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"Godzilla"-Freundin muss sechs Jahre ins Gefängnis

Eine Frau hat 2012 ihren Freund mit fünf Schüssen getötet. Nachdem sie freigesprochen wurde, landete der Fall vor dem Obergericht.

Heute Redaktion
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Bezirksgericht, Obergericht, Bundesgericht und wieder zurück ans Obergericht – sechs Jahre lang war die heute 37-jährige Frau im Ungewissen, ob sie für ihre Tat bestraft wird. Das ist länger als die in erster Instanz ausgesprochene Haftstrafe von fünf Jahren. "Es geht an die Nerven", sagt die Beschuldigte am Donnerstag vor dem Zürcher Obergericht. Sie wünsche sich, den Saal als freier Mensch verlassen zu können.

Die Beschuldigte hatte 2012 ihren Freund mit fünf Schüssen getötet – ein Fitnesstrainer, der als "Godzilla" in der Kampfsportszene bekannt war. Sie machte Notwehr geltend. Vorausgegangen war eine schwierige Beziehung mit ihrem Freund: Er beschuldigte sie, mit anderen Männern fremd zu gehen, und bedrohte sie unter anderem mit einer Pistole.

"Er war wie ein unberechenbares Pulverfass"

Auch am Tag der Tat war die Stimmung schlecht: "Er war wieder einmal wie ein unberechenbares Pulverfass", so die Beschuldigte. Sie sei trotzdem zu ihm gegangen, um ihn zu beruhigen. "Das funktionierte jeweils am besten." Sie hätte aber nicht gehen sollen. Heute mache sie sich Vorwürfe.

Die Beschuldigte hatte an diesem Tag zum ersten Mal eine Pistole dabei. "Damit hatte ich das Gefühl, auch etwas zu haben. Große Gedanken habe ich mir darüber nicht gemacht", so die Beschuldigte. Das wollte ihr die Staatsanwaltschaft nicht abkaufen: Sie habe sich sicher etwas überlegt, als sie zuhause das Magazin in die Waffe gesteckt habe.

Staatsanwaltschaft forderte 11 Jahre Haft

Auch die Einschätzung, dass eine Notwehrsituation vorlag, glaubt die Staatsanwaltschaft nicht. "Godzilla" sei bereits wehrlos auf dem Rücken gelegen und habe keine Gefahr mehr dargestellt, als die letzten beiden Schüsse fielen. Die Beschuldigte, die Schießkurse absolviert hatte, hätte besonnen handeln und das Feuer einstellen sollen. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Haftstrafe von 11 Jahren wegen vorsätzlicher Tötung.

Damit war die Verteidigerin überhaupt nicht einverstanden und hielt ein packendes Plädoyer. Außerhalb des Kurses, der schon zwei Jahre her war, habe ihre Mandantin keine Erfahrung mit Schießen gehabt. "Sie wusste nicht, wie es sich anfühlt – genauso wenig wie wir alle." Als der körperlich enorm überlegene "Godzilla" sie angegriffen habe, sei sie in Panik geraten und habe sich gewehrt, um ihr Leben zu schützen.

Obergericht ändert sein Urteil

Das Plädoyer nützte aber nichts: Nachdem das Obergericht die Frau im April 2016 bereits einmal freigesprochen hatte und wegen der unrechtmäßigen Untersuchungshaft gar noch eine Entschädigung von rund 30.000 Euro zu Gunsten der Beschuldigten sprach, kam das Gericht am Donnerstag zu einem anderen Urteil. Die heute 37-jährige Frau wurde zu sechs Jahren Haft und einer Geldstrafe von umgerechnet 2.100 Euro verurteilt.

Die Beschuldigte habe die Tötung zwar nicht geplant und gewollt, aber als Folge akzeptiert. Sie sei aus eigenem Antrieb in die Wohnung von "Godzilla" gegangen und der Einsatz der Waffe sei vorauszusehen gewesen – insbesondere für eine geübte Schützin. Ob die Verteidigung das Urteil akzeptiert, ist noch offen.

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