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130.000 Schafe warten noch Tage in Schiffs-Schlange

Rund 370 Frachter reihen sich nach der Panne der "Ever Given" an den Enden des Suezkanals auf. Es wird dauern, bis sich die Verkehrslage normalisiert. 

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Befürchtet wird jetzt ein "Ketchup-Flaschen-Effekt" in den Häfen.
Befürchtet wird jetzt ein "Ketchup-Flaschen-Effekt" in den Häfen.
Sayed Hassan / dpa / picturedesk.com

Dank niederländischer Spezialisten und des Vollmonds, der am Wochenende die Gezeiten im Suezkanal stärker beeinflusste, konnte der festgefahrene Mega-Frachter "Ever Given" befreit werden. Jetzt ist eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt wieder befahrbar: Als Erste passierte am Montagabend die unter Hongkonger Fahne fahrende YM Wish den Kanal wieder – der 368-Meter-Koloss war vor sechs Jahren in der deutschen Elbe auf Grund gelaufen. Damals konnte die Havarie aber nach einem Tag behoben werden, der Schaden blieb überschaubar.

Jetzt aber dürfte es Tage dauern, bis die Schlangen der Megafrachter sich an der nördlichen und südlichen Zufahrt des Kanals auflösen. Rund 370 Schiffe warten laut Kanalbehörde auf die Weiterfahrt durch das Nadelöhr. Der Chef der ägyptischen Kanalbehörde, Osama Rabie, schätzt, dass es "rund dreieinhalb Tage" dauern werde, bis sich der Schiffs-Stau auflöst. Eine wohl zu optimistische Annahme. Normalerweise passieren pro Tag 50 Schiffe den Suezkanal. Entsprechend wird damit gerechnet, dass es sicher eine Woche dauern wird, bis alle wartenden Frachter passieren und ihre Fahrt fortsetzen können.

130’000 Schafe in Schiffs-Schlange

Besonders dramatisch ist das Warten für die Lebendfracht auf mindestens 20 Schiffen. So sollen neben spanischen auch elf rumänische Frachter mit 130.000 Schafen an Bord feststecken. Den rumänischen Veterinärbehörden zufolge gibt es an Bord ausreichend Nahrung und Wasser für die kommenden Tage, doch Tierschützer fürchten, dass die Schafe verenden könnten. "Man sollte nun Schiffe mit lebender Fracht priorisieren", fordert Christian Denso vom Verband Deutscher Reeder (VDR) auf Spiegel.de. Einige Schiffe hätten verderbliche Ware geladen, die aber gekühlt werden könnten. Die meisten Schiffe führten unkritische Fracht mit sich.

Selbst wenn die Durchfahrt wieder reibungslos möglich ist – ein Ende des Chaos ist auch dann nicht absehbar. So wird damit gerechnet, dass es nun in den Häfen zu einem "Ketchup-Flaschen-Effekt" kommen wird: Zuerst kommt gar nichts, dann viel zu viel auf ein Mal. Staus in den, wegen der Pandemie ohnehin schon stark ausgelasteten, Häfen sind vorprogrammiert.

Syrien muss schon rationieren

So ist noch nicht abschätzbar, was für einen volkswirtschaftlichen Schaden die Blockade im Suezkanal und die Folgeverzögerungen anrichten werden. Die Dimensionen sind enorm: BBC zufolge hält der verstopfte Kanal Waren im Wert von fast zehn Milliarden US-Dollar auf – pro Tag. Oder anders: Die Panne hat 15 Prozent der Kapazität des weltweiten Containerhandels an sich gebunden. "90 Prozent des globalen Detailhandels wird in Containern transportiert", zitiert die "New York Times" einen Seehandelsexperten. 

 "Nennen Sie irgendeine Marke – sie wird auf einem der wartenden Frachter geladen sein."

Der Suezkanal ist unter anderem für die Chemie- und Autoindustrie eine wichtige Handelsroute. Aber nicht nur: Derzeit reihen sich vor dem Suezkanal Frachter mit insgesamt 9,8 Millionen Barrel Rohöl, etwa ein Zehntel des täglichen weltweiten Verbrauchs. Schon klagt die syrische Energiebehörde, dass die Öllieferungen ins Land unterbrochen seien und man rationieren müsse, um die Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bevölkerung zu garantieren.

Havarie verschärft Folgen der Corona-Krise

Zudem verschärft nach Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) die Folgen der Corona-Krise die Situation erheblich. Zur Pandemie komme nun die Havarie als "zusätzliche Belastung" für den maritimen Handel hinzu, erklärte das Institut. Das treibe tendenziell die Preise für den Seehandel nach oben, "was sich früher oder später auch in den Produktpreisen niederschlagen dürfte".

Den Angaben des Instituts zufolge explodierten zum Jahreswechsel 2020/21 die Transportkosten für einen Container von Asien nach Europa. Die vorübergehende Blockade im Suez-Kanal und der ausgelöste Stau könnten diese Situation nur verschlechtern und auch höhere Transportkosten von Europa nach Asien auslösen. So könnten Preise von Endprodukten und Zwischengütern steigen.

Montag freigelegt 

Der Mega-Frachter "Ever Given" war vergangene Woche in einen Sandsturm geraten und auf Grund gelaufen. Das 400 Meter lange Schiff steckte danach quer in dem engen Kanal fest, davor und dahinter stauten sich mehr als 400 Schiffe. Am Montagmorgen war es schließlich gelungen, das Containerschiff freizubekommen und fast vollständig wieder in die richtige Richtung zu wenden. Der Frachter soll am Großen Bittersee am nördlichen Ende des Suezkanals untersucht werden. Wann er seine Fahrt nach Rotterdam fortsetzen kann, ist unklar.

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