parieren und das höhere Tempo noch einmal angestiegen.