Wirtschaft

YLine-Prozess startete fast 13 Jahre nach Pleite

Heute Redaktion
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Am Wiener Straflandesgericht hat am Mittwoch der Untreue-Prozess um den Konkurs der börsenotierten Internet-Firma YLine begonnen. Fast 13 Jahre nach der Pleite sitzen elf Beschuldigte auf der Anklagebank im Großen Schwurgerichtssaal. Hauptangeklagter ist Ex-Firmengründer und -chef Werner Böhm.

Das Schöffengericht wird von Richterin Marion Zöllner geleitet.

26 Mio. Euro Schaden durch Untreue

Der Gründer und frühere Chef der börsenotierten Internet-Firma YLine Böhm gab an, kein Einkommen und kein Vermögen zu haben. Er sei nicht erwerbstätig und beziehe auch keine Arbeitslosenunterstützung. Allein der Schaden durch die Untreuehandlungen beläuft sich laut Anklageschrift auf über 26 Mio. Euro. Der heute 49-Jährige hat alle Vorwürfe immer bestritten.

Insgesamt 11 Beschuldigte

Neben Böhm sitzen noch zehn weitere Personen auf der Anklagebank. Sie waren in verschiedenen Funktionen, als Vorstände, Aufsichtsräte und Wirtschaftsprüfer bei der YLine tätig. Die Anklagevorwürfe lauten auf Untreue, gewerbsmäßigen schweren Betrug, grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen und Insiderhandel. Der Strafrahmen liegt bei bis zu zehn Jahren Haft.

Jahrelange Vorbereitung

YLine war im September 2001 in Konkurs gegangen, der Masseverwalter hatte 2002 Anzeige erstattet. Die Hauptverhandlung beginnt jetzt, im April 2014. Der Akt war mit der Gründung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im September 2011 von der Staatsanwaltschaft Wien an die Korruptionsstaatsanwälte gewechselt. Die dort 2012 fertiggestellte Anklage wurde von den Beschuldigten beeinsprucht, einige Vorwürfe und ein ursprünglich zwölfter Angeklagter sind schließlich wegen Verjährung weggefallen. Ankläger ist Alexander Marchart. Im Verfahren sind zahlreiche Verhandlungstermine bis Juni angesetzt.

FPÖ zahlte 580.000 Euro

Das Insolvenzverfahren ist mittlerweile beendet. Der Konkurs wurde im September 2001 eröffnet und im September 2011 aufgehoben. Im Insolvenzverfahren zahlte die FPÖ unter Parteichef Heinz-Christian Strache nach fünfjährigem Rechtsstreit 2007 in einem Vergleich 580.000 Euro Honorar an die Masse. YLine hatte 15 Monate vor Konkurseröffnung einen Webseitenvertrag mit der damaligen FPÖ abgeschlossen, wonach sie den Internetauftritt der FPÖ (die Einrichtung einer Homepage, deren Betreuung samt Content-Management-System) betreuen sollte.

Grasser-HP und Förder-Page

Die YLine-Tochter FirstInEx hatte die Homepage des Finanzministeriums unter dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser gestaltet sowie seine umstrittene, von der Industriellenvereinigung mitfinanzierte Website des "Vereins zur Förderung der New Economy". Böhm selbst ließ später verlauten, er habe ein Angebot der FPÖ, das Infrastrukturministerium zu übernehmen, ausgeschlagen.

Noch im Juni 2001 hatte die US-Investmentbank Lehman Brothers zum aggressiven Kauf der YLine-Aktie geraten. YLine sei nie vom Gedanken geleitet gewesen, "Geld zu verdienen", "sondern vielmehr darauf bedacht gewesen - insbesondere durch die Aufnahme von Eigenkapital am Kapitalmarkt - eine geeignete Finanzierung der laufenden Aufwendungen sicherzustellen", begründete der Masseverwalter im Jahr 2002 seine Sachverhaltsdarstellung im Auftrag der Gläubiger. Im Zuge des YLine-Konkurses wurden insgesamt 25,5 Mio. Euro an Passiva anerkannt.

"Mehr Schein als Sein"

YLine war "mehr Schein als Sein", so der Staatsanwalt. Das börsenotierte Unternehmen war auch seiner Ansicht nach nicht darauf ausgerichtet, reale Umsätze zu generieren, sondern in der Öffentlichkeit ein möglichst gutes Bild zu erzeugen, um Kapital einzusammeln. "Es gab keine Umsätze, es kam kein Geld herein", so der Ankläger. Stattdessen habe man auf neues Kapital durch Kapitalerhöhungen gesetzt. Die erworbenen Beteiligungen seien de facto wertlos gewesen.

Tricks mit Aktien

YLine sei eigentlich schon zu Jahresende 2000 zahlungsunfähig gewesen, zumindest aber im Jänner 2001. Statt aber dann - wie es das Gesetz verlange - die Reißleine zu ziehen und einen Konkurs zu beantragen, seien weiterhin Aktivitäten gesetzt worden, um die Aktienkurse zu pushen. Immer wenn das gelungen sei, habe man versucht, eigene Aktienpakete möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Das "Kartenhaus" YLine sei immer höher gebaut worden, aber es sei nichts unternommen worden, um das Ganze gegen einen Einsturz zu sichern, so der Ankläger.

Böhm betont Unschuld

Der Verteidiger von Werner Böhm wiederholte in seinem Plädoyer die Unschuld seines Mandanten. Es gehe nicht darum, ein Spektakel zu veranstalten, sondern nach 13 Jahren die Geschichte von YLine aufzuarbeiten. Böhm habe selbst im September 2001 den Konkursantrag eingebracht. Im selben Jahr hätten das 5.000 andere Unternehmen ebenfalls gemacht, genau so in den Jahren davor und danach.

"Bereitschaft zu Risiko"

Gründe für Insolvenzen gebe es viele, wie Fehleinschätzungen über erwartete Entwicklungen oder erwartete Forderungsausfälle. Deswegen seien aber die wenigsten dieser Insolvenzfälle strafbar, und das zu recht, so Anwalt Oliver Scherbaum. Dass eine gewisse Bereitschaft zu wirtschaftlichem Risiko am Markt zu respektieren und sogar notwendig sei, habe auch der Gesetzgeber festgehalten, und dies sei nicht strafbar.

Gutachten anno 2005

Die YLine-Causa sei nicht so einfach, wie es der Staatsanwalt vorgebracht habe. Einem Unternehmen stünde dagegen nur ein kleines Zeitfenster für Entscheidungen zur Verfügung, und es habe nicht den Vorteil der späten Erkenntnis über Marktentwicklungen. Auf diesem im Jahr 2005 erstellten Gutachten basiere die Anklage aber fast vollständig. Da seien andere Marktgegebenheiten bekannt gewesen als in den Jahren 1999 oder 2000.

30.000 Computer gekauft

Die von der Anklage vorgeworfenen spekulativen Geschäfte oder unrechtmäßigen Bereicherungen werde man nicht finden, sehr wohl aber den Paradefall, wie internationale Unternehmen ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzen, ohne Rücksicht auf die Existenz ihrer Vertragspartner nur auf ihren Vorteil schauten, so Anwalt Scherbaum. Er spielte dabei auf den Kauf von 30.000 IBM-Computern durch YLine hin, deren hohe Rückzahlungsraten laut Anklage schlussendlich zur Zahlungsunfähigkeit der YLine geführt haben. "Sie werden Enttäuschungen über nicht eingehaltene und vorgetäuschte Zahlungsversprechen von Geschäftspartnern, großen Unternehmen und Freunden finden", so der Anwalt von Böhm.

Mit IBM habe es schon ein Jahr zuvor eine Grundsatzvereinbarung zur gegenseitigen Förderung gegeben. Diese sei vom Sachverständigen völlig ignoriert worden, das sei ein Schwachpunkt der Anklage. Die Geschäftsbeziehung zu IBM habe sich nicht nur auf den Kauf von 30.000 PC bezogen, sondern es sei dabei auch um weltweite Synergieeffekte gegangen. Dies sei aber "hintertrieben" worden." Das Geschäft mit IBM sei auch nicht so außergewöhnlich gewesen, zudem sei dieses von der IBM-Unternehmensberatung und dem Unternehmensberater Arthur Anderson vorher geprüft worden, ob es funktioniert.

Viel zu lange her

Scherbaum führte auch die lange Verfahrensdauer für seinen Mandanten ins Treffen. Heute, im Jahr 2014, dürfte es kaum mehr möglich sein, aufzuklären, was damals in den Jahren 2000 und 2001 los gewesen sei. YLine habe sich als Pionier auf dem Internetsektor bewegt. "Das war ein wahnsinniger Hype im Jahr 2000, da hat es nicht viele gegeben. Heute verkauft WhatsApp Anteile um zig-Milliarden Dollar an Facebook. Ist es das wert?", vergleicht Scherbaum.

Auch die Zahlungsunfähigkeit sei viel später eingetreten, als vom Staatsanwalt angeführt, so der Böhm-Anwalt. Den Angeklagten sei das auch nicht vorher erkennbar gewesen.

Aktien von Experten bewertet

Den Untreuetatbestand habe er nie verstanden, so der Anwalt weiter. Es sei auch lebensfremd, zu behaupten, die Vorstände hätten den Wert der Aktien vorgegeben. Tatsache sei, dass Böhm bei der Kaufpreisfindung von international anerkannten Experten beraten worden sei. Zudem gebe es am Internetmarkt ein Bewertungsproblem, weil es um immaterielle Güter gehe. "Wo soll da Untreue sein", so Scherbaum.

Der weitere Verlauf des Prozesses folgt in Kürze.