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Kind aus Rache entführt, vergewaltigt und getötet

Heute Redaktion
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Das grausame Schicksal der kleinen Asifa (8) hat ganz Indien in Aufruhr versetzt und in der Krisenregion Kashmir alten Rassenhass wieder aufleben lassen.

"Wir haben Ashifa (sic!) im Stich gelassen und als Menschen völlig versagt", schimpft Ex-General und Staatssekretär im Außenministerium Indiens, Vijay Kumar Singh, auf Twitter. Seine Nachricht markierte er mit den Hashtags "Bestraft die Wilden", "Vergewaltigung und Mord der Menschlichkeit" und "Gerechtigkeit für Asifa".

Es ist eine Horror-Tat sondergleichen, welche Indien aktuell in den Grundfesten erschüttert und selbst hochrangige Politiker nach Gerechtigkeit fordern lässt. Ein erst acht Jahre altes Mädchen war im Jänner von einer Gruppe Männern, darunter sogar ein Polizist und ein Minderjähriger über Tage hinweg gefangen gehalten, mehrfach vergewaltigt und schließlich getötet worden. Das berichtet die "Times of India" am Freitag (13. April).

Hass auf Nomadenstamm als Auslöser

Wie grausam und kaltblütig die Vergewaltiger bei ihren Gräueltaten vorgingen, war selbst für erfahrene Ermittler ein Schock: Haupttäter Sanji Ram (60) hegte einen dermaßen abgrundtiefen Hass gegen die andergläubige Gemeinschaft der Bakarwal, dass er bereits Anfang Jänner den Beschluss fasste, sie um jeden Preis aus dem Gemeindegebiet von Kathua im indischen Bundesstaat Jammu und Kashmir zu vertreiben.

Die Bakarwal sind ein muslimischer Nomandenstamm, der in der umstrittenen Kashmirregion zwischen Indien und Pakistan
sowie in der afghanischen Provinz Nuristan beheimatet ist.

Der pensionierte Finanzamtbeamte stachelte seinen minderjährigen Neffen zu einer Vergeltungsaktion gegen jene Bakarwal an, die ihn kurze Zeit zuvor verprügelt hatten. Am 7. Jänner gab er dem Jugendlichen den Auftrag, die erst acht Jahre alte Adoptivtochter von Muhammad Yousaf P., namens Asifa, zu entführen. Das Mädchen war ein leichtes Ziel, weil es die Pferde ihrer Familie auf einer Wiese hinter dem Haus des 60-Jährigen grasen ließ.

In Tempel gefangen gehalten

Der Teenager weihte daraufhin auch noch seinen Freund Parvesh Kumar in den brutalen Plan ein, bevor sie am 10. Jänner zuschlugen. Sie lockten die Achtjährige unter einem Vorwand in den Dschungel, wo sie sie mittels einer Droge betäubten und – zum ersten Mal – vergewaltigten. Danach sperrten sie ihr Opfer in einen Hindu-Tempel ein.

Als tags darauf die verzweifelten Eltern auf der Suche nach ihrer verschwundenen Tochter an der Tür des Tempels klopften, log ihnen der Pensionist beinhart vor, das Kind wäre vermutlich bei einem Verwandten zu Besuch. Währenddessen hatten die Verwandten des entführten Mädchens die Polizei alarmiert, eine große Suchaktion wurde gestartet. Um nicht entdeckt zu werden, wandte sich Sanji Ram selbst an die Ordnungshüter. Er überredete Deepak Khajuria – ein Polizist (!) – für eine Summe von umgerechnet 1.800 Euro den ermittelnden Beamten zu bestechen.

Am 13. Jänner vergingen sich die vier Entführer erneut an der kleinen Asifa. Bis der Ex-Beamte am Abend den Entschluss fasste, sie zu töten. Unter einer Brücke wollten die Männer dem Leben des Kindes ein Ende setzen, wurden aber aber kurzerhand von Deepak Khajuria gestoppt. Der Polizist hätte sie retten können, doch das tat er nicht. Stattdessen verging er sich selbst an dem Kind – die Gruppe wartete. Erst nach dieser letzten Horrortat tötete der Gesetzeshüter selbst das Mädchen. Vier Tage später wurde Asifas Leiche im Dschungel gefunden.

Spannungen zwischen Muslimen und Hindus

Der Fall löste in der Krisenregion neue Verwerfungen zwischen der muslimischen Minderheit und der überwiegenden hinduistischen Bevölkerung im Bundesstaat Jammu und Kashmir aus. Acht Männer wurden in der Zwischenzeit im Zusammenhang mit dem Mord verhaftet. Darunter insgesamt vier Polizisten und ein Minderjähriger. Deren Festnahme löste allerdings gewalttätige Proteste in Jammu aus. Wie die "BBC" berichtet, hätten Anwälte versucht, Polizisten daran zu hindern ein Gerichtsgebäude zu betreten, um eine Anklageschrift abzugeben.

Selbst das Begräbnis der kleinen Asifa wurde von den Ausschreitungen überschattet. Rechtsextreme Hindus verwehrten der Familie Zutritt zu einem Grundstück, das der Clan seit Jahren als Friedhof nutzt. "Wir mussten rund zehn Kilometer in ein anderes Dorf gehen, um sie dort zu begraben", klagt Adoptivvater Muhammad Yousaf. Er hatte Asifa, die Tochter seines Schwagers, nach dem Tod seiner beiden eigenen Töchter vor wenigen Jahren bei sich aufgenommen.

Währenddessen werden die mutmaßlichen Täter von Regionalpolitikern der Hindu-nationalistischen Partei BJP in Schutz genommen. Die Männer seien das Opfer von Verleumdung, so der Tenor bei einer öffentlichen Versammlung. Der Versuch die Gräueltaten von einzelnen Tätern auf die dort ansässige Volksgemeinschaft der Bakarwal, aus der das Opfer stammt, abzuwälzen, verursachte in ganz Indien einen Aufschrei und rückte den grausigen Fall erst Recht ins Rampenlicht.

"Verbrechen gegen die Menschlichkeit"

Selbst Rahul Gandhi, der Präsident der Kongresspartei (INC), einer der stärksten Kräfte im indischen Parlament, bricht Monate nach dem Vorfall erstmals sein Schweigen: "Wie kann auch nur irgendwer die Verantwortlichen einer solch bösen Tat in Schutz nehmen?", fragt er auf Twitter. "Was Asifa in Kathua passiert ist, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es darf nicht ungesühnt bleiben."

Mehbooba Mufti, die leitende Ministerin des Bundesstaates Jammu und Kashmir, warnt unterdessen aber davor, dass die Polizei in ihrer Arbeit zu sehr unter öffentlichen Druck geraten könne, wodurch die Ermittlungen beeinflusst würden. Sie fordert eine lückenlose Aufklärung des Falles und fordert die Todesstrafe für Missbrauch von Minderjährigen.

(rcp)