Ukraine

Kriegs-Demonstrant: "Fühlte mich wie auf Fotoshooting"

Wer in Russland gegen den Krieg demonstriert, muss mit Schauprozessen und heftigen Strafen rechnen. Ein Opfer der Zensur-Maßnahmen packt aus. 

Tobias Kurakin
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Wer gegen Putins Krieg demonstriert, wird schnell verhaftet.
Wer gegen Putins Krieg demonstriert, wird schnell verhaftet.
Sipa Press / Action Press/Sipa / picturedesk.com

Nur 20 Sekunden dauerte der Prozess von Ivan (Name geändert) in Russland. Er hatte sich gegen den Krieg in der Ukraine ausgesprochen und musste daher ins Gefängnis. Nach seiner Entlassung hat er vor, sein Heimatland zu verlassen und auszuwandern. 

Wer in Russland gegen den Krieg in der Ukraine demonstriert, muss harte Strafen erwarten. Trotz strenger Zensur-Maßnahmen hat das Ö1-Mittagsjournal einen Regime-Gegner vor das Mikrofon gebracht. Ivan berichtet im Gespräch von Schauprozessen und Gefängnis-Aufenthalten. 

Treffen im Wald 

"Als ich am 24. Februar vom Beginn dieser sogenannten Spezial-Operation erfuhr, schämte ich mich für mein Land und mir war klar, dass ich etwas tun muss", sagt Ivan, der sich mit dem ORF-Reporter Paul Krisai zur Sicherheit in einem Wald in der Nähe von Moskau trifft. 

Ivan stellte sich mit einem Plakat mit der Aufschrift "nein zum Krieg" ein russisches Regierungsgebäude, wenig später war er bereits von Polizeibeamten umzingelt. "Es war wie ein Fotoshooting", erzählt Ivan, der von den Polizisten zunächst fotografiert wurde, um Beweismittel sicherzustellen.  Wenig später wurde er in einem bereit-stehenden Gefangenen-Transporter abgeführt. 

Danach Ivan, der zuvor ein unaufgeregtes Leben geführt hat, ein Schauprozess. Binnen weniger Sekunden wird er vom Gericht zu 30 Tagen Gefängnis verurteilt, weil er gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hat. Seine Haftzelle teilte er sich ein Monat lang mit neun anderen Insassen.

Die Haftbedingungen waren dabei erwartbar schlecht. Ivan und seinen Mitgefangenen war es nur einmal am Tag erlaubt für 15 Minuten zu telefonieren, duschen, durften die Insassen zudem nur einmal in der Woche. Von seinen Freunden bekam Ivan Süßigkeiten und Kekse geschickt, diese gaben ihm Hoffnung. 

Mit seiner Entlassung wurde Ivan bewusst, dass es für ihn keine Zukunft mehr in Russland gibt. "Friedliebende Menschen haben hier nur zwei Optionen, entweder sie wandern aus oder ins Gefängnis". Nun habe sich Ivan für die erste Option entschieden. Wohin ihn seine Reise führt, weiß er noch nicht. Menschenrechtsorganisationen gehen mittlerweile davon aus, dass seit Kriegsausbruch 15.000 Personen in Russland aufgrund von Protesten festgenommen wurden. 

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    VINCENZO PINTO / AFP / picturedesk.com