Szene

Yung Hurn: "Neuer Falco" kehrte zurück nach Hause

Das wohl größte aktuelle Musik-Phänomen macht am Sonntag Halt in seiner Heimatstadt. Dort wurde er wie ein "(Süß-)Gott" empfangen.

Heute Redaktion
Von seinen Fans wird er gefeiert wie ein Held.
Von seinen Fans wird er gefeiert wie ein Held.
Bild: picturedesk.com

"Yung Hurn, wieso machst du das?" – Ein Satz, der am Sonntag gefühlt tausende Male im ausverkauften Gasometer erklungen ist. Ein Satz, den sich Außenstehende wahrscheinlich noch öfter fragen. Dabei scheint die Antwort doch so einfach zu sein.

Die Geschichte von Yung Hurn beginnt im tiefsten 22. Wiener Gemeindebezirk. Irgendwo in Hirschstetten schlägt sich Julian mehr schlecht als recht durch seine Jugendjahre. Ein klassisches Problemkind. Ein Außenseiter. Schule interessiert ihn nicht. Auf seine Eltern hört er nur selten. Er zieht viel lieber mit seinen Freunden durch die Straßen von Donaustadt und stellt Unfug an. Was er aber auch gerne macht: Rappen! Die ersten Schritten geht er mit seiner Gruppe "Shiatboys". Sein damaliger Künstlername lautete noch "Hurnsräp".

"Anti Alles" als Trend von Tausenden

Doch in Wien fand seine Musik keinen Anklang. Musik, die gar keine sein soll. Yung Hurn hielt nicht viel vom Texte schreiben. Ein Beat und die Memo-Funktion des Handys. Mehr brauchte er nicht. Und davon wollte er um keinen Preis abweichen. Über Umwege gelang der junge Rapper schließlich nach Berlin. Der einstige Außenseiter wird über Nacht zum Anführer einer Jugendbewegung. Der Titel des Tracks, der plötzlich einen Hype auslöste, könnte nicht passender sein: "Nein".

Das war 2015. Nun kehrte Yung Hurn, der sich selbst den Spitznamen "Falco Süßgott" gab, in seine Heimat zurück. Bei der ersten Tour wurde Wien einfach ausgelassen. Obwohl der heute 23-Jährige in seinen Liedern immer wieder den 22. Bezirk erwähnt und hochpreist, scheint er doch keine innige Beziehung zu seinem Geburtsort zu haben. Das sollte sich aber nun endlich ändern.

Diss gegen Fans sorgt für Jubel von Fans

Schon vor dem Konzert scheint die Unberechenbarkeit des "Anti-Musikers" durch. Merchandising gibt es keines. Jedenfalls kein echtes. Auf den vorherigen Tourstops wurden sämtliche Shirts und Hauben ausverkauft. Kurzerhand legte sich Yung Hurn weiße Shirts zu und besprühte diese mit Graffiti-Spray. Fertig waren die exklusiven Merch-Leiberl für seine Heimat.

Nach einem etwas wirren "Techno-DJ-Set" im Vorfeld, war es dann um halb neun soweit. Ohne große Verzögerungen betrat Yung Hurn die Bühne. Die ersten Zeilen sind nicht zu verstehen. Das liegt jedoch nicht am Auto-Tune, sondern am Gekreische, von welchem so manche Boyband nur träumen kann. Mister "Anti-Alles" ist tatsächlich hier.

Nach dem ersten Song erklärt er fast schon etwas kleinlaut: "Ich bin leider krank. Mal sehen wie lange meine Stimme hält." Dann werden direkt die eigenen Fans gedisst. Yung Hurn meint, dass die ersten Lieder eher zum Aufwärmen sind – also für die Sitzplätze, die sich nicht sonderlich verausgaben wollen würden. Die Antwort der Fans: Jubel!

"Michi Häupl weiß es auch"

Doch vom Aufwärmen keine Spur. Bereits beim zweiten Song wurde das Gasometer zu einem einzigen "Moshpit". Für die 3.200 Besucher gab es kein Halten mehr. Jeder sprang durch die Gegend, volle Bierbecher flogen durch die Luft, hier und da flog ein T-Shirt mit.

Die Texte sitzen bei jedem Fan. Mag zwar auch daran liegen, dass man nach den ersten paar Sekunden das Schema durchschaut hat und somit locker mitsingen kann – selbst wenn man kein hartgesottener Fans ist. Die Themen die besungen werden wiederholen sich ständig: Es geht um Sex, Drogen und "F*** die Polizei".

Dennoch ist die Hingabe zu ihrem "Anti-Helden" auf der Bühne deutlich spürbar. Yung Hurns Verbundenheit zu Wien wird mit der Zeit sogar während der Show sichtbar. Zu Beginn noch eingepackt in einer Daunenjacke, entledigt er sich dieser nach kurzer Zeit. Sein Shirt zieht er direkt mit aus. Auf seinem Bauch ist die Postleitzahl seines Bezirks verewigt. Auf dem Schlüsselbein steht Michi Häupl und Otto Wagner.

"Danke Yung Hurn"

Kurz darauf wird sogar die "Dankbarkeit" der Fans hörbar. Wie ein dubioser Prediger hält er einem seiner "Jünger" das Mikrofon vor den Mund: "Danke Yung Hurn, dass ich 40 Euro für das T-Shirt zahlen durfte", hört man aus den Boxen. Auch vorm Sicherheitspersonal macht der Rapper keinen Halt. Kurzerhand bittet er einen Security darum, sich auch zu bedanken. Und tatsächlich sagt dieser: "Danke Yung Hurn, dass ich dein Security sein darf." Hat schon fast etwas gruseliges...

So wirr die Songs auch für die Außenwelt klingen mögen, es wirkt so, als ob der "Süßgott" sich etwas bei seiner Show gedacht hat. Er weiß genau, wann er das Publikum alleine singen lässt. Die Lieder scheinen beinahe nahtlos ineinander überzugehen. Yung Hurn spielt sogar mit dem Publikum. In Freddie-Mercury-Manier singt er seinem Publikum eine Tonabfolge vor. Das Gasometer singt ohne Widerworte nach. Zugegeben: Die Melodien halten im Vergleich zu denen von Mercury nicht mit.

Presseverbot

Doch auch als er von den Fans verlangt, dass sie "Danke Yung Hurn, du bist der Beste" singen sollen, brüllen und klatschen 3.200 Menschen im Chor. Dass der Rapper sich auch wirklich alles erlauben darf, zeigte sich, als er einen jungen Mann aus dem Publikum einfach der Halle verwies. Der Grund: "Du schaust so ernst. Hier wird nicht ernst geschaut. Wir brauchen keine schlechte Stimmung." Wie bereits erwähnt: etwas gruselig...

Zugabe gab es keine. Zumindest keine richtige. Auch hier zeigte der Rapper aus der Donaustadt, dass er kein klassischer Popstar sein möchte: "Eigentlich müsst ich jetzt von der Bühne gehen, dann ruft ihr Zugabe und so. Aber das lassen wir weg." Danach gab er noch ein paar Hits zum Besten, vor denen er selbst sagte: "Ich weiß gar nicht, welches Lied jetzt kommt." Übrigens darf man nicht sagen, dass die "Spotify-Generation" sich komplett vom Mainstream abkapselt. Nach der Show ertönte plötzlich "My heart will go on" von Celine Dion aus den Boxen. Mitgesungen wurde teilweise lauter als bei manchen Songs von Yung Hurn.

Dass Yung Hurn anti alles ist, zeigt auch seine Einstellung gegenüber Medien. Mehrmals betonte er, dass er wisse, dass sich Leute von der Presse "reingeschlichen" haben, obwohl strengstes "Presseverbot" herrsche. Auch fragte er sich, was die Presse-Leute denn schreiben würden und ob auch sie geklatscht haben. Nun, sagen wir mal so: Danke Yung Hurn, dass ich dieses Konzert erleben durfte! (slo)

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