Politik

"5.000 jüdische Einwanderer für Wien"

Heute Redaktion
Teilen
Picture
Bild: Philipp Enders

Geschichtsunterricht auf der einen, "doppelt so harte Strafen für Hassverbrechen" auf der anderen Seite -fordern Ronald Lauder und Oskar Deutsch. Lauder ist der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Deutsch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Sie fordern eine "Null Toleranz"-Politik gegen Rassismus. Lauder kritisiert aber auch die Einwanderungsbestimmungen Österreichs: "Von Immigration profitieren Land und jüdische Gemeinde."

Geschichtsunterricht auf der einen, "doppelt so harte Strafen für Hassverbrechen" auf der anderen Seite –fordern Ronald Lauder und Oskar Deutsch. Lauder ist der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Deutsch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Sie fordern eine "Null Toleranz"-Politik gegen Rassismus. Lauder kritisiert aber auch die Einwanderungsbestimmungen Österreichs: "Von Immigration profitieren Land und jüdische Gemeinde."

"Heute": Die Präsidenten der größten amerikanisch-jüdischen Organisationen tagen derzeit in Wien. Warum Wien?

Lauder: Weil Wien Mitte zwischen Osten und Westen ist und wir Antisemitismus global bekämpfen wollen.

"Heute": 1986 schickte Sie US-Präsident Ronald Reagan als Botschafter nach Wien. Was hat sich seither verändert?

Lauder: 1959 war ich zum ersten Mal hier. Da gab es sogar noch russische Schilder. Es hat sich sehr viel getan. Hervorzuheben ist die Einwanderung, insbesondere von Juden aus der ehemaligen UdSSR. Das hat Österreich weltoffener gemacht.

"Heute": 1986 wurde mit Kurt Waldheim ein ehemaliges SA-Mitglied Bundespräsident... (Anm. publiziert wurde, dass Waldheim SS-Offizier gewesen sei, das ist unrichtig)

Lauder: ...und plötzlich redete man über den Holocaust. Bis dahin war es ja fast unmöglich, weil man sich als Opfer sah. Seither wurde viel aufgearbeitet - ein gutes Rezept gegen Rassismus.

"Heute": Herr Deutsch, tut Österreich genug gegen Antisemitismus?

Deutsch: So lange es Rassismus gibt, wird nicht genug dagegen getan. Das ist nicht nur Aufgabe der Politik, sondern von jedem Einzelnen. Von 2013 auf 2014 hat sich die Zahl judenfeindlicher Vorfälle auf 255 verdoppelt.

Lauder: Geschichtsunterricht schützt. Wer weiß, was war, sorgt dafür, dass es nicht wieder geschieht. Hoffentlich.

"Heute": : Ja, aber auch die Förderung von Eigeninitiative und Courage ist Aufgabe der Schule. Der Auschwitz-Überlebende Kent hat ein 11. Gebot vorgeschlagen: "Du sollst nicht unbeteiligt zusehen oder Mitläufer sein."

Deutsch: Genau darum geht es. Schon die Einhaltung der zehn Gebote würde ausreichen. Ob Christ, Moslem oder Jude: "Du sollst nicht töten" gilt für alle.

"Heute": Macht Europa zu wenig gegen Rassismus?

Lauder: Ja. Ein Jude muss überall ungefährdet eine Kippa tragen können. Das ist derzeit nicht der Fall. Mein Vorschlag: Strafrahmen für "Hate Crimes" (Verbrechen aus Hass gegen eine Gruppe wie z. B. Ausländer, Juden, Schwule etc.) verdoppeln.

"Heute": Viele befürchten im Zuge der Anti-Terror-Politik nach Paris die Aushöhlung des Datenschutzes.

Deutsch: Schutz des Lebens hat Vorrang vor Datenschutz.

"Heute": Sind Sie nicht besorgt, dass in Deutschland und Österreich mit Pegida Tausende gegen Muslime auf die Straßen gehen?

Deutsch: In jüdischen Schulen wird Respekt gegenüber jedem Menschen gelehrt.

Lauder: Jede Form von Rassismus ist abzulehnen. Das Problem ist doch, dass z. B. bei 5 Millionen Muslimen in Frankreich auch nur 1 Prozent an Radikalen sehr viel, zu viel ist.

Deutsch: Diese radikale Minderheit tötet und verursacht Angst vor dem Islam generell. Daher müssen auch islamische Gemeinden gegen Hassprediger vorgehen und in Bildung im Sinne der Aufklärung investieren.

"Heute": Herr Deutsch, Sie wollten jüdische Einwanderung forcieren. Haben Sie die Pläne verworfen?

Deutsch: 2014 wanderten rund 100 Juden ein, die meisten aus Deutschland und Ungarn.

"Heute": Waren nicht 10.000 das Ziel?

Deutsch: 10.000 in zehn bis 15 Jahren sind nachwievor ein Ziel. Unsere kleine Gemeinde (rund 8.000 Mitglieder, Anm,) braucht Zuzug um zu überleben. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass 1938 mehr als 200.000 Juden in Österreich gelebt haben.

Lauder: Ich habe mit vielen Ukrainern geredet. Viele wollen nach Österreich, insbesondere in der jetzigen Krise. Das Problem: Sie kriegen keinen Bescheid, werden nicht ins Land gelassen.

Deutsch: Das Problem sind die Kriterien der Rot-Weiß-Rot-Card (System für Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten, über das 8.000 qualifizierte Arbeitskräfte pro Jahr kommen sollten. Tatsächlich sind es weniger als 1.500 pro Jahr, Anm.). Die Bundesregierung hat eine Lockerung angekündigt. Die Zeit drängt. 

Lauder: Holt 5.000 jüdische Einwanderer! Sie beleben nicht nur die jüdische Gemeinde, von ihnen profitiert das ganze Land. Diese Menschen nehmen keine Jobs weg. Das ist ein Märchen. Im Gegenteil, sie kurbeln die Wirtschaft an, schaffen Jobs.

Deutsch: Dem ist nichts hinzuzufügen.

"Heute": Wie bald sollen diese 5.000 kommen?

Deutsch: Jetzt