Wintersport

ÖSV verrät WM-Geheimwaffe: "Komplexer als Wunderwachs"

Österreich räumte bei der Ski-WM ab. Was steckt hinter der Medaillen-Lawine? "Heute" ging der Spur von ÖSV-Sportdirektor Toni Giger nach. Mit Erfolg.

23.02.2021, 07:23
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Material-Guru Edi Unterberger über WM-Heldin Katharina Liensberger: "Sie trainiert mehr als andere."
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Fünf Mal Gold, acht Medaillen! Mit Katharina Liensberger und Vincent Kriechmayr zudem die erfolgreichsten WM-Athleten bei Damen und Herren. Österreich ist nach der WM in Cortina wieder die Ski-Nation Nummer 1. Das ist Balsam auf die rot-weiß-roten Ski-Wunden.

Für Vergessliche: Bei der Ski-WM in Aare 2019 war Österreich im Medaillenspiegel nicht am Podest, sondern Vierter. "Hinter der Slowakei wäre ich nicht gerne gewesen", sagte da ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel am Schlusstag. "Es geht nicht besser", meinte er am Sonntag in Cortina und grinste mit der Sonne im Zielraum um die Wette. Aber was genau steckt hinter der Medaillen-Lawine?

ÖSV hat den Material-Trumpf bei der WM ausgespielt

Eine ÖSV-Geheimwaffe! Sportdirektor Toni Giger gab das in Cortina zu. Im Herren-Slalom hatte soeben Adrian Pertl, der auch wegen der niedrigeren Startnummer statt Fabio Gstrein noch ins Slalom-Team rutsche, für die achte ÖSV-Medaille gesorgt. Giger sprach von einem "Ski-Team für Österreich". Und sagte, dass der ÖSV einen Material-Trumpf quasi im Ärmel hatte. "Edi Unterberger hatte eine Idee, das hat funktioniert“, meinte er. "Was es ist, darf ich nicht sagen."

Marcel Hirscher beim Rücktritt mit Material-Guru Edi Unterberger (l.)
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Edi Unterberger ist kein Unbekannter. Er ist der bekannteste Material-Guru in Österreich, seitdem er 1989 erstmals im Ski-Weltcup auftauchte. "Ich bin mit der Firma Atomic verheiratet", sagt er vor ein paar Jahren einmal. Da arbeitete er noch für die Altenmarkter Skischmiede. Ob Hermann Maier, Michael Walchhofer, Markus Wasmeier oder Aksel Lund Svindal: Unterberger schliff die Weltmeister-Ski. Als Atomic und damit auch Österreich der Rest der Ski-Welt zumindest einen Schritt voraus war, hatte er verdächtig oft seine Hände im Spiel. Zuletzt werkte er für das Privatteam von Marcel Hirscher. Legendär die Anekdote als er mit Hirschers Papa Ferdl stundenlang den schnellsten Skistock bei Start-Tests für Marcel heraustestete.  

Papa Hirscher und Unterberger - das Tüftler-Duo

Papa Hirscher und Unterberger sind auch heute noch ein geniales Tüftler-Duo. Mittlerweile ist Unterberger beim ÖSV angestellt. Seine Erfahrung, sein Wissen hält ÖSV-Boss Schröcksnadel für unverzichtbar. 

    Österreichs Medaillen-Helden bei der Ski-WM 2021 in Cortina zum Durchklicken!
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    "Wenn ich zu viel verrate, dann hat mich der Toni Giger"

    "Heute" fragte bei Unterberger nach: Was ist die WM-Geheimwaffe? Gibt es ein neues Wunderwachs? "Wenn ich zu viele Details verrate, hat mich der Toni Giger", antwortet Unterberger am Telefon. "Wunderwachs ist es keines. Es ist komplexer, komplizierter."

    Dann legt er los und gibt Einblick in unsere Ski-Goldfabrik: Als Chef der Technologie-Abteilung im ÖSV, die allein 35 Servicemänner hat, kümmerte er sich zuletzt intensiv um Liensberger. "Ich habe Einblick bei allen Läufern in alle Komponenten. Die Kathi hatte im Riesentorlauf ein großes Manko. Sie fand keinen Grip, hat den Ski auf Eis nicht durchgedrückt." Beim Riesentorlauf in Kranjska Gora Mitte Jänner ging noch viel schief. 3,98 Sekunden verlor sie auf Siegerin Marta Bassino (ITA). In vier Wochen sollte sie diesen Rückstand wettmachen. 

    "Katharina ist nicht die Schwerste. Es ging um den Grip."

    Kurz vor der WM beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Mit Liensbergers Servicemann Raphael Hudler wird beim Set-up "kurzfristig alles umgeschmissen". "Kathi kam einfach nicht ins Fahren. Sie ist nicht die Schwerste. Es ging um den Grip. Aber nicht nur um eine scharfe Kante, sondern in welchem Winkel der Ski aufliegt, es geht auch um die Biegelinie. Den Blick dafür hast du nur, wenn du oft dabei bist. Den Athleten gut kennst und auf allen Schneeverhältnissen siehst." 

      Marcel Hirscher ist der Gesamtweltcup-Rekordsieger. Acht Mal in Folge gewann der Annaberger die große Kristallkugel - öfter als jeder andere. Hier ein Streifzug durch die Karriere des Ski-Superstars.
      (Bild: GEPA-pictures.com)

      Die Firma Rossignol liefert kurzfristig neue Ski. Man entscheidet sich im Team auch für neue Platten und damit ein völlig neues Set-up. "Die Kathi war 2019 in Lienz schon einmal Dritte im Riesenslalom", erinnert sich Unterberger. "Sie hatte also einen Ski mit dem es funktioniert hat. Da war der Sepp Weißenbacher noch ihr Servicemann. Nur wurde dann die Kante immer dünner, bis es vorbei war. Das hat mich immer beschäftigt. Da wollten wir wieder hin." 

      "Das kannte ich so nur vom Hirscher"

      In Cortina ist Liensberger dann auf drei verschiedenen Schneearten schnell. "Das kannte ich so nur vom Hirscher." Sie wird sensationell Dritte, holt in der ÖSV-Problemdisziplin Riesenslalom Bronze. "Es ist echt ein klasser Moment. Ich freue mich, weil ich etwas für sie bewirken konnte."

      Unterberger ist die Bescheidenheit in Person. "Bitte stelle nicht mich in den Vordergrund", sagt er mehrmals. Dann erzählt er weiter. Man spürt, dass er das, was er tut, gerne tut. "Es geht nicht um mich. Man muss sich in den Läufer und die Läuferin hineinfühlen. Ich arbeite gut mit den Skifirmen zusammen."

      Neben den 35 Servicemännern vom ÖSV haben natürlich die Skifirmen ihre eigenen Materialtüftler für jeden Top-Läufer. "Der Raphael Hudler von der Kathi ist ein ganz ein Fleißiger. Sonst kannst du mit ihr auch nicht arbeiten. Sie hatte heuer so viele Schneetage. Die Kathi ruft heute an, dass sie morgen trainieren will. Da musst du als Servicemann gestellt sein, hast eigentlich keine Freizeit." 

      Gemeinsame Arbeit begann nach dem ÖSV-Materialstreit

      Unterberger steht Liensberger seit dem Materialstreit mit dem ÖSV im Herbst 2019 zur Seite. "Da begann sie im Riesentorlauf bei Null, das sah auf den Videos furchtbar aus. Der Toni Giger hat gemeint, ich soll ihr helfen."

      15 Monate später ist Liensberger Doppel-Weltmeisterin. Beide Goldenen in Cortina holte sie mit dem neuen Ski und mit dem völlig neuen Set-up. Die Zukunft sieht er rosarot: "Die Kathi ist eine, die will. Sie ist sehr ehrgeizig, sie trainiert mehr als andere. Sie ist bei unterschiedlichen Verhältnissen schnell und wird konstant vorne mitmischen."

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