Politik

"Abputzen gilt nicht" – Nehammer hart unter Beschuss

Die Aussagen von Thomas Schmid belasten Sebastian Kurz schwer. Nehammer als sein Nachfolger distanzierte sich klar – und muss dafür nun einstecken.

Roman Palman
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am 12. Oktober 2022 während einer Nationalratssitzung in Wien.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am 12. Oktober 2022 während einer Nationalratssitzung in Wien.
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Am Dienstag platzte die Polit-Bombe. Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid hatte gegenüber der Staatsanwaltschaft ausgepackt, um Kronzeugenstatus zu erhalten. Während seiner Einvernahmen belastete er Sebastian Kurz schwerstens: Der Ex-Kanzler sei in der Inseratenaffäre involviert gewesen und die ÖVP habe das Geld und die Strukturen des Finanzministeriums für das Fortkommen der Partei und von Kurz missbraucht, erklärte Schmid in seinen Aussagen, "Heute" berichtete.

Kurz wehrte sich am Mittwoch nicht nur selbst öffentlich gegen die Vorwürfe, sondern setzte auch gleich zum Konterschlag an. Wie "Heute" erfuhr, ist nun eine Tonbandaufnahme aufgetaucht, die Schmids Aussagen "widerlegen" solle.

1/8
Gehe zur Galerie
    Thomas Schmid belastet Sebastian Kurz in 15 Einvernahmen massiv.
    Thomas Schmid belastet Sebastian Kurz in 15 Einvernahmen massiv.
    Screenshot/ HEUTE

    Das alles geht auch zu Lasten von Kurz-Nachfolger Kanzler Karl Nehammer. Dieser preschte am Mittwoch ebenfalls vor, um sich und seine Person davon zu distanzieren: "Das sind Vorwürfe, die die Vergangenheit betreffen. Wenn diese Vorwürfe stimmen, dann ist das nicht in Ordnung. [...] Es braucht nun volle Aufklärung, die von den Ermittlungsbehörden zu leisten ist. Die Justiz soll diese Ermittlungen sorgfältig führen, ich habe das Land durch eine Krise zu führen."

    "Kein Krisenkanzler, sondern akute Kanzlerkrise"

    Umgehend folgte scharfe Kritik: "Dieser Skandal betrifft selbstverständlich auch die tiefschwarze Gegenwart der Volkspartei", wetterte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz nach der Kanzler-Rede und bezeichnete diese als "peinlichen Abputzversuch". Nehammer spiele eigentlich nur den Krisenkanzler, wenn er behaupte, dass er ein Land durch die Krise zu führen hätte.

    Michael Schnedlitz will Nehammer aus Kanzlersessel schmeißen.
    Michael Schnedlitz will Nehammer aus Kanzlersessel schmeißen.
    ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

    "Genau das macht er nämlich nicht, sondern er führt aktiv alle diese Krisen mitten in unser Land. [...] In Wahrheit haben wir in Österreich also keinen Krisenkanzler, sondern eine akute Kanzlerkrise", sagte Schnedlitz.

    "Abputzen gilt also überhaupt schon einmal nicht. Immerhin war Nehammer ja auch unter Parteichef Kurz von 2018 bis 2020 ÖVP-Generalsekretär und er wurde von Kurz zum Innenminister gemacht", betonte der Blaue weiter.

    "Mit seinen Aussagen belastet Ex-Finanzministeriums-Generalsekretär Thomas Schmid obendrein auch aktive ÖVP-Spitzenpolitiker wie etwa Nationalratspräsident Sobotka. Nehammer kann diese Tatsache nicht einfach in die türkise Vergangenheit der Volkspartei transferieren, dieser Skandal betrifft selbstverständlich auch die tiefschwarze Gegenwart der Volkspartei." Die Freiheitlichen fordern deshalb zum wiederholten Male sofortige Neuwahlen.

    Heftige Kritik an Sobotka

    Neben Nehammer ist auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wieder in die Schusslinie gerückt: "Angesichts der medial berichteten Aussagen von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, wonach Wolfgang Sobotka durch Intervention im Finanzministerium Steuerprüfungen beim Alois-Mock-Institut oder der Alois-Mock-Stiftung und der Erwin-Pröll-Stiftung verhindert habe, ist der Rücktritt des Nationalratspräsidenten endgültig fällig. Sobotka wird bereits seit März wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs als Beschuldigter geführt. All das fügt dem Amt des Nationalratspräsidenten und dem Ansehen der Republik größten Schaden zu. Es ist daher völlig unmöglich, dass Sobotka weiterhin im Amt bleibt", schreibt FPÖ-Chef Herbert Kickl auf Facebook.

    Das ist die Causa Thomas Schmid

    Thomas Schmid galt als einer der engsten Verbündeten von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Seit 2015 war er Generalsekretär im Finanzministerium, wo er bereits seit 2013 als Kabinettschef tätig war. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft dem Manager u.a. vor, dass er einen mit Steuergeld finanzierten illegalen Inserate- und Umfragendeal mit der Mediengruppe "Österreich" abgeschlossen habe. Durch fingierte und frisierte Umfragen soll der damalige Außenminister Sebastian Kurz in der Öffentlichkeit besonders gut und die damalige ÖVP-Spitze – Vizekanzler Reinhold Mitterlehner – besonders schlecht dargestellt worden sein. Als oberstes Ziel dürfte der politische Erfolg von Sebastian Kurz ausgegeben worden sein.
    Im April 2019 wurde Schmid dann zum Alleinvorstand der neuen Staatsholding Öbag bestellt. Nur wenige Wochen später wurde dann das Ibiza-Video, welches das Polit-Aus für den damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und das Ende der türkis-blauen Koalition bedeutete, veröffentlicht. Schmid löschte sein Handy – Ermittler fanden allerdings Monate später ein Backup.
    2021 wurden dann die kompromittierenden Chats öffentlich. In letzter Konsequenz bedeuteten sie das Aus für Sebastian Kurz. Schmid gilt als Beschuldigter in der ÖVP-Korruptionsaffäre. Ihm selbst wird Untreue und Bestechlichkeit zur Last gelegt – es gilt wie für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung. Den anderen 45 Beschuldigten, es handelt sich um natürliche Personen und Verbände, werden zudem falsche Beweisaussage, Missbrauch der Amtsgewalt, Bestechlichkeit, Bestechung und die Verletzung der Amtsgeheimnisse vorgeworfen.