Österreich

Clara aus Wien: "Meine Mutter nannte mich Fettotter"

Für Clara (24) standen Beleidigungen durch ihre Mutter an der Tagesordnung. Denn diese leidet an einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

Christine Ziechert
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Clara als Jugendliche (r.), sie litt unter einer Essstörung.
Clara als Jugendliche (r.), sie litt unter einer Essstörung.
privat

Wenn Clara (24) an ihre Mutter denkt, kommen bei der Wahl-Wienerin vor allem viele negative Emotionen hoch. Denn die gebürtige Deutsche wurde jahrelang von ihr beleidigt und gedemütigt. Zudem versuchte die Mutter, Clara gegen ihre Schwester auszuspielen. Erst mit 18 Jahren entdeckte Clara per Zufall, dass ihre Mutter offenbar an einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet.

"Mein Vater starb an einem Schlaganfall, als ich zehn Jahre alt war. Plötzlich waren nur mehr meine Mutter und meine fünf Jahre ältere Schwester da. Die beiden hatten sehr oft Streit. Meine Schwester hatte damals ihre ersten sexuellen Erfahrungen. Meine Mutter beschimpfte sie als 'Flittchen' und 'Schlampe' und wurde auch handgreiflich. Schließlich ist meine Schwester von zu Hause weg, und ich war mit meiner Mutter allein", erinnert sich Clara. 

"Meine Mutter hat mich fertig gemacht und beleidigt. Ich dachte, sie ist eben so, einfach gemein" - Clara (24)

Neben den schlechten schulischen Leistungen spielte vor allem das Übergewicht des Mädchens eine große Rolle: "Meine Mutter hat mich fertig gemacht und beleidigt. Sie nannte mich 'Fettotter', 'Doppelwhopper' oder 'Fettarsch'. Ich dachte, sie ist eben so, einfach gemein", meint Clara, die derzeit eine Psychotherapeuten-Ausbildung in Wien absolviert.

Mit 16 Jahren flüchtete Clara schließlich auf ein Internat: "Dort entwickelte ich eine Essstörung, eine Mischung aus Bulimie und Anorexie. In einem Dreivierteljahr verlor ich 31 Kilo. Ich dachte damals, wenn ich schlank bin, dann ändert sich das Verhalten meiner Mutter, dann wird alles gut."

Erst mit 18 Jahren entdeckte Clara, was mit ihrer Mutter los ist

Doch das Gegenteil war der Fall: "Sie hat mich noch schlimmer behandelt. Als wir nach meiner Entlassung aus der Klinik in einem Café saßen, meinte sie: 'Du hast keinen Schulabschluss, du bist psychisch labil. Du bekommst gar nichts hin und wirst nie was auf die Reihe kriegen. Die Heimfahrt im Auto war ein Horror. Sie hat es richtig genossen, wie schlecht es mir geht, mir ins Gesicht gelacht. Es war fast schon sadistisch", erzählt Clara.

Erst mit 18 Jahren erfuhr Clara, was mit ihrer Mutter los ist: "Ich beschrieb in einem Forum eine Situation mit meiner Mutter und eine Frau schickte mir einen Link zu einer Seite über die Narzisstische Persönlichkeitsstörung. Dort waren Verhaltensweisen aufgelistet – etwa 80 % davon trafen auf meine Mutter zu. Ich war geschockt und erleichtert zugleich."

"Meine Mutter hat alles verändert und verdreht, so wie sie es gebraucht hat. Sie hat mich manipuliert, es war wie ein Spiel für sie" - Clara 

Die junge Frau zog schließlich in eine eigene Wohnung, hatte aber noch immer Kontakt zu ihrer sehr religiösen Mutter: "Einen Tag vor meinem 19. Geburtstag war ich bei ihr zu Hause. Ich wollte einfach nur einen schönen Tag verbringen. Aber dann begann sie, bösartig über meine Schwester herzuziehen. Ich bin wortlos aufgestanden und gegangen", so die 24-Jährige.

"Meine Mutter war grundsätzlich extrem sprunghaft. Was sie an einem Tag gesagt hat, war am nächsten schon wieder vergessen oder nicht mehr gültig. Sie hat alles verändert und verdreht, so wie sie es gebraucht hat. Sie hat mich manipuliert, es war wie ein Spiel für sie", blickt Clara zurück.

Clara brach den Kontakt zur Mutter ab

Sie schränkte den Kontakt zu ihrer Mutter ein, doch diese begann, sie zu terrorisieren: "Sie schickte mir Whatsapp-Nachrichten und E-Mails, wechselte dabei zwischen Beleidigungen, Vorwürfen und, dass sie mich vermisst. Sie stand vor meiner Tür oder wartete bei meiner Wohnung im Auto. Einmal kamen sogar zwei Leute aus der Kirche vorbei, sprachen mich mit dem Vornamen an und meinten, ich sei auf dem falschen Weg und sie würden mir helfen, wieder auf den richtigen zu kommen."

Der Berlinerin reichte es schließlich: Sie brach den Kontakt zu ihrer Mutter komplett ab und zog 2019 mit ihrer Schwester nach Wien: "Sie hat immer wieder versucht, per E-Mail Kontakt aufzunehmen, alle anderen Möglichkeiten hatte ich bereits blockiert. Es gab auch immer wieder Versuche, uns Schwestern gegeneinander auszuspielen. Schließlich hat sie sogar unsere Adresse in Wien herausgefunden. Ich habe dann auch ihre E-Mails blockiert, seit einem halben Jahr habe ich nichts mehr von ihr gehört."

"Das Essen war für mich immer der Stellvertreter für Emotionen" - Clara

Vor rund einem Jahr begann Clara mit ihrer zweiten Psychotherapie, um an den Auswirkungen des Verhaltens ihrer Mutter zu arbeiten: "Da kommen Themen wie mein gestörtes Essverhalten hoch. Das Essen war für mich immer der Stellvertreter für Emotionen. Ich hatte Binge-Phasen, in denen ich alles hinuntergeschlungen habe, dann gab es wieder Phasen, in denen ich extrem gehungert habe." Auch das abwertende Verhalten nicht nur Clara gegenüber hat die 24-Jährige teilweise von ihrer Mutter übernommen: "Bei den meisten Menschen, denen ich begegne, kommen erstmal negative Gefühle auf, und es ist ein extremes Misstrauen da."

Hilfe von Verwandten, Bekannten, Freunden oder seitens der Schule(n) gab es für Clara und ihre Schwester nicht: "Alle haben weggeschaut, es hat niemanden interessiert. In der Schule wurde ich einfach als faul abgestempelt", meint Clara. Heute hat es die 24-Jährige geschafft: Sie führt einen eigenen Instagram-Account, bis zu 291.000 Menschen sehen sich ihre Kurzvideos zum Thema Narzissmus auf ihrem TikTok-Kanal an. Zudem ist die Wahl-Wienerin bei einer renommierten Model-Agentur unter Vertrag. Und Clara und ihre Schwester sind in jeweils eigenen Wohnungen gezogen: "Damit jede für sich die eigene Geschichte aufarbeiten kann."

Hilfe für Betroffene bieten Selbsthilfegruppen wie der "Verein Seelenwerkstatt" von Karin Korntheuer und Florian Kraft unter verein-seelenwerkstatt.com/.

Etwa 0,4 Prozent der Bevölkerung leiden an einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Männer erhalten die Diagnose häufiger als Frauen. Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeit haben ein extremes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bewunderung. Oft stechen sie durch Arroganz und Selbstidealisierung heraus. Kritik ertragen sie nicht, und Misserfolg kann sie in schwere Krisen stürzen. Sie haben Schwierigkeiten, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und verhalten sich anderen gegenüber oft herablassend.

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