"Die Nazis brachten meine Mutter ins KZ"

Heute Redaktion
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Margarethe Baranyai (71) erzählt über ihre Mutter Rosa, die 1939 im Burgenland von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager verschleppt und misshandelt wurde. Ein Gespräch mit Isabella Martens.

Deutsch Kaltenbrunn (Burgenland), 1939: Nationalsozialisten verschleppen 300 Roma, darunter auch die Mutter von Margarethe, Rosa Baranyai. "Sie sind im Schlaf überrascht worden. Die Häuser wurden aufgebrochen und die Menschen herausgeschleift. Nicht wie Menschen, sondern wie Vieh. Man hat sie in Transporter verladen und weggebracht", schildert Magarethe.

"Meine Mutter ernährte sich von einem Misthaufen"

Sechs Jahre wird Baranyai im Konzentrationslagern Ravensbrück, Schönefeld und Buchenwald (Anm. Leipzig-Schönefeld

war ein Außenlager des KZs Buchenwald) misshandelt. „Die Menschen sind dort sekiert und wie die Hunde geschlagen worden. Die Kranken haben sie gleich umgebracht". Im Lager gab es kaum zu essen: "Meine Mutter überlebte, weil es einen Misthaufen gegeben hat. Da lagen Kraut, Erdäpfelschalen, alles was weggeworfen wurde. Sie ist auf den Misthaufen essen gegangen."

Die Qualen für Baranyai waren unerträglich. Das junge Mädchen musste fast täglich mitansehen, wie die Menschen in den Tod geschickt wurden. "Sie haben gesagt, sie müssen jetzt duschen gehen. Dabei waren die Duschen das Gas", so Magarethe.

Nach sechs Jahren wird die Mutter aus dem KZ befreit, von 300 verschleppten Roma überlebten nur 15, sie kehrten nach Deutsch Kaltenbrunn zurück. Baranyai lebte fortan vom Betteln, zieht ihre Kinder alleine in einer alten Lehmhütte groß: "Meine Mutter musste um Essen betteln, um uns durchzubringen. Wasser bekamen wir von den Nachbarn. Manchmal konnten sie uns kein Wasser geben, da sie nicht durften. Es war grauenhaft. Im Winter haben wir mit Schneewasser gekocht".

Baranyai sprach bis zu ihrem Tod täglich vom KZ

Rosa Baranyai starb 1976: "Sie ist seelisch an dem, was sie erlebt hat und mitansehen musste, zugrunde gegangen. Sie hat das alles nicht verkraften, nicht vergessen können. Zuletzt wog sie nur noch 42 Kilogramm. Es ist nicht ein einziger Tag vergangen, an dem sie nicht vom KZ gesprochen hatte – bis zu ihrem Tod."

Das Interview ist Teil einer Zeitzeugen-Serie.

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