Politik

Kurz: "Na ja, ich bin ein ungeduldiger Mensch"

Heute Redaktion
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Im Interview mit "Heute.at" zieht ÖVP-Chef Sebastian Kurz ein Resümee der ersten Sondierungsgespräche. Er sagt: "Ich lasse mich nicht verbiegen."

Herr Kurz, wie lautet Ihr Resümee nach der ersten Sondierungsrunde?

Sebastian Kurz (ÖVP): "Die Gespräche mit den anderen Parteichefs waren atmosphärisch sehr gut, sehr konstruktiv. Wir haben über den politischen Stil gesprochen. Mein Ziel ist, dass der Umgang in der Politik wieder ein respektvollerer wird, die politische Kultur endlich wieder besser wird, nach diesem teilweise sehr schmutzigen Wahlkampf.

Wir haben auch über die Zusammenarbeit im Parlament gesprochen und darüber, was man über Parteigrenzen hinweg gemeinsam auf den Weg bringen kann. Und natürlich über die Bereitschaft der Parteien, in einer zukünftigen Regierung mitzuarbeiten. Drei Parteien – SPÖ, Grüne und Neos – haben signalisiert, dass sie grundsätzlich bereit sind, in einer Regierung mitzuarbeiten. Die Freiheitliche Partei hat signalisiert, dass sie das Wahlergebnis nicht als Auftrag sieht, in einer Regierung mitzuarbeiten, sondern auf Oppositionskurs ist."

"SPÖ, Grüne und Neos haben signalisiert, dass sie grundsätzlich bereit sind, in einer Regierung mitzuarbeiten."

Wie geht es jetzt weiter? Worüber wird man inhaltlich sprechen?

"Die Sondierungen werden sicher noch einige Wochen Zeit brauchen. Ich werde mit allen Parteichefs weiterhin Vieraugen-Gespräche führen. Zusätzlich werden wir schon am Donnerstag in größerer Runde zusammentreffen. Mit mehreren Verhandlern pro Partei, um auch inhaltlich ein Stück weiter in die Tiefe zu gehen.

Der weitere Fahrplan
Die Sondierungsgespräche der ÖVP gehen weiter, neben weiteren Vieraugen-Gesprächen werden diesmal auch Verhandlungsteams zu je sechs Personen miteinander sprechen.

Donnerstag 17.10., 10 Uhr: SPÖ
Freitag 18.10., 10 Uhr: Grüne
Freitag 18.10., 14 Uhr: Neos

Da wird es quer durch um alle relevanten, politischen Fragen gehen. Von der Wirtschafts-, über die Klimapolitik, von der Migrationspolitik bis zu außen- und europapolitischen Fragen. Es geht zunächst darum, einen Überblick über Schnittmengen aber auch Widersprüche zwischen den Parteien zu erhalten."



Wer wird da konkret teilnehmen?

"Das werden grundsätzlich politische Vertreter sein, die thematisch sehr breit zu den wichtigsten Zukunftsfragen unseres Landes diskutieren werden. Ich setze da auf mein bewährtes Team der letzten Verhandlungen, das ich jetzt noch erweitert habe: Gernot Blümel, Elisabeth Köstinger, Stefan Steiner sowie Margarete Schramböck und August Wöginger."

Inhaltlich gibt es teils große Differenzen, etwa mit den Grünen. Sehen Sie auch Gemeinsamkeiten?

"Die inhaltlichen Diskussionen möchte ich – mit allen Parteien – in den Gesprächsrunden führen. Gerade in einer so sensiblen Phase möchte ich den anderen Parteien da nicht über die Medien irgendetwas ausrichten. Klar ist, dass es in vielen Sachfragen große Unterschiede zwischen uns und den Grünen, uns und der SPÖ gibt. Auch mit den Freiheitlichen und den Neos gibt es in einigen Bereichen einfach unterschiedliche Standpunkte, das ist eben so in einer Demokratie."

"Ich bin Realist und weiß, dass dieser Prozess schon einige Monate brauchen wird."

Was bedeuten die Turbulenzen bei SPÖ und FPÖ für Sie als Volkspartei?

"Da und dort werden sich wahrscheinlich in den nächsten Wochen die Nebel lichten. Es gibt Parteien, wo gerade eine Richtungsdiskussion stattfindet. Das macht die Sondierungsgespräche nicht unbedingt leichter. Aber auf der anderen Seite muss ich sagen, das ist eben so und das war auch in einem gewissen Ausmaß erwartbar."

Haben Sie eine Deadline, bis wann die Regierung stehen soll?

"Na ja, ich bin ein ungeduldiger Mensch, ich werde mich bemühen, dass wir möglichst schnell vorankommen. Weil Österreich sich auch eine stabile, handlungsfähige Regierung verdient hat.

Aber ich bin auch Realist und weiß daher, dass dieser Prozess schon einige Monate brauchen wird. Ich hoffe, dass wir nach einigen Wochen der Sondierungsphase so weit sind, in Koalitionsverhandlungen eintreten zu können. Ich bin aber kein Prophet und kann Ihnen daher leider heute noch kein konkretes Datum nennen, auch wenn ich das gerne würde."

Gibts irgendetwas aus den Regierungsverhandlungen 2017 wo Sie sagen, das mach ich gerne genauso wieder? Das hat gut funktioniert?

"Ich glaube was wirklich sehr gut funktioniert hat war, dass wir die Regierungsverhandlungen im Jahr 2017 sehr vertrauensvoll geführt haben. Dass wir in direkten Gesprächen verhandelt haben und uns nicht über die Medien etwas ausgerichtet haben. Das war sicher der Hauptgrund für den Erfolg und die zügigen Verhandlungen letztes Mal."

SPÖ, Grüne und Neos sind noch im Rennen. Bei wem haben Sie das Gefühl, ist der Wille zur Zusammenarbeit am ernsthaftesten?

"Ich habe bei drei Parteien den Eindruck gehabt, dass sie prinzipiell gerne in einer Regierung mitarbeiten wollen und einen Beitrag leisten wollen. Die Größenverhältnisse sind unterschiedlich, eine Zweierkoalition mit den Neos ist rechnerisch nicht möglich, dadurch ist dort die Situation natürlich etwas anders als bei Sozialdemokratie und Grünen."

"Im Zuge einer Regierungsbildung - egal mit welcher Partei - wird es notwendig sein, nach Kompromissen zu suchen."

Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit für Dreierkoalition mit den Neos ein?

"Ich habe das niemals per se ausgeschlossen, kann aber da jetzt weder eine Wette eingehen noch einen Prozentsatz nennen."

Und die Wahrscheinlichkeit für Türkis-Blau, obwohl die Zeichen gerade dagegen stehen?

"Wir stehen erst am Anfang der Sondierungsphase, ich habe erst eine erste Runde an Vieraugen-Gesprächen gehabt. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass die Freiheitlichen den Oppositionskurs eingeschlagen haben."

Die FPÖ warnt ja in Anbetracht der Möglichkeit einer türkis-grünen Regierung vor einer Linkswende. Wie sehen Sie das?

"Ich habe eine klare Haltung und ich lasse mich nicht verbiegen. Andere Parteien haben andere Positionierungen und im Zuge einer Regierungsbildung - egal mit welcher Partei - wird es notwendig sein, nach Kompromissen zu suchen. Wenn die Freiheitliche Partei sagt, sie ist nicht bereit, mitzuregieren und Regierungsverhandlungen zu führen, dann ist das Ergebnis natürlich, dass wir mit Grünen und Sozialdemokratie sprechen werden."

Minderheitsregierung - ist vom Tisch?

"Mein Ziel ist, eine Koalition mit einer stabilen Mehrheit im Parlament zu bilden. Wenn das nicht gelingen sollte, ist eine Minderheitsregierung immer noch eine Option. Aber wie gesagt, mein Ziel ist klar, eine stabile Regierung zu bilden und wir stehen erst ganz am Anfang der Sondierungsgespräche."

Die anderen Parteien haben ihre roten Linien schon in den ersten Gesprächen definiert. Hat die ÖVP das auch gemacht?

"Wir haben klare Positionen, die sind auch bekannt. Die sind auch von einer sehr hohen Zahl an Österreicherinnen und Österreichern gewählt worden. Diese Positionen sind uns wichtig, aber ich glaube nicht, einen positiven Beitrag zu den Gesprächen zu leisten, wenn ich diese Positionen jetzt noch einmal den anderen Parteien als rote Linien oder Bedingungen verkaufe. Die anderen Parteien kennen sie ohnehin. Ich glaube nicht, dass das ein Beitrag ist, um voranzukommen."

Gibt es Maßnahmen, die die ÖVP noch vor Bildung einer Regierung im Parlament umsetzen will?

"Wichtig ist, dass nicht noch mehr Geld ausgegeben wird. Da gab es einige Beschlüsse vor der Wahl, die unser Budget massiv belasten und die es uns in Zukunft als Republik nicht leichter machen werden. Das sogenannte freie Spiel der Kräfte hat unser Budget schwer belastet. Insofern ist mein Ziel, dass das jetzt mit der Wahl beendet ist. Wenn es da und dort Sinn macht, Gesetze gemeinsam auf den Weg zu bringen, dann werden wir uns als ÖVP sicherlich nicht dagegen verwehren."