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Letztes SMS aus Lkw: "Es tut mir leid, Mama. Ich ste...

Heute Redaktion
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Die Familie einer 26-jährigen Vietnamesin befürchtet, dass ihre Tochter mit im Lkw war. Die Schlepper hatten für die Frau einen gefälschten chinesischen Pass erstellt.

Die 39 Menschen, welche in der Nacht zum Mittwoch in einem Lkw im britischen Essex entdeckt wurden, durchlebten wohl sehr verzweifelte letzte Minuten. An der Innenseite der Türen des eiskalten Containers wurden der "DailyMail" zufolge blutige Handabdrücke entdeckt. Außerdem seien sechs der Migranten, von denen man annimmt, dass sie aus Vietnam kommen, nackt oder sehr marginal bekleidet gewesen. Vermutlich hatten sie ihre Fäuste gegen die Türen gehämmert und auf Hilfe gehofft. Als die Leichen der 31 Männer und acht Frauen entdeckt wurden, hatten einige von ihnen dem Bericht zufolge Schaum vor dem Mund gehabt.

Eine Familie in Vietnam befürchtet, dass ihre Tochter im Lkw reiste. Grund für den Verdacht ist eine Reihe von düsteren Nachrichten, die die Eltern der 26-jährigen Pham Thi Tra My zur selben Zeit erhielt, in der sich der Container in Essex befand.

Die Eltern und die Organisation Human Rights Space veröffentlichten nun die Textnachrichten, in der Hoffnung, Hinweise auf den Verbleib der jungen Frau zu bekommen. Die 26-Jährige schrieb an ihre Mutter, dass sie Schwierigkeiten zum Atmen habe. Die Nachricht las die Mutter am Mittwochmorgen um 4.28 Uhr in Vietnam, das heißt um 22.28 Uhr nach britischer Zeit – vier Stunden bevor die Behörden den Rettungsdienst alarmierten.

Familie verschuldete sich, um Schlepper zu bezahlen

In der Nachricht schreibt Pham Thi: "Es tut mir leid, Mama. Meine Reise ins Ausland ist missglückt. Mama, ich liebe dich so sehr! Ich sterbe, weil ich nicht atmen kann ... Ich komme aus Nghen, Can Loc, Ha Tinh, Vietnam. Es tut mir leid, Mama."

Die Familie gibt an, für die Überseefahrt der 26-Jährigen umgerechnet fast 35.000 Euro an Schlepper bezahlt zu haben. Um den hohen Betrag aufbringen zu können, sollen die Eltern eine zweite Hypothek auf ihr Haus aufgenommen haben, wie "The Guardian" berichtet.

"Und jetzt ist sie tot"

Der Bruder der jungen Frau meldete das Verschwinden seiner Schwester in einem Forum. Darin schrieb er, dass Pham Thi die ländliche Provinz Ha Tinh im Norden Vietnams am 3. Oktober verlassen habe. Sie sei zunächst nach Hanoi geflogen, dort habe sie einen gefälschten chinesischen Pass erhalten. Von dort sollte die Reise weiter über Frankreich und Großbritannien führen.

Tage später habe er von seiner Schwester erfahren, dass sie angeblich bei der Ankunft in Großbritannien festgenommen und zurück nach Frankreich gebracht wurde. "Und jetzt heißt es, sie ist tot", schrieb der Bruder.

Sechs weitere Familien in Sorge

Mimi Vu, Expertin im Thema Menschenhandel mit jungen Vietnamesen, glaubt, dass die Textnachrichten authentisch sind. "Sie gibt ihren Namen an und woher sie kommt. Das ist für Vietnamesen sehr wichtig, weil sie damit mitteilen, wo sie begraben werden sollen." Dass die Menschen im Lkw chinesische Pässe besitzen, erstaunt Vu nicht. "Die Schlepper erstellen für Vietnamesen gefälschte chinesische Pässe." Das führe nun zur Verwirrung bei der Identifikation der Opfer in Essex.

Hoa Nghiem, Koordinatorin bei Human Rights Space, weiß von anderen sechs vietnamesischen Familien, die derzeit nach ihren vermissten Angehörigen suchen. Einige dieser Familien verloren den Kontakt zu ihren Verwandten bei ihrer Reise durch China.

Drei Familien wurden vor einigen Tagen von den Schleppern kontaktiert. Sie sagten, ihre Angehörigen – alles junge Männer – würden am 23. Oktober in Großbritannien ankommen, sie sollten das Geld bereit stellen. Seither haben sie von den Kriminellen nichts mehr gehört.

Eine weitere Familie aus Vietnam erzählte der "BBC", dass ihre Tochter sich in einem Container auf dem Weg über Belgien nach Großbritannien befand. Die Schlepper hätten der 26-Jährigen befohlen, das Handy auszuschalten, um zu verhindern, dass sie aufgrund der Signale gefasst werden. Seither hat die Familie kein Lebenszeichen der Frau erhalten.

Vierte Festnahme

Wie "The Sun" berichtet, hat die Polizei am Freitag eine vierte Person im Zusammenhang mit dem Tod der 39 Menschen verhaftet. Ein 48-jähriger Mann aus Nordirland wurde am Flughafen Stansted wegen Mordverdachts festgenommen.

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