Wien

Hilfe für Kinder in Not: Stadt Wien sucht Kriseneltern

Krisenpflegeeltern sowie Pflegeeltern werden in Wien dringend gesucht. Doch Pandemie und Teuerung hemmen die Bereitschaft potentieller Ersatzeltern. 

02.08.2022, 16:53
Behütet aufwachsen – für viele Kinder derzeit ein Traum. Liebevolle Ersatzeltern sind in Wien gerade rar.
Getty Images/iStockphoto

Es gibt derzeit viele Kinder in Wien, die kurzfristig und rasch betreut werden müssten. Aber auch für die längerfristige Betreuung fehlen Eltern und Familien, die die Kleinen aufnehmen. Man sei laufend auf der Suche, so Martina Reichl-Roßbacher, die Leiterin des Fachbereichs Pflegekinder bei der MA 11 im Interview mit "Radio Wien". Der Mangel an Personal könnte im Herbst einen Wandel erfahren. Dann gibt es ein neues Arbeits- und Gehaltsmodell, dass die Bedenken wegen Corona und Teuerung mindern könnte.

Was aber haben Pandemie und Teuerung mit der Pflegebereitschaft zu tun? Sie "lassen viele Menschen überlegen, ob sie ihr Familiensystem belasten können und sich das leisten können“, erklärt Reichl-Roßbacher.

Was genau machen Kriseneltern eigentlich? Sie sind die erste Anlaufstelle, wenn eine Gefährdungssituation für ein Kind akut sehr hoch ist. Das heißt, dass die Kinder die aus solchen Situationen gerettet werden, oft ein schweres Schicksal tragen und einiges hinter sich haben. Das macht sie für die Kriseneltern zu anspruchsvollen Pfleglingen. Es ist kein einfacher Job.

Abschiede und Schicksale – es ist kein leichter Job

Meist werden die Kleinen im Alter von 0 bis 3 Jahren an Krisen- oder Pflegeeltern vermittelt. "Der Bedarf ist sehr groß“, sagt Reichl-Roßbacher. Es ist ein Job, der einige Belastungen mit sich bringt und von den meisten Krisenpflegeeltern nur ein paar Jahre lang ausgeübt wird. "Denn es ist schon eine große Belastung, man weiß nicht, mit welchen Rucksäcken die Kinder kommen und man muss auch immer wieder Abschied nehmen – meisten Krisenpflegeeltern haben vier, fünf Kinder pro Jahr bei sich.“

Schon 10-15 mehr Kriseneltern würden in Wien Unterschied machen

Konkret wäre es überaus hilfreich, wenn es in Wien weitere 10 bis 15 Krisenpflegefamilien gäbe, so Reichl-Roßbacher. Zugleich verändert das die Rechnung: Denn je mehr Krisenpflegeeltern sich bereit erklären, desto mehr Pflegeeltern würden im Anschluss benötigt. Denn die Pflegeeltern übernehmen die Kinder von den Kriseneltern, wo sie nicht dauerhaft bleiben können. Nur etwa 40 Prozent der Kinder kehren nach einer Krise wieder in ihre eigene Familie zurück. Alle anderen leben anschließend bei ihren langfristigen Pflegeeltern – im Idealfall. Das heißt, wenn es denn welche gibt.

Um ein Fünftel weniger Pflegeeltern-Vermittlungen als vor Pandemie

Formuliertes Ziel der Stadt Wien ist es, alle betreffenden Kinder bis sechs Jahren im Familienverbund zu betreuen. Das aber sei derzeit nicht leistbar. Während man in normalen Zeiten pro Jahr rund 120 Kinder an Pflegeeltern vermitteln könne,  waren es im Vorjahr nur noch rund 100. Ganz einfach, weil es an Eltern für die Kleinen mangelt.

Plätze für Geschwister, Zwillinge oder Kinder mit bekannten gesundheitlichen Problemen wie etwa einem Drogenentzug zu finden, ist eine zusätzliche Herausforderung. "40 bis 60 neue Pflegeeltern dazu wäre optimal“, sagt Reichl-Rossbacher, "weil bei langfristigen Vermittlungen Pflegepersonen und Kind gut zusammenpassen müssen.“

Neue Arbeitsbedingungen für Krisenpflege ab September: Mehr Geld

Die Situation verändern könnte das neue Gehalts- und Arbeitsmodell für Krisenpflegeeltern. Es wird eine Erhöhung der Entlohnung von Krisenpflegeeltern auf 1.500 Euro netto monatlich (exklusive Krisenpflegegeld) geben. Zusätzlich werden 500 Euro gezahlt für die Aufnahme eines weiteren Krisenkindes, im Sinne einer Aufwandsentschädigung. Ferner wird es ab Herbst möglich sein, einen fünfwöchigen Urlaub oder eine Pause einzulegen, in der die Kriseneltern keine Betreuungsverpflichtung haben.

Reichl-Roßbacher hat die Hoffnung, dass die verbesserten Konditionen mehr Kriseneltern bewegen, sich zu melden: "Wir hoffen schon, dass sich dann mehr melden. Vor allem, da die Verpflichtung, ein zweites Kind aufzunehmen, weggefallen ist“, so Reichl-Roßbacher. Diese Verpflichtung habe in der Vergangenheit einige Eltern abgeschreckt.

Auch für Langzeitpflegeeltern gibt es eine relevante Neuerung: Anders als bisher können Langzeitpflegeeltern eine Anstellung schon ab dem 2. Lebensjahr des Pflegekindes in Anspruch nehmen. Die im Juni im zuständigen Gemeinderatsausschuss beschlossene Neuregelung tritt im September in Kraft.

    29.04.2024: Papas Leiche lag 18 Stunden neben Sohn auf der Couch. Ein Vater ist bei seinem Sohn daheim gestorben. 18 Stunden blieb der Leichnam auf dem Sofa liegen. Der Hinterbliebene versteht die Welt nicht mehr >>>
    privat
    Mehr zum Thema