Politik

Kurz, der Märtyrer: Das schreibt das Ausland

Auch in den Nachbarländern wird die Abwahl der Regierung Kurz fleißig kommentiert. Dabei könnten die Analysen kaum unterschiedlicher ausfallen.

Heute Redaktion
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Jetzt hat jeder eine Meinung: "Dieser Abgang ist selbst verschuldet", schreibt der Schweizer "Tages-Anzeiger" über den Kurz-Sturz. "Auf Kurz wartet bereits ein strahlendes Comeback", meint die "Welt". Und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" fragt: "Mit wem hat Kurz es sich noch nicht verscherzt?"

Die Meldung, dass der österreichische Kanzler samt Regierung abgewählt wurde, ließ am Montag auch in ausländischen Redaktionen die Tasten glühen. Insbesondere in den Nachbarländern Deutschland und Schweiz kommentierten die Journalisten das Geschehen in Österreich mit spitzer Feder. Eine Presseschau:

"Tages-Anzeiger" (CH)

Für den "Tages-Anzeiger" ist das Erstaunlichste an der Geschichte, "wie schnell alles ging". Noch vor 14 Tagen habe die türkis-blaue Koalition beinahe unerschütterlich gewirkt. Der Journalist folgert: "Wahrscheinlich war Kurz von sich und seiner Message control so überzeugt, dass er die Krise nicht kommen sah."

Nun, so schreibt der Journalist, sei Kurz "das größte Kapital" und das "größte Risiko" der Volkspartei zugleich. "Denn mit seinem Ego-Trip an der Regierungsspitze, mit seinem Persönlichkeitskult und der Gesprächsverweigerung hat er in der Politik verbrannte Erde hinterlassen." So sehr er von seinen Anhängern geliebt werde, so verhasst sei er in der Opposition.

"Die Welt" (DE)

Kurz-freundlicher kommentiert die "Welt": Sie geht davon aus, dass sich "der erzwungene Personalwechsel zum Eigentor vor allem für die Sozialdemokraten erweisen" wird. Denn die Abwahl bedeute, dass in Österreich Wahlgewinner den Hut nehmen müssen und eine Allianz aus Wahlverlierern über die Geschicke des Landes bestimmt. Die SPÖ verschärfe damit nur ihre eigene Krise.

Die Sozialdemokraten hätten Kurz aus der zunehmend belastenden Koalition mit der FPÖ befreit, "nur um ihm sehr wahrscheinlich bei der Neuwahl im September zu einem strahlenden Comeback zu verhelfen". Die Ressortleiterin Außenpolitik der "Welt" tippt auf eine Koalition mit den Grünen und den Neos.

"Neue Zürcher Zeitung" (CH)

Es sei zweifellos bitter für "Wunderwuzzi" Kurz, dass ausgerechnet er der erste Kanzler ist, der vom Parlament aus dem Amt gehoben wird, schreibt die ehemalige Wien-Korrespondentin der "Neuen Zürcher Zeitung". "Zufällig und aus reiner Missgunst" sei die Abwahl gleichwohl nicht erfolgt. Kurz erhalte mit der Abwahl auch die Quittung dafür, dass er das Parlament in den vergangenen eineinhalb Jahren "mit Geringschätzung behandelt" habe.

Dennoch sei der ÖVP-Chef durch den Vertrauensentzug nicht gedemütigt, sondern werde im Gegenteil "in eine Märtyrerrolle gedrängt". Dass er diese perfekt auszufüllen wisse, habe er in den letzten Tagen bereits bewiesen.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" (DE)

Für "geschwächt" hält hingegen die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" den abgewählten Kanzler. "Ihm fehlen der Kanzlerbonus und die internationale Bühne, auch die Ressourcen, die, bei allem Trennungsgebot, die Regierungsämter den Wahlkämpfern zur Verfügung stellen."

Für Kurz stellten sich im Wahlkampf zudem die Fragen: "Und jetzt? Mit wem hat er es sich noch nicht verscherzt? Wie lässt sich noch einmal eine Mehrheit bilden, um Projekte zu verfolgen, die über das gegenseitige Verhindern im großkoalitionären Kleinklein hinausgehen?"

"Bild" (DE)

Auch Kurz-Biograph Paul Ronzheimer hat nach der Abwahl in die Tasten gegriffen. Der "Bild"-Kommentar trägt den Titel: "Warum Kurz Recht hat". Nicht etwa für Kurz sei dieser Sturz das größte Problem, sondern für die Sozialdemokraten, so die Argumentationslinie.

Dass die Sozialdemokraten nun gemeinsame Sachen mit den "Anti-Demokraten der FPÖ" machten, zeige, "dass die SPÖ es nicht verstanden hat". Sie habe sich in absurden Argumenten verzettelt, anstatt Kurz Bedingungen zu stellen und zu verlangen: "Nie wieder mit diesen Rechten!"

Was andere internationale Medien zur Abwahl der Regierung Kurz schreiben, sehen Sie in der Bildstrecke.