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Zadic: "In Wien fängt der Balkan an & das ist schön"

Trainingsanzug, Burek und Cockta. Dinge, die man nicht unbedingt mit dem Justizministerium in Verbindung bringt. Zumindest bis jetzt.

Heute Redaktion
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Meinen edelsten Adidas-Jogger habe ich am Montag angelegt. Den ziehe ich nicht oft an, aber es war ein besonderer Tag und daher der Wucht des Ereignisses durchaus angemessen. Grund: Justizministerin Alma Zadic hat mich in ihr Büro eingeladen. Da musste ich mich eben von meiner besten Seite zeigen. Eh klar.

Es war auch selbstverständlich, dass ich nicht mit leeren Händen zum Treffen erscheine. Das hat mir schon meine Mama als Kind eingetrichtert. Wenn man wo eingeladen wird, dann hat man gefälligst eine Kleinigkeit mitzunehmen. In meinem Fall waren das fünf Portionen Pita. Von jeder Sorte eine: Kartoffel, Faschiertes, Kartoffel und Faschiertes, Spinat und Käse. Ich wusste ja nicht, welches das Lieblings-Burek der Ministerin ist.

Glückliche Ministerin – wohl wegen dem Burek

Mit Kamerateam und zwei vollen Papiersackerln machte ich mich also auf den Weg ins Justizministerium in der Wiener Innenstadt. Dort wurden wir schon vom Portier mit einem breiten Grinsen erwartet. Der zeigte uns den Weg zum Büro der Ministerin. Dass ich ein eher unüblicher Gast war, entnahm ich aus den fragenden Blicken, die mir die Mitarbeiter vor dem ersten Händeschütteln zuwarfen. Vielleicht wurde ich aber auch einfach nur um meine Landestracht – präzise gesagt den Edel-Jogger – beneidet.

Ein paar Teller standen zwar schon bereit, jedoch waren es eher Tellerchen und davon auch zu wenige. Da wusste ich: Man hat echt nicht mit einem Jugo gerechnet. Es musste mehr und größeres Geschirr her. Während ich die Pitas auf den Tellern verteilte, kam auch schon die Justizministerin aus ihrem Büro. Ich wusste nicht, ob sie sich wegen mir so freute oder wegen dem Burek. Ziemlich sicher aber wegen dem Burek.

"Iss doch. Du verhungerst ja noch, Kind"

Nach der Begrüßung wurde mir sofort das "Du" angeboten: "Das fühlt sich sonst so komisch an". Alma (wie ich sie ja jetzt nennen darf) half mir auch gleich, die Teller in ihr Büro zu tragen.

Bevor es ans Essen ging, zeigte uns Zadic noch ihr Büro, welches noch nicht zu hundert Prozent ihren Vorstellungen entspricht. Noch befänden sich zu wenige private Gegenstände von ihr im Raum, den Minister a.D. Christian Broda einst mit schwerem Holz vertäfeln hatte lassen. Ein Stück, dass ihr aber sehr am Herzen liegt, ist ein "Jar of Happiness". Freunde schenkten ihr das Gefäß. Darin befinden sich positive Sprüche und kleine Geschenke: "Jedes Mal wenn es mühsam wird, dann soll ich eines ziehen", so die Ministerin. Wie oft sie schon reingegriffen hat? "Die ganzen Süßigkeiten habe ich schon rausgenommen", lacht Alma – und hat die Frage somit elegant umschifft. Punkt für sie.

Dann geht es endlich zu Tisch. Alma macht sich nämlich in Balkan-Manier Sorgen um mich: "Iss doch. Du verhungerst ja noch, Kind". Dabei spielt sie natürlich auf die Jugo-Eltern an, die immer darauf schauen, dass man auch ja genug reinschaufelt. Dabei erzählt sie eine Anekdote von ihrer Cousine, die versucht, vegan zu leben. Ihre Tante sagte ihr dann: "Wenigstens ein Hendl kannst essen!" Ein Klassiker.

"Tschuschen haben hier überhaupt nichts verloren"

In einer gemütlichen Atmosphäre fragte ich dann nach, wie es denn für sie ist, als erste Balkanerica ein Ministeramt zu bekleiden. Es wirkte fast so, als ob Alma erst in diesem Augenblick realisierte, dass sie als gebürtige Bosnierin im Justizministerium in Wien sitzt: "Ich habe so viel zu tun gehabt die letzten Wochen. Nach der Wahl ging es in die Sondierungen und dann in die Koalitionsverhandlungen und dann folgte die Angelobung. Ich werde das erst in ein paar Jahren realisieren, was das für eine Zeit war." Sie wisse aber, dass das einigen Menschen mit Migrationshintergrund viel bedeutet zu sehen, dass auch sie ein Teil dieser Gesellschaft sind und auch mitgestalten können.

Dann beginnt Alma über ihre Kindheit zu sprechen. Ihre Familie kam 1994 nach Österreich. "Es war die Zeit von Haider", erinnert sich die Ministerin. Und dann wurde sie immer wieder daran erinnert, dass sie fremd war. Sie beginnt zu erzählen: "Ich war 13 oder 14, mittlerweile war Wien mein Zuhause, ich habe mich bewegt wie in Tuzla. Ich war auf dem Weg in die Sporthalle, habe diesen aber nicht gleich gefunden und habe den Straßenbahnfahrer danach gefragt. Er hat mir geantwortet: 'Tschuschen haben hier überhaupt nichts verloren.' Das hat mich voll zurückgeworfen. Ich habe dann echt in der Straßenbahn geheult, weil es schwierig war, für mich zu akzeptieren, dass ich doch anders bin."

Welches Trikot zieht Alma eigentlich an?

Aber eine Sache machte dann einen Unterschied: "Es gab Ansprechpartner, die gezeigt haben: Österreich ist nicht nur Haider." Alma spricht davon, dass sie Glück hatte. Denn solche Momente, wie jener in der Straßenbahn, würden entscheiden, ob man sich gegen die Gesellschaft wendet oder dazugehören will. Sie aber wollte dazugehören. Auch weil sie immer wieder bestärkt wurde und man ihr sagte: "Natürlich bist du ein Teil von uns." Und diese schönen Geschichten möchte die Ministerin betonen.

Ganz so einfach ist es aber dann doch nicht. Denn wenn zum Beispiel das österreichische Fußballteam gegen Bosnien antritt, weiß Alma nicht, welches Trikot sie anziehen soll. Sie möchte sich aber auch nicht entscheiden, da sie zu beiden Nationen steht: "Ex-Jugoslawien ist ein Teil von mir, so wie auch Österreich ein Teil von mir ist." Sie liefert dann einen Vergleich: "Wenn die Mutter von Serena und Venus Williams ihren Töchtern bei einem Match zusieht, zu wem hält sie dann?" Sie hofft auf ein Unentschieden.

Nachdem wir unsere Pitas getauscht haben – Almas Lieblings-Pita ist nämlich die Krompirusa (Kartoffelfüllung), die ich jedoch am Teller hatte – redeten wir noch eine Zeit über die Ex-Jugos, die in der Bundeshauptstadt leben und auf ihre Chancen in dem Land hoffen. Zum Schluss sagt die Ministerin noch: "In Wien fängt der Balkan an. Und das ist schön". Was für ein Schlusswort.