Wien
Zahl der Rassismus-Meldungen so hoch wie nie
Alleine im Juni gingen bei den ZARA-Beratungsstellen über 500 Meldungen ein. Nun soll rasch das Beratungsteam verstärkt werden.
"Jetzt wird erstmals ein bisschen mehr von der Spitze des Eisbergs sichtbar: durch das gesteigerte öffentliche Bewusstsein und die mediale Aufmerksamkeit für das Phänomen Rassismus werden aktuell mehr Vorfälle gemeldet als sonst", erklärt die Geschäftsführerin von ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) Caroline Kerschbaumer. Alleine im Juni gingen rund 500 Meldungen von rassistischen Vorfällen in den ZARA-Beratungsstellen ein – mehr als je zuvor.
Der gestiegene Bedarf an Beratungen macht eine Verstärkung des Teams erforderlich. Um dafür Geld zu sammeln, hat ZARA nun ein Crowdfunding gestartet. Das Sammelziel liegt bei 11.000 Euro, rund 8.800 Euro wurden bereits gesammelt.
Auslastung sorgt für längere Wartezeiten auf Beratung
Kapazitätenmangel sei für ZARA sowie für die meisten Akteure des zivilgesellschaftlichen Bereichs nichts Neues. Die aktuellen Ereignisse, vor allem auch durch die #BlackLivesMatter-Initiative hätten zu einem enormen Anstieg der Meldungen geführt. "Dadurch können wir zwar mehr Menschen, die von Rassismus betroffen sind, unterstützen, aber gleichzeitig kommt es momentan zu längeren Reaktionszeiten, weil wir völlig ausgelastet sind. Wir benötigen langfristig mehr Beraterinnen und Berater. Jede Spende ermöglicht, dass Betroffene und Zeugen von Rassismus auch in Zukunft umfassende juristische und psychosoziale Unterstützung erhalten", betont Dilber Dikme, Leiterin der ZARA-Beratungsstellen.
ZARA berät, unterstützt und begleitet Betroffene und Zeugen von rassistischen Übergriffen seit 20 Jahren kostenlos und auf Wunsch anonym. Die Beratungsstelle für Betroffene und Zeugen von Rassismus wird seit vielen Jahren von der Stadt Wien gefördert, erhält aber keine finanzielle Unterstützung vom Bund.
ZARA fordert raschen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus
Dabei brauche es aber dringend einen "Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus": "Das Problem muss bei der Wurzel gepackt werden, denn es handelt sich hier nicht nur um einzelne Fälle. Wir wachsen alle in einem rassistischen System auf, von dem weiße Menschen profitieren, weil konstruierte Gruppen aufgrund von Hautfarbe, Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität oder Sprache diskriminiert werden“, so Kerschbaumer.
Aber nicht nur die Politik müsse Verantwortung übernehmen, auch in anderen Bereichen stehen schon lange dringende Veränderungen an: in Unternehmen, wo oft schon im Bewerbungsprozess Rassismen greifen, im Bildungssystem, wo nicht nur im Geschichtsunterricht oft mit rassistischen Bildern gearbeitet wird, oder im Marketing, wenn durch Logos und Markennamen rassistische Vorurteile reproduziert werden. "Um das System Rassismus erfolgreich zu bekämpfen, müssen wir alle gemeinsam aktiv werden", fordert Kerschbaumer.