Politik

"Klimasünder, das sind die reichen Menschen"

Heute Redaktion
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Öko-Influencerin DariaDaria kandidiert für die Grünen. Im Interview mit "Heute.at" verrät sie, was sie von Fleisch- und CO2-Steuer hält, wie sie zur Wasserstoff-Idee der ÖVP steht und wer die wahren Klimasünder auf der Welt sind.

Warum kandidierst du für die Grünen?

Madeleine Alizadeh alias "DariaDaria": "Ich hatte schon immer den Gedanken, mich früher oder später parteipolitisch zu positionieren. Aber man hat natürlich Respekt davor, weil das sehr viel verändert und man fragt sich auch: "Ist das denn überhaupt notwendig?" Die meisten wissen ja wahrscheinlich aufgrund meiner Inhalte und meiner Themen eh, wie ich wähle. Ausschlaggebend war für mich die Tatsache, dass es extrem wichtig ist, dass die Grünen jetzt wieder in den Nationalrat kommen. Man sagt ja auch, das ist jetzt eine Klimawahl – es ist wirklich Zeit, sich noch stärker zu positionieren und das hab' ich damit getan."

Was es den Grünen bringt, ist klar. Du mit deinen Tausenden Followern machst Werbung für die Partei. Was hast du von der Kandidatur?

"Ich glaube, für die Grünen ist das sowohl ein Benefit als auch ein Risiko. Manche Menschen wollen keine Influencerinnen in der Politik. Viele denken, ich bin nur ein Modepüppchen, das sich den ganzen Tag schminkt. Für mich ist kein Benefit dabei, aber auf der anderen Seite habe ich auch kein Soll von der Partei, es ist ganz frei und ich zeige einfach nur Solidarität. Und Solidarität muss nicht immer mit einem Benefit einhergehen."

"Viele denken, ich bin nur ein Modepüppchen, das sich den ganzen Tag schminkt."

Man sagt ja oft, dass die moralische Latte bei den Grünen und auch bei dir oft höher gelegt wird als beim "Durchschnittsbürger". Wie gehst du damit um?

"Ich versuche immer wieder zu erklären, dass man mit gleichem Maß messen muss. Es ist moralisch fragwürdig, Menschen, die sich eh schon engagieren, strenger in die Verantwortung zu nehmen als jene, die es nicht tun. Das sieht man auch bei den Themen Parteispenden und Transparenz. Da muss man sehen, wie selbstverständlich das für die Grünen ist, Sie waren immer schon extrem transparent."

Zur Person
Madeleine Alizadeh (30) sagt seit 2010 im Internet als "DariaDaria" ihre Meinung. Zunächst wurde sie zu einer der erfolgreichsten Lifestyle-Bloggerinnen des Landes, dann änderte sie ihren Fokus und macht nun schon seit mehreren Jahren auf die Themen Nachhaltigkeit, Umweltschutz und faire Mode aufmerksam. Über 240.000 Follower sehen ihre Posts auf Instagram.
Zusätzlich betreibt sie ein eigenes faires Mode-Label (dariadéh), spricht Podcasts und betätigt sich als Autorin. Ihr erstes Buch "Starkes, weiches Herz" erscheint am 30. August 2019.
Bei der Nationalratswahl 2019 kandidiert sie für die Grünen auf dem allerletzten Listenplatz. Ein Solidaritätsakt, Abgeordnete will sie vorerst nicht werden.

Wie würdest du jemanden begegnen, der nicht deine politische Meinung teilt? Wie würdest du einen FPÖ-Wähler begegnen/überzeugen wollen?

"Ich begegne einem FPÖ-Wähler und einer FPÖ-Wählerin genauso wie einer Grün-Wählerin. Da fängt Toleranz an, indem man jedem Menschen gleich begegnet, die gleiche Chance gibt und dieselbe Bereitschaft für Dialog entgegenbringt."

Jede Partei hat gerade eine Strategie zum Klimaschutz. Jeder hat sein eigenes Rezept. Warum soll ich dann die Grünen wählen?

"Es ist ein Trugschluss, dass die Grünen nur Umweltschutz im Programm haben. Bei der grünen Partei geht es nicht nur um Umweltschutz, sondern vor allem auch um soziale Gerechtigkeit und Fairness. Zu jedem Thema, das die Gesellschaft beschäftigt und das wirklich gerade brennt, gibt es eine Person auf der grünen Liste."

Und jemand, der die Partei mit den besten Ideen zum Klimaschutz wählen möchte, wählt welche? Kann das die ÖVP sein, mit ihrem Ziel Österreich zur Wasserstoff-Nation Nummer eins zu machen?

"Meiner Meinung nach können das nur die Grünen sein. Wenn man sich anschaut, über wie viele Jahrzehnte sich diese Partei schon mit Umweltschutz auseinandersetzt. Es gab schon in den 70er-Jahren eine internationale Klimakonferenz, auf der fast schon verbindliche Ziele durchgesetzt wurden. Und es ist bis heute nix passiert. Wenn man wirklich sichergehen möchte, dass nicht nur wirtschaftliche, privatwirtschaftliche und Interessen von Lobbys durchgesetzt werden, dann ist die grüne Partei die richtige Wahl, nicht die ÖVP."

Und grundsätzlich zu dieser Idee, Wasserstoffnation? Hast du dir dazu schon Gedanken gemacht?

"Ich halt generell nichts von Ideen, die propagieren, dass es eine einzige Lösung für komplexe Probleme gibt. Die gibt es nicht. Wasserstoff ist eine Lösung von vielen. Genauso wenig wie es okay ist zu sagen, Elektroautos sind die Lösung unserer Probleme. Das sind zwei Technologien von vielen, es werden noch viel mehr Technologien kommen."

Komplexe Themen, komplexe Antworten. Nichts ist schwarz-weiß. Jemand, der das liest, kann sagen, da steig ich nicht mehr durch, das ist zu kompliziert. Welche Tipps hast du da?

"Das Wichtigste ist, seriöse Quellen zu haben. Es geistern gerade so viele Webseiten herum, die sich als Klimainstitutionen ausgeben, aber eigentlich von Klima-Leugnern und Leugnerinnen betrieben werden. Eine seriöse Quelle ist eine gute, seriöse Tageszeitung, aber auch eine wissenschaftliche Institution wie die IPCC (der Weltklimarat Anm.) der UN. Es ist sehr wichtig, verschiedene Meinungen einzuholen.

"Das Wichtigste ist, seriöse Quellen zu haben."

Es gibt auch ganz viele Studien, die missbräuchlich zitiert werden. Zum Beispiel im EU-Wahlkampf hat Harald Vilimsky (FPÖ) eine Studie zitiert, laut der Elektroautos schlechter als Brennstoffmotoren seien. Wenn man aber weiterrecherchiert, findet man heraus, dass sie nur schlechter sind, wenn ein großes Modell mit großer Batterie mit fossilem Strom betankt wird. Aber das ist nur in den seltensten Fällen so. Im Schnitt schneidet das E-Auto besser ab. Es ist wichtig, Studien nicht blind zu vertrauen, sondern sie in Zusammenhang zu setzen."

Thema Fleisch-Steuer. In Deutschland wird darüber diskutiert, in Österreich wollen das nicht einmal die Grünen, nur die Liste Jetzt. Würdest du Fleisch teurer machen?

"Wenn wir Fleisch teurer machen würden, hätten wir sowas wie Gelbwesten-Demonstrationen in Österreich. Das würde großteils die Einkommensschwachen treffen, dafür bin ich nicht.

Ich bin nicht dafür, dass einkommensschwache Familien sich kein Fleisch mehr leisten können, natürlich nicht. Stattdessen müssen wir Landwirtschaft nicht mehr industriell gestalten sondern so, dass Fleisch wieder den Wert hat, der ihm gebührt. Dass sich alle Menschen dennoch Fleisch leisten können, wenn sie es wollen - aber der Fleischkonsum so geregelt wird, dass wir nicht 56 Milliarden Tiere pro Jahr weltweit schlachten müssen. Und irrsinnig große Mengen an Amazonaswald fällen müssen, und in Afrika Futtermaisfelder anbauen, neben denen Kinder verhungern."

"Wenn wir Fleisch teurer machen würden, hätten wir Gelbwesten-Demonstrationen in Österreich."

Was sagst du zu Vorschlägen wie einer CO2- oder Kerosin-Steuer?

"Halte ich auf jeden Fall für sinnvoller als eine Fleisch-Steuer. Denn derzeit profitieren die Billig-Airlines, die auf der anderen Seite ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbeuten. Die Subventionen müssen so verteilt sein, dass sie klimaschonenden Industrien zugutekommen. Wenn Fliegen teurer wird, muss es aber auch eine Alternative geben, das muss das Zugfahren sein. Es braucht ein gut ausgebautes Nachtzugnetzwerk in Europa und verlässlichen, pünktlichen, gut ausgebauten Nah- und Fernverkehr.

Die Familie, die einmal im Jahr in den Urlaub fliegt, das sind nicht die Klimasünder und Klimasünderinnen. Die Klimasünder sind die zig Managerinnen und Manager, die am Montag wohin fliegen und am Donnerstag zurück. Die, die von Wien nach München fliegen, die Menschen die sich im Jahr zig Fernreisen leisten können. Es dürfen nicht jene belastet werden, die es sich eh nur knapp leisten können, in den Urlaub zu fahren. Das muss auf jeden Fall klar sein bei der Debatte. Und es kann nicht sein, dass der Nachtzug nach Berlin 200 Euro kostet und das Flugticket nur 50 Euro."

"Klimasünder sind die reichen Menschen."

Was würdest du jemandem sagen, der meint, er könne als Einzelperson sowieso nichts ausrichten. Wir als kleines Land können eh nix ausrichten.

"Klimasünder und Sünderinnen sind die reichen Menschen. Je höher das BIP pro Kopf eines Landes, desto höher der ökologische Fußabdruck. Es müssen wirklich die Menschen in die Verantwortung genommen werden, die mehrere Autos haben, die auf sehr großem Platz leben, die sehr viele Ressourcen verbrauchen, die auch sehr viel Geld haben. Es müssen vor allem die Lobbys in die Verantwortung genommen werden und die Erdölindustrie. Auch im Bausektor werden unfassbar große Emissionen verursacht, darüber redet niemand. Das darf nicht nur an dem Konsumenten und der Konsumentin abgeputzt werden.

Aber es geht in beiden Richtungen: Es reicht auch nicht, wenn wir einfach keine Plastikstrohhalme mehr verwenden und eine Mehrwegflasche.

Ich würde jeder Person raten, den eigenen CO2-Fußabdruck auszurechnen. Das geht online mit diversen Tools. Es gibt ein klimaverträgliches Budget. Sobald man einmal zwei Fernflüge pro Jahr gemacht hat, ist das aufgebraucht. Und wenn man merkt, okay, mein klimaverträgliches Budget ist schon ziemlich am Limit, dann wär's angedacht kein Fleisch mehr zu essen. "

Thema Auf Kinder verzichten für das Klima. Wie stehst du dazu?

"Es ist jedem Menschen überlassen, ob er Kinder bekommen möchte oder nicht. Insofern würde ich mir nie anmaßen, das zu kritisieren. Ich glaube, es ist ein sehr löblicher Ansatz. Ob es der Richtige ist, weiß ich nicht. Wenn man über Kinder spricht: Ohne junge Menschen gäbe es die Klimabewegung nicht. Und Fridays for Future. Man sollte Kinder so erziehen, dass sie zu Menschen werden, die sich engagieren und was tun. Das ist glaub ich ganz, ganz wichtig."

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