Politik

"Deutsch für Sozialhilfe" von Gericht gestrichen

Der Verfassungsgerichtshof kippt die "Sozialhilfe neu" der ehemaligen ÖVP-FPÖ-Regierung. Die Maßnahmen gegen Zuwanderer seien illegal.

Heute Redaktion
Teilen

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bringt das Prestige-Projekt der ehemailigen türkis-blauen Regierung zu Fall. Die aus der Reform der Mindestsicherung zur "Sozialhilfe neu" umgesetzten Punkte gegen Zuwanderer wurden für verfassungswidrig erklärt. Konkret trifft das die Höhe der Sozialhilfe verbunden mit den Sprachkenntnissen des Zuwanderers, als auch die gedeckelten Höchstsätze je nach Anzahl von Kindern.

Gegen das im Frühjahr 2019 verabschiedete Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und das gleichzeitig verabschiedete Sozialhilfe-Statistikgesetz hatten 21 SPÖ-Mitglieder des Bundesrates den VfGH angerufen. "Die Gewährung von Leistungen bei sozialer Hilfsbedürftigkeit – das 'Armenwesen'– ist an sich Sache der Länder, so der VfGH. Aber: Der Bund sei dafür zuständig, "Detailregelungen zu erlassen, sofern diese Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für das ganze Bundesgebiet zum Gegenstand haben".

Mindestsätze für Kinder verfassungswidig

Den Ländern bleiben immerhin noch "Regelungsspielräume". Gekippt wird vom VfGH aber der Höchstsatz der Sozialhilfeleistung für die Anzahl der Kinder. Die "Sozialhilfe neu" hatte für das erste Kind 25 Prozent, für das zweite Kind 15 Prozent und für das dritte und jedes weitere Kind 5 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes vorgesehen.

Dass es Mindestsätze und nicht Höchstsätze gibt, kommentiert der VfGH so: "In dieser Regelung liegt eine sachlich nicht gerechtfertigte und daher verfassungswidrige Schlechterstellung von Mehrkindfamilien; insbesondere kann diese Regelung dazu führen, dass der notwendige Lebensunterhalt bei Mehrkindfamilien nicht mehr gewährleistet ist."

"Deutsch für Sozialhilfe" vor dem Aus

Ebenfalls aufgehoben wird die Verküpfung der Höhe der Sozialleistung mit den Deutsch-Kenntnissen von Zuwanderern. Das Gesetz sah neu vor, dass mindestens 35 Prozent des Geldes abhängig davon ist, ob zumindest das Sprachniveau B1 (Deutsch) oder C1 (Englisch) nachgewiesen wird. Lag diese Voraussetzung nicht vor, so steht es im Gesetz, sind die Sozialhilfeleistungen entsprechend zu vermindern. Das wurde nun gekippt.

"Der Grundsatzgesetzgeber hat (...) schon deshalb eine unsachliche Regelung getroffen, weil keine Gründe ersichtlich sind, weshalb ausschließlich bei Deutsch- und Englischkenntnissen auf diesem hohen Niveau eine Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt anzunehmen sein soll", so der VfGH. "Es ist offenkundig, dass für viele Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt weder Deutsch auf B1-Niveau noch Englisch auf C1-Niveau erforderlich sind."

Personen auch ohne Sprachkenntnisse vermittelbar

Das Gesetz lasse auch außer Acht, "dass Personen aus mannigfaltigen Gründen (Lern- und Leseschwächen, Erkrankungen, Analphabetismus uvm.) nicht in der Lage sein können, ein derart hohes Sprachniveau zu erreichen, aber dennoch am Arbeitsmarkt vermittelbar sein können". Die bisherige Regelung verstoße damit gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Beinahe zeitgleich mit der Erkenntnis des VfGH meldete sich FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl zu Wort: "Die Höchstrichter stellen mit dieser Entscheidung den Magnet für unqualifizierte Zuwanderung wieder auf Maximalleistung". Die Argumentation, gute Sprachkenntnisse würden die Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt nicht erhöhen, "kann man nur noch als schräg und weltfremd bezeichnen". Und: "Die Verfassungsrichter setzen ihre Segel ganz offensichtlich für die sich abzeichnende schwarz-grüne Regierung."