Österreich

Wucher-Aufsperrdienste: Ein Problem mit System

Heute Redaktion
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Sie schaden Kunden und Branchen. Wiens Problem mit dubiosen Handwerker-Notdiensten ist ein weltweites Geschäftsmodell. Die größten Profite lassen sich mit Aufsperrdiensten machen. In den USA sprechen seriöse Firmenbetreiber von einer "Epidemie".

Im Frühjahr 2017 gab es etliche Beschwerden über einen Installateur aus Liesing, der von mehreren hundert Euro bis mehrere tausend Euro verrechnete. "Heute" und andere Medien verfolgten das Treiben des Einzelunternehmers "Zakir M." aufmerksam. Nach über 150 Anzeigen wegen Sachwucher war Schluss. Ihm wurden alle Gewerbeberechtigungen entzogen.

Im November des Vorjahres ging der Trubel um einen anderen unseriösen 24 Stunden-Notdienst erneut los – dieses Mal ging es um einen Aufsperrdienst, ebenfalls in Leasing gemeldet.

Für niemanden erreichbar

Eine Aussage zum Vorwurf der Wucherpraktiken konnten wir nicht einholen, da sich der Einzelunternehmer wie sein Vorgänger Zakhir M. redlich darum bemüht, unerreichbar zu bleiben. Auf den Rechnungen selbst sind weder Mail noch Telefonnumer angegeben. Nicht die einzige Gemeinsamkeit.

Eine weitere Parallele zwischen den zwei Handwerkern ist auch, dass ihre Dienste nur über ein ausländisches Call Center angefordert werden können, welches sich in einem rechtlich nicht einwandfreien Impressum auf der Seite fix24h.at (kürzlich noch not24h.at) als "Vermittlerfirma" bezeichnet. Die Kunden selbst glauben, sie würden einen regionalen Betrieb anrufen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Ein Artikel der New York Times von 2016 bestätigt einen Verdacht, den Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Konsumentenschutz schon länger hegen: Die berüchtigten Notdienst-Handwerker sorgen für den meisten Ärger, jedoch sind sie nur kleine Fische in einem sonst kaum durchschaubaren System.

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Eine Geschäftsidee aus den USA?

Ein ehemaliger Einzelunternehmer aus Arizona (USA) verriet dem renommierten Blatt Details über das fragwürdige Geschäftsmodell "Call Center und Handwerker-Subunternehmer" und wieso dieses Modell die Kunden so viel Geld kostet.



Engagiert werden Männer, die am Arbeitsmarkt kaum Chancen haben – hier in Europa sind das nicht selten Asylantragssteller, wie Innungsmeister der Metalltechnik, Georg Senft, vermutet. Erfahrungsberichte der Betroffenen stützen diese Vermutung.

Im Schnelldurchlauf wird den neuen Mitarbeitern das Wichtigste beigebracht. Es wird rudimentäres Handwerk-Wissen vermittelt, eine richtige Ausbildung gibt es nicht. Eine WKO-Sprecherin bestätigt das: "Die Akten sind gefüllt mit wilden Geschichten von Betroffenen. Vor Jahren war das noch schlimmer, viele kümmerten sich nicht einmal um eine Gewerbeberechtigung. Eine Kundin erzählte, dass ihr der 'Schlüsselprofi' verraten hätte, eigentlich ein gelernter Bäcker zu sein, nach dem er sich mit dem Aufmachen der Tür schwer getan hat."

Wer sich lange genug im Geschäft hält, kann selbst eines Tages andere Job-Suchende anwerben. Das wichtigste ist es nicht einen Kundenstock aufzubauen, sondern aus der Notsituation des Kunden möglichst viel Profit herauszuschlagen. Ob und wie viel davon am Finanzamt vorbei geschleust wird, ist unklar.

Systematisches Problem

Die Sprecherin der WKO spricht von einem systematischen Problem: "In Deutschland ist ein Aufsperrdienst zum Beispiel im Gegensatz zu Österreich kein Teil eines reglementierten Gewerbes. Deswegen ist es zu diesen Auswüchsen mit den ausländischen Vermittlungsunternehmen überhaupt gekommen. Durch einen Algorithmus erscheinen die Internetseiten für einen Wiener, der verzweifelt nach einem Schlüsseldienst googelt, wie ein regionaler Betrieb."

Ein systematisches Problem gibt es aber auch in Österreich: Um etwa einen Installateur-Notdienst offiziell betreiben zu können, müssen die Einzelunternehmer lediglich einen Geschäftsführer "bestellen", der (für sie) den nötigen Befähigungsnachweis vorweist. Das hat viele Vorteile, wird in Fällen wie diesen jedoch gnadenlos ausgenutzt. Von "Strohmännern" möchte man bei der WKO dennoch nicht sprechen.

Googles Qualitätssicherung

Die Seiten der 24-Stunden-Handwerker sind die Lebensader des Systems und diese oben zu halten kostet viel Geld. Ein Verantwortlicher von Google Austria betont, dass Googles Auswahl der Anzeigen nach einem bestimmten Algorithmus (Auktion) folgt und die Bezahlung sowie die Anzahl relevanter "Keywords" entscheidend sind. Weswegen die Seiten der "Vermittlerfirmen" vollgespickt sind mit suchrelevanten Begriffen.

Dass die Subunternehmer von den Kunden horrende Summen verlangen, ist nicht allein mit Profitgier zu erklären: Ein Grund wieso die Call Center ganz oben bei Google zu finden sind, liegt am effizienten aber kostspieligen Pay-per-Click-System. Bis zu 25 Euro kann ein Klick kosten. Kosten – welche die Subunternehmer für ihre Auftraggeber einkassieren müssen. Bedeutet: Am Ende zahlt immer der Kunde drauf.

Zu schnell für die Justiz

Viktor W. ist einer der Betroffenen, die sich bei uns meldeten und als Programmierer weiß er , wie wenig Arbeit es bedarf, um eine Internetpräsenz als angeblich regionaler und billiger Handwerker aufzubauen: "Diese Seiten zu erstellen, nimmt nicht mehr als 30 bis 60 Minuten in Anspruch. Wer das Geld dafür hat, kann Google damit fluten und alle Seiten können rein theoretisch zum gleichen ausländischen Call Center führen."

Die Konsequenz davon ist, dass der rechtliche Kampf gegen diese Auswüchse nur auf Ebene der dubiosen (Sub)-Einzelunternehmer stattfindet, während die Hintermänner neue so genannte Handwerker rekrutieren können. Den größten Schaden tragen die Kunden und die Betriebe selbst. Jeder Auftrag, der an einen zwielichtigen Subunternehmer vergeben wird, ist für seriöse Geschäftstreibende ein immenser Verlust.

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