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"Zigeuner-Kultur-Zentrum" sorgt mit Ferrari für Wirbel

Über 20 Wohnwagen, verschiedene Zelte finden sich wieder auf der Kreuzbleiche. Die Genossenschaft "fahrendes Zigeuner-Kultur-Zentrum" macht Halt.

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Auf der Kreuzbleiche in St. Gallen (Schweiz) herrscht in diesen Tagen ein buntes Treiben. Kinder spielen auf dem Platz, Eltern sitzen um Gartentische, es wird Wäsche aufgehängt und Grillgeruch liegt in der Luft. Was für die meisten nach Campingurlaub klingt, ist für die Genossenschaft des "fahrenden Zigeuner-Kultur-Zentrums" normaler Alltag. "Wir sind wie eine große Familie, jeder hilft jedem", sagt die Leiterin Narzisse Birchler-Werro, Tochter des Präsidenten Alfred Werro.

Das rot-weiße Zelt am Eingang zur Wohnwagenstadt lädt zu einer Fotoausstellung ein. "Normalerweise ist unser Zelt viel größer und wir bieten sonst auch eine Festwirtschaft mit etwas zu Essen und Trinken an, doch wegen der Pandemie ist dies nicht möglich», bedauert Birchler-Werro. Anhand von alten Bildern klären sie über ihre Kultur und Traditionen auf. "Es ist schön, dass sich viele interessiert zeigen, einer wollte sich sogar gleich einen Wohnwagen kaufen und mitkommen", sagt die Leiterin der Genossenschaft "fahrendes Zigeuner-Kultur-Zentrum".

Jenische und Roma fahren Ferrari?

Inmitten der Wohnwagen steht ein roter Sportwagen, der nicht für alle St. Galler ins Bild passt. Mehrere Personen fragen sich, was der Ferrari auf dem Platz bei den Fahrenden zu suchen hat. Ein News-Scout meint mit einer gewissen Portion Ironie: "Mercedes war früher, heute ist es ein Ferrari. Die Fahrenden wissen, wie es läuft."

Die Jenischen und Roma verdienen ihr Geld üblicherweise durch das Ausüben ihres Handwerks, Scheren und Messer schleifen, doch sie sind nicht bekannt dafür reich und mit Sportwagen unterwegs zu sein. Auch Angelo Birchler, der Mann der Genossenschaftsleiterin, will nichts mit dem Ferrari zu tun haben. Er sagt: "Mir ist unklar, was er mit dem Sportwagen will, man kann damit weder zur Arbeit fahren noch einen Wohnwagen ziehen." Wie es bei den Fahrenden heißt, gehöre der Ferrari einem Mann, der angeblich mit teuren Autos handelt. "Der Wagen stört uns. Er passt nicht und wirft Vorurteile auf, welche nicht stimmen", sagt Birchler.

Die Gemeinschaft wächst

Die Gruppe bleibt jeweils drei bis vier Wochen an einem Platz. Sie wird jetzt bis zum 8. August in St. Gallen bleiben und dann nach Zürich weiterziehen, denn vom 18. bis 21. August finden auf der Hardturmbrache die "Zigeuner-Kultur-Tage" statt. Neben Festwirtschaft wird dort auch eigene Musik gespielt.

"Sehr viele freuen sich auf das Fest, da trifft man auch wieder viele der Sesshaften", sagt Birchler-Werro stolz. Ganz stolz erzählt sie auch vom neuen Zuwachs. "Viele junge Leute, rund 18-jährig, die frisch verheiratet sind, haben sich unserer Gemeinschaft angeschlossen." Ein Einstieg sei einfach. "Man muss nur anrufen und wenn wir Platz haben, darf sich jeder anschließen", erklärt Birchler-Werro.

"Man kennt uns so"

Den Fahrenden fehlt es an Nichts. "Wir kennen die Schweiz und ihre Hotspots, wir sind es uns gewohnt keinen festen Standplatz zu haben, das gibt mir ein Gefühl von Freiheit", sagt die Tochter des Genossenschafts-Präsidenten. Die Gemeinschaft hat sich einen Namen gemacht: "Vor 35 Jahren, als die Genossenschaft gegründet wurde, kannte man das Wort 'Zigeuner' noch nicht als Diskriminierung. Mich persönlich stört es auch nicht. Mittlerweile kennt man uns unter diesem Namen."

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