Politik

"Identitäre": 100.000 Euro an Abgaben hinterzogen

Die Staatsanwaltschaft Graz ermittelt derzeit gegen die rechtsextreme "Identitäre Bewegung" wegen Abgabenhinterziehung.

Heute Redaktion
Teilen
Picture

Vom Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung wurde die rechtsextreme "Identitäre Bewegung Österreich" (IBÖ) Anfang 2019 rechtskräftig freigesprochen. Doch nun ermittelt die Staatsanwaltschaft – auch in Zusammenhang mit der Spende des Christchurch-Attentäters – wegen Abgabenhinterziehung.

Ermittelt wird laut einem Bericht des "Standard" gegen 22 Personen und vier Verbände, darunter auch gegen die beiden Chefs Martin Sellner und Patrick Lenart. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Im Fokus der Ermittler stehen drei Vereine: Der "Verein für Völkerverständigung und Jugendarbeit" in Graz, der "Verein zur Erhalt und Förderung der kulturellen Identität" und der "Verein für lebendige Kultur und Brauchtumspflege" in Oberösterreich. Die Staatsanwaltschaft denkt, dass alle diese Vereine gemeinsam die "Identitäre Bewegung" ergeben, die selbst keine offizielle Organisationsform aufweist.

"Zahlungen mit Lohncharakter an führende Identitäre"

Der Verein in Oberösterreich wird von einer früheren Aktivistin der FPÖ geleitet, er soll aber laut Ermittlern ein "Scheinverein unter tatsächlicher Führung der IBÖ-Führungspersonen" sein. Allen drei genannten Vereinen käme eine "Gemeinnützigkeit nach den Ermittlungsergebnissen nicht zu", zitiert der "Standard".

Dadurch hätten sie steuerliche Privilegien zu Unrecht in Anspruch genommen. Die Vereine hätten "Zahlungen mit Lohncharakter" an mehrere führende "Identitäre" ausgeschüttet.

Identitäre Aktionen als Werbung für Spenden

Der Identitären-Leiter Martin Sellner und sein einstiger Co-Chef Patrick Lenart sollen zudem auch von der Firma Phalanx (PHXE Creatives OG) profitieren, bei der sie unbeschränkt haftende Gesellschafter sind.

Die Staatsanwaltschaft beschreibt präzise, wie über Propagandaaktionen der IBÖ Spenden für die Vereine gesammelt werden, die wiederum zu Zahlungen an die Führungsspitze führen. Gleichzeitig wird durch die Aktivitäten auch der Verkauf von Merchandising-Artikeln bei Phalanx angekurbelt.

Die bislang untersuchten Konten weisen laut internen Berichten, die dem "Standard" vorliegen, ein Umlaufvermögen von über 1,1 Million Euro aus. Dabei sollen weder Lohnsteuer noch Dienstgeberbeiträge abgeführt worden sein.

Mehr Spenden als bisher angenommen

Identitären-Chef Martin Sellner erhält darüber hinaus auch weit mehr Spenden als bisher bekannt. Laut Ermittlern soll er allein zwischen Oktober und Jänner 2018 über 12.000 Euro an Spenden auf seinem privaten Konto erhalten haben. Wegen einer Spende des mutmaßlichen Terroristen, der in Neuseeland fünfzig betende Muslime ermordet hat, laufen nun Ermittlungen gegen Sellner.

Derzeit versuchen die Ermittler, einen Überblick über die weitverzweigte Finanzstruktur der "Identitären Bewegung" zu erlangen. Derzeit werten die Finanzämter in Linz und Graz Erkenntnisse zu Konten aus Ungarn, Deutschland, der Slowakei und Großbritannien aus. Deshalb ist ein Ende der Ermittlungen noch nicht abzusehen. (hos)