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Wohnwahnsinn - Wo können wir noch leben?

Land: D, Genre: Wohnen

Heute Redaktion
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Bild: Kein Anbieter

Fakt ist: die Wohnungsnot und der Mietenwahnsinn machen erfinderisch. Ob Leben im Tiny House, im Dachzelt auf dem eigenen Auto, oder in der "Schnäppchen-Ruine" auf dem platten Land im Nirgendwo. Deutschlands Wohn-Ideen werden immer kreativer. Und das müssen sie auch, denn die Situation ist so dramatisch wie nie. Etwa 1,3 Millionen Großstadthaushalten bleibt nach Abzug der Miete lediglich ein Resteinkommen unterhalb des Hartz-IV-Niveaus. Normalverdiener werden aus den Innenstädten gedrängt. Und das nicht nur in den hippen Metropolen, sondern in jeder größeren Stadt der Republik. Auf acht Quadratmetern wohnt Irem, hochschwanger mit Zwillingen, mit ihrem Mann und ihrer zweijährigen Tochter. Ihr Stiefvater hat ihr und ihrer Familie Unterschlupf gewährt, nachdem sie zuvor in einer Notunterkunft leben mussten. Doch ihr Zuhause ist nicht nur beengt, sondern auch zeitlich befristet. Irem braucht dringend eine neue Wohnung. Der Countdown läuft, in 14 Tagen kommen die Zwillinge zur Welt. Thilo Vogel hat hat sich aus dem Immobilien- und Mietenstress ausgeklinkt und lebt das Motto: weniger ist mehr. Der 39-jährige Fotograf ist ein sogenannter Dachzeltnomade, wohnt seit Juni 2016 Vollzeit auf seinem Auto mit Dachzelt. Zu seinem Dachzelt-Festival strömen die Jünger des Nomaden. Sie alle eint die Vision von einem Leben ohne festen Wohnsitz, frei von Mietforderungen oder Hypothekenlast. Leben und arbeiten auf engstem Raum im und auf dem Auto - nur eine Alternative zum Wohnwahnsinn. Die 34-jährige Nicole aus Tostedt bei Hamburg baut allein ihr eigenes Tinyhouse. Ihre Immobilie wird nach Fertigstellung fünf Meter zwanzig lang und nur zwei Meter vierzig breit sein. Nicole verwirklicht sich mit dem Bau ihren Traum von einem mobilen Leben ohne Miete. Der Trend zum Wohnen auf wenigen Quadratmetern kommt aus den USA. Auch in Deutschland findet die Bewegung immer mehr Anhänger. Bis weit in die Neunzigerjahre war Leipzig arm, aber sexy. Nach dem Fall der Mauer hatten westdeutsche Investoren und Glücksritter zunächst viel Geld für Sanierungsprojekte in die Stadt mit einem der größten zusammenhängenden Gründerzeitviertel Deutschlands gesteckt. Unzählige Wohnungen standen leer und waren billig, die Makler liefen den Mietern hinterher. Vor zehn Jahren begleitete SPIEGEL TV vier junge Männer mit der Kamera, die damals für den Verein "Haushalten" mitten in der Innenstadt eine verlassene Gründerzeit-Villa bewohnten. Fast umsonst. Zehn Jahre später wird erneut mit ihnen gedreht: Die Männer hatten Glück, sie wohnen immer noch in der Villa. Sie haben hautnah miterlebt, wie aus dem vergessenen Stadtteil ein Hipster-Viertel geworden ist.