Szene

World Press Photo Sieger: Aug' in Aug' mit dem Killer

Am Donnerstag wurde die World Press Photo 2017 im Westlicht eröffnet. Burhan Ozbilici, der das Siegerfoto schoss, erzählte von seiner Todesangst.

Heute Redaktion
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Fotografieren ist eine Kunst, aber als Pressefotograf ist es auch eine Verpflichtung - und eine Verantwortung.



Neun Schüsse aus nächster Nähe


Burhan Ozbilici liebt Kunst und Literatur - und seine drei Katzen. 2016, fünf Tage vor Weihnachten, wollte er die Eröffnung einer Ausstellung in einer Galerie in Ankara fotografieren. Der russische Botschafter war ebenfalls unter den Gästen und hielt eine Ansprache. Plötzlich zückt ein junger Mann, gut gekleidet im schwarzen Anzug, eine Waffe. Mevlut Mert Altintas, ein Polizist außer Dienst, feuert aus nächster Nähe auf den Botschafter, richtete ihn mit neun Schüssen hin. Neben der Leiche bleibt er stehen und brüllt "Allahu Akbar".

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Der Attentäter brüllt, der Botschafter stirbt, Burhan fotografiert

Die Gäste kauern sich in Todesangst in eine Ecke, einige weinen verzweifelt. Burhan Ozbilici fotografiert den Attenäter, den Finger gen Himmel gestreckt, den Mund aufgerissen, neben ihm stirbt Botschafter Andrei Gennadjewitsch Karlow, am Boden liegend.

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An diese Szene erinnert sich der AP-Fotograf, der in den 1990ern schon den Golfkrieg in Saudi Arabien in Bildern dokumentierte. Seitdem war er bei allen großen türkischen Konflikten dabei, zuletzt in Syrien.

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Aug' in Aug' mit dem Killer: "Ich halte meine Versprechen"

Doch an diesem Montagvormittag hätte er nicht damit gerechnet plötzlich einem Attentäter gegenüberzustehen. Am Donnerstag ließ er in Wien seine Gedanken noch einmal Revue passieren. "Vielleicht sterbe ich", dachte er und drückte trotzdem ab, fotografierte eine ganze Fotoserie. Der schreiende Attentäter, die verängstigten Menschen in der Ecke, Burhan Ozbilici dazwischen. "Aber falls ich sterbe, bin ich nicht umsonst gestorben. Ich hinterlasse dieses Foto." Ein Foto, das international in fast jeder Zeitung abgedruckt wurde. Ein Foto, das von der Jury zum Pressefoto des Jahres 2016 gekürt wurde. Warum Ozbilici, Sohn eines türkischen Intellektuellen und Kriegshelden im Türkischen Befreiungskrieg, anstatt sich ebenfalls in ein Eck zu retten, stattdessen die Kamera auf den Killer richtete? "Ich habe eine Verpflichtung." "Ich halte meine Versprechen".

Pulitzerpreis-Nominierung für allererste Demo

Ganz anders kam das Siegerfoto in der Kategorie "Singels" zustande. Jonathan Bachman, geboren 1984 in New Jersey begann 2012 damit, Sportfotos für die Agenturen Reuters und AP zu machen. 2016 wurde er eingeteilt, Fotos zum Mord an Alton Sterling zu machen. Der 37-jährige Schwarze war von Polizisten erschossen worden, während er am Boden lag. Im aufgeheizten Klima der USA führte sein Tod zu Protesten in der Bevölkerung. Bachman fotografierte seine erste Demonstration als die Krankenschwester Ieshia Evans sich friedlich der Polizei entgegenstelle.

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Die Konfrontation war blitzschnell vorbei, Bachman schoss über 30 Fotos und dachte nur "hoffentlich wird wenigstens eines davon scharf". Das fünfte Foto der Serie brachte ihm den seinen Press Photo Award - und eine Pulitzerpreis-Nominierung.

Die World Press Photo Ausstellung im Westlicht in Wien dauert noch bis zum 22.10.2017. (lam)

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