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"Nur eine Diät, die zum Charakter passt, gelingt"

Beim Abnehmen stehen wir uns meist selbst im Weg. Wie der eigene Charakter das Ess- und Diätverhalten beeinflusst, verrät Claudia Hochbrunn.

Heute Redaktion
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Bild: iStock

Claudia Hochbrunn ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Sie arbeitete viele Jahre lang in verschiedenen psychiatrischen Kliniken, beim Sozialpsychiatrischen Dienst sowie im forensischen Massregelvollzug mit Schwerverbrechern. Zum Schutz ihrer Patienten verfasst sie ihre Bücher unter einem Pseudonym. Ein Interview zum Thema Ess- und Diätverhalten:

Sie selbst haben in einem Jahr über 20 Kilo abgenommen. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsrezept?

Über die Jahre nahm ich schleichend zu. Erst als mir kleinere körperliche Beschwerden zu schaffen machten, war ich bereit, abzunehmen. Ich sah mich im Diät-Dschungel nach einer für mich geeigneten Methode um, bis ich die für mich richtige fand. Ich kann mich gut an Regeln halten und bin mit Kalorienzählen zum Ziel gekommen. Ich frühstücke nicht gern, zum Mittagessen habe ich einen Salat und ein Brötchen gegessen. So hatte ich abends immer noch 1000 Kalorien zu verbraten – und davon blieben mir 500 zum Sündigen.

Sie skizzieren in Ihrem Buch Persönlichkeitstypen, die auch ein unterschiedliches Abnehmverhalten an den Tag legen.

Der selbstdisziplinierte Abnehmtyp beispielsweise, der sich gut an Regeln und damit ans Kalorienzählen halten kann. Zählt er fleissig und isst er weniger als er verbraucht, klappt es mit dem Abnehmen. Die Frage ist nur, wie lange er durchhält. Der lebensfreudige Typ hingegen nimmt es nicht so genau. Das Stück Geburtstagskuchen in der Kaffeepause schummelt er schon mal an seiner kalorischen Tagesbilanz vorbei. Leichter fällt es ihm mit genauer Mahlzeitenplanung und einer konsequenten Ernährungsumstellung. Für den eigenbrötlerischen Persönlichkeitstyp ist Übergewicht erst ein Problem, wenn es ihn sehr einschränkt. Beim Essen geht es ihm ums Mundgefühl. Dieser Typ kommt mit einer Diät klar, die ihm nicht das Gefühl gibt, sich einschränken zu müssen. Beispielsweise eine Low-Carb-Diät, sofern er die Lebensmittel mag, die er essen darf, sprich Paprika-Sticks statt Kartoffelchips.

Wie finde ich ein Ernährungskonzept, das zu meinem Charakter passt?

Die Diät soll zu Ihrem Lebensgefühl und Ihrem Charakter passen. Je wesensfremder das Konzept, desto wahrscheinlicher der Jo-Jo-Effekt. Sie müssen wissen, worauf Sie verzichten können, ohne dass Sie unglücklich werden. Trotz Diät will ich selbst nicht auf Schokolade verzichten, also esse ich zartbitter statt Milchschokolade. Weil ich bitter nicht so mag, widerstehe ich der Versuchung, zu viel zu naschen.

Warum fällt uns das Abnehmen so schwer?

Essen ist viel mehr als Nahrungsaufnahme. Essen ist Genuss und ein starker Reiz der Befriedigung. Das kennen viele gestresste Menschen, die tagsüber nichts essen. Wenn sie abends loslassen, ist Essen mit seinen unterschiedlichen Geschmäckern ihre Belohnung. Abnehmen bedeutet nun mal Verzicht und Veränderung des Lebensstils. Eine Anstrengung, die uns schwerfällt – insbesondere, wenn das Leben schon kompliziert ist.

Abnehmen beginnt im Kopf: Damit die Kilos purzeln, brauche ich also erst mein ganz persönliches Rezept?

Jeder muss seinen Weg finden. Zuerst brauchen Sie die richtige Motivation. Nur eine Kleidergröße kleiner reicht meist nicht, um erfolgreich zu sein. Fragen Sie sich, weshalb Sie wirklich abnehmen wollen. Sie müssen bereit sein, zu verzichten und trotzdem gut leben können. Wer eine Familie oder viele Geschäftsessen hat, soll in Gesellschaft essen können und nicht einsam an einem Salatblatt knabbern. Denn Abnehmen fällt leichter, wenn Sie Essen und Leben genießen.

(Red)