Wien

26 Jahre dauernder Streit um 42A findet kein Ende

Obwohl eine, aus Sicht der Grünen, machbare Lösung auf dem Tisch liegt, fährt der 42A-Bus vorerst nicht zum Gersthofer Platz in Wien-Währing. 

Louis Kraft
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Bus 42A wird vorerst nicht verlängert, die Währinger Bezirkschefin Silvia Nossek (G) erklärt warum.
Bus 42A wird vorerst nicht verlängert, die Währinger Bezirkschefin Silvia Nossek (G) erklärt warum.
Louis Kraft

Der Schafberg in Währing ist nicht nur ein beliebtes Wohngebiet und mit, mit dem Schafbergbad, ein gefragtes Freizeitziel, er weist neben dem Kreuzgassenviertel auch die höchste Bautätigkeit im Bezirk auf. Die Bevölkerungszahl steigt stetig, dennoch hängt die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmittel weit hinter dem Bedarf her. Seit zwei Wochen steht auch fest, dass die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) das Areal des Orthopädischen Krankenhaus Gersthof übernimmt. Das Spital ist ja in die Klinik Floridsdorf (früher Krankenhaus Nord) gewandert. Ab dem Schuljahr 2022/23 werden hier die Schüler des Gymnasium Klostergasse unterrichtet, die während der Sanierung ihrer Schule ausweichen müssen. Das bedeutet für den 42A eine zusätzliche Belastung.  

Pläne die Buslinie zu verlängern, gibt es seit 2014. Doch bereits 1994 gab es erste Forderungen, die Route weiter zu führen. Dass diese künftig an den Gersthofer Platz angeschlossen sein soll – mit den Bimlinien 9, 40 und 41 sowie dem 10A und der S-Bahn ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt – darüber herrscht bei allen Einigkeit. Nicht nur die Währinger Bevölkerung wünscht sich das seit Jahren, auch die Bezirksparteien wollen eine Anbindung. Doch wo die Buslinie künftig fahren soll, darüber wird weiter heftig gestritten.

Bewohnerinnen beklagen Zeitverlust durch alte Route

Am Mittwoch lud Bezirkschefin Silvia Nossek (Grüne) ausgewählte Medien ein, um den Stand der Dinge zu erklären und die Frage zu beantworten, warum der 42A trotz vorliegendem Konzept auch weiterhin nicht zum Gersthofer Platzl führen wird. Als Schützenhilfe lud Nossek mit Frau Wolf und Frau Prindl zwei Bewohnerinnen des Schafberg ein, die ihr Leid mit der Öffi-Lücke klagten. Neben den lange Wartezeiten auf den Bus führt vor allem das derzeit nötige Umsteigen zu einem erheblichen Zeitverlust. "Von meinem Wohnort am Schafberg brauche ich in die City mit den Öffis zumindest eine Stunde. Am Abend, wenn sich die Takte ändern, sind es bis zu 90 MInuten", erzählt Frau Wolf. Dazu komme, dass der 42A gerade im Sommer voll mit Badegästen sei, die ins Schafbergbad wollen, für die Bewohner bleibe da kaum Platz. "Die Folge: Mehr Autos, Lärm und Abgase und das in Zeiten des Klimawandels", so die Anrainerinnen. 

Wiener Linien sehen Vorschlag als machbar an, realisiert wird sie dennoch nicht

"Seit meiner Angelobung als Bezirksvorsteherin 2016 ist es mein Anliegen, die Randgebiete Währings besser mit Öffentlichen Verkehrsmitteln zu versorgen. Und seit dem selben Jahr sind die Wiener Linien aufgefordert, zu prüfen, wie eine Verlängerung des 42A zum Gersthofer Platzls aussehen könnte", so Nossek. Mit der baldigen Neuausschreibung des Betriebs (der 42A wird im Auftrag der Wiener Linien vom Busunternehmen Dr. Richard betrieben. Am 30. Juni 2021 läuft dieser Vertrag aus. Um dem Nachfolger zu finden, führen die Wiener Linien eine europaweite Ausschreibung durch, Anm.) machte die Bezirkschefin auch stärker Druck eine Lösung zu finden. Nach vielen Gesprächen mit der Bezirkschefin des Nachbarbezirks Hernals Ilse Pfeffer (SPÖ), den Wiener Linien und Öffi-Stadträtin Ulli SIma (SPÖ) lag im Oktober 2019 schließlich eine Einschätzung vor, welche Routen aus Sicht der Wiener Linien machbar und betriebswirtschaftlich sinnvoll seien.

Diese Strecke führt den 42A in Einbahnregelung durch die Schöffelgasse zum Gersthofer Platz und weiter in die Gersthofer Straße auch auf dem Rückweg durch die Salierigasse, statt wie bisher von der Czartoryskigasse direkt in Richtung Hernals in die Gersthofer Straße einzubiegen (siehe Grafik).  

Diese Lösung wurde von Seiten der Stadt und der Wiener Linien als prinzipiell machbar angesehen. Realisiert wird die Route nach Gegenwehr dennoch nicht.
Diese Lösung wurde von Seiten der Stadt und der Wiener Linien als prinzipiell machbar angesehen. Realisiert wird die Route nach Gegenwehr dennoch nicht.
Grafik: www.krohnsteiner-lohmer.at

Online-Petition gegen Vorschlag, Wiener Linien stoppen Verfahren

Doch der Lösungsvorschlag sorgte auch für Aufregung. Rund 1.000 Bewohner der Schöffelgasse und Salierigasse protestierten mit ihrer Unterschrift bei einer Online-Petition gegen die Route. Die Bezirksparteien mit Ausnahme der Grünen folgten, legten sich bei der Lösung quer. Die SPÖ kritisierte Einschnitt in der Lebensqualität der Bewohner der Schöffelgasse und Salierigasse und legte mit der Simonygasse (eine Parallele zur Gersthofer Straße) eine Alternative vor. Diese Route sei allerdings laut Nossek von den Wiener Linien als zu teuer (die Kosten für den Umbau und die Errichtung der geplanten vier neuen Stationen werden auf über 500.000 Euro geschätzt) und als zu aufwendig abgelehnt. Denn um den 42A hier durchzuleiten, müssten die Gleise der 9er Bim umgebaut werden und rund 20 Parkplätze würden wegfallen, bei der Schöffelgasse und Salierigasse wären es insgesamt nur vier Abstellplätze. "Direkt vor einem Gemeindebau, für den es sonst keine Parkplätze gibt", so Nossek. 

Dennoch stoppten die Wiener Linien das bereits begonnene Konzessionsverfahren für die Schöffelgassen-Lösung und schrieb stattdessen die alte, bestehende Route über Czartoryskigasse und Gersthofer Straße aus. Bezirkschefin Nossek hat hier die SPÖ Währing im Verdacht, die bei Stadträtin Sima interveniert haben soll, einen Sinnwandel bei der Wiener Linien herbei zu führen. Bei einer Sondersitzung am 4. Juni stimmten schließlich alle Parteien außer die Grünen gegen die Route Schöffelgasse - Salierigasse. Fix ist damit: Der 42A wird auch in absehbarer Zeit nicht zum Gersthofer Platzl fahren, Schuld daran will aber keiner sein. Die Parteien sind fleißig dabei, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben. 

Neuausschreibung mit Hintertür, Nossek sieht "Wahlkampfgetöse"

"Die Buslinie 42 A wird zumindest weitere zwei Jahre auf der bisherigen Strecke fahren. Die Anbindung des Schafbergs an den Bahnhof Gersthof verzögert sich leider. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass der Bus auf der neuen Strecke nicht durch enge Gersthofer Gassen fährt, weil es dort großen Widerstand der Bevölkerung und der Fraktionen der Bezirksvertretung gibt. Die Wiener Linien wären nun bereit zu einer geänderten Streckenführung über die Gersthofer Straße und die Simonygasse. Leider stimmen die Grünen in Währing dem vorerst nicht zu. Für die Bewohner des Schafbergs tut mir das sehr leid", erklärte der Vorsitzende der SPÖ Währing Andreas Höferl einen Tag nach der Sondersitzung per Aussendung, wir haben berichtet

"Das ist reines Wahlkampfgetöse. Ich bin die letzte, die sich einer guten Lösung in den Weg stellt, aber statt ein klares Konzept mit Antworten zur Finanzierung, dem Standort der Haltestellen und zur Frage der Parkplätze vorzulegen, schlägt die SPÖ mit der Simonygasse ein Phantomprojekt vor, bei dem alle wichtigen Fragen offen bleiben. Und wenn ich da dann nicht mit kann, werfen sie mir vor, dass ich es war, die eine Lösung verhindert hat", so Nossek. 

Da der Vertrag mit Dr. Richard aber in knapp einem Jahr ausläuft, müssen die Wiener Linien den Betrieb des 42A aber jetzt ausschreiben. Und tun dies laut Nossek mit einem Hintertürl: "Die Ausschreibung erlaubt in geringem Ausmaß eine Änderung der Strecke auch dann, wenn der Vertrag bereits läuft. Eine Streckenführung durch die Simonygasse wäre demnach theoretisch machbar". 

Auf "Heute"-Nachfrage bleibt Höferl bei der Lösung Simonygasse: "Man darf über eine Bürgerinitiative nicht einfach drüberfahren". Und auch wenn die Simonygasse teuer käme, "was ist mehr wert: die Lebensqualität von eintausend Menschen oder 100.000 Euro?" Das Argument, die von der SPÖ-präferierte Route würde mehr Parkplätze kosten, weist Höferl zurück, in der Salierigasse müsste eine ganze Seite freigeräumt werden. In der Simonygasse hingegen könnte man die Haltestellen durchaus so positionieren, etwa direkt unter der S-Bahn, dass die Abstellflächen erhalten bleiben.

Wie auch immer die Lösung aussehen wird – und dass es eine geben muss, darüber herrscht wieder Einigkeit – bleibt also vorerst offen. Der früheste Termin für eine neue 42A-Route wird auf 2023 geschätzt.