Österreich

Ziehen und zielen: Boom der Pfefferspray-Kurse

Irmengard Weckauf-Hanzal bietet im Institut "Sami" in Floridsdorf Pfefferspray-Kurse an. Die Nachfrage nach dem Training ist steigend.

Heute Redaktion
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Die Zahl der Anzeigen wegen Vergewaltigungen ist 2016 in Wien um 8,5 Prozent (343 Delikte), die Zahl der Anzeigen wegen sexueller Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen um 55,6 Prozent (655 Delikte) gestiegen. Angesichts dieser Statistik verwundert es nicht, dass das subjektive Sicherheitsgefühl vieler Wiener – vor allem jenes von Frauen – leidet.

Kurse zur Selbstverteidigung

Um sich im Fall der Fälle wehren zu können, bieten zahlreiche Institute Selbstverteidigungs-Kurse an. Auch Trainings, in denen der richtige Umgang mit Pfefferspray gelernt wird, boomen. Irmengard Weckauf-Hanzal vom Floridsdorfer Institut "Sami" bietet seit etwa zehn Jahren Pfefferspray-Kurse an.

Die Nachfrage ist stetig steigend. Doch den Spray einfach ziehen und auf den Angreifer zielen, ist oft leichter gesagt als getan: "Die Problematik ist: Die Leute kaufen den Pfefferspray, haben aber keine Erfahrung damit. Wenn ich geübter bin, dann kann ich gezielter treffen", erklärt Weckauf-Hanzal.

Das rät Selbstverteidigungs-Trainerin Irmengard Weckauf-Hanzal vom Institut "Sami" im Notfall:

- Nicht nach Hause gehen, wenn man das Gefühl hat, verfolgt zu werden.
- Orte aufsuchen, an denen sich viele Menschen befinden (z.B. Restaurant)
- Notfall-Paket (etwa mit Pfefferspray) immer dabei haben
- Alltagsgegenstände wie Kuli, Handy oder Schlüsselbund als Waffe einsetzen
- Polizei alarmieren
- am Handy telefonieren

Übung erfolgt möglichst praxisnah

In den zweistündigen Kursen (Kosten: 35 Euro, nächster Termin: 1. Juli) werden neben der Theorie (rechtliche Aspekte, Wirkung des Sprays, Verhältnismäßigkeit für den Einsatz) auch Themen wie die richtige Handhabung, Trageweise und die Sprüh-Technik abgehandelt – und das möglichst praxisnah.

Im Institut werden Gefahren-Szenen mit einem potentiellen Angreifer nachgestellt, um die Reaktionsfähigkeit zu verbessern. Trainiert wird mit einem Übungs-Spray, der nur mit Wasser gefüllt ist.

Die richtige Technik ist entscheidend

Wichtig ist dabei auch die richtige Technik: "Man sollte sich im Zickzack-Kurs bewegen und das Gerät nicht wie einen Deospray verwenden, sonst ist man selbst kontaminiert", so die Trainerin, die dazu rät dazu, die Sprays nicht im Internet zu kaufen, sondern im Fachhandel – etwa bei Heribert Seidler vom Waffengeschäft Seidler in Döbling.

Große Nachfrage nach Pfefferspray

Auch der Firmenchef spürt die große Nachfrage: "Im vergangenen Jahr hatten wir bei Pfefferspray ein Umsatz-Plus von rund 50 %. Derzeit hat sich der Ansturm etwas gelegt. Wer einen Spray wollte, hat sich bereits einen gekauft. Und die Sprays halten ja drei bis vier Jahre."

Seidler bietet in seinem Geschäft in der Heiligenstädter Straße etwa 15 verschiedene Sprays an – von Sprühnebel, über Schaum und Gel bis zu Produkten, mit denen nur zwei bis vier Stöße möglich sind. Ab 20 Euro aufwärts ist laut Seidler ein guter Pfefferspray bereits erhältlich.

Polizei rät von Pfefferspray ab

Nicht ganz so begeistert vom Pfefferspray-Boom ist die Wiener Polizei: "Bei einem Pfefferspray handelt es sich um eine Waffe, die in einer möglichen Gefahrensituation, vor allem aber durch eine falsche Handhabung, auch gegen einen selbst gerichtet werden könnte. Solche 'Selbstverteidigungswaffen' wie etwa ein Pfefferspray bedürfen einer Ausbildung und eines regelmäßigen Trainings, um sie im Fall der Fälle schnell, korrekt und verhältnismäßig einsetzen zu können. Wer nicht auf einen Pfefferspray verzichten will, dem raten wir, einen Kurs zu besuchen", erklärt Polizei-Sprecherin Irina Steirer.

Wichtig: Der Pfefferspray ist kein Garant dafür, dass der Angreifer automatisch außer Gefecht gesetzt wird. "Das ist eine Konstitutions- und Gewöhnungssache", meint Seidler. Zudem sollte der Spray auch nicht leichtfertig angewendet werden: Der Einsatz – er kann als Körperverletzung geahndet werden – muss der Notwehr-Situation angemessen sein.