Man hat eh schon Harndrang, eilt auf den Zug, sucht die Toilette – und dann ist die einzige Toilette im Zug kaputt oder unbenutzbar. Für viele ist dieses Szenario nur ein kleines Ärgernis. Doch für einige Fahrgäste kann es zum persönlichen Albtraum werden.
Als der 38-jährige Paul* während seiner S-Bahn-Fahrt nach Bischofshofen (Salzburg) einen starken Harndrang verspürte, machte er sich sofort auf die Suche nach einer Zugtoilette. Doch zu seinem Pech war die einzige vorhandene Toilette defekt und verschlossen. Auch die Hoffnung, an einem der Zwischenhalte eine Erleichterung zu finden, zerschlug sich schnell: "Entweder gab es keine Toiletten an den Bahnsteigen oder die Halte waren zu kurz." Da er sonst seinen Termin zu Hause verpasst hätte, war ein Umstieg auf den nächsten Zug ebenfalls keine Option.
Nach fast einer Stunde Fahrt war ihm schließlich der Druck zu groß – und es passierte: "Ich konnte es einfach nicht mehr zurückhalten und pinkelte mir in die Hose", so der 38-Jährige. Als wäre die Situation nicht schon unangenehm genug, blieb sein Missgeschick auch den anderen Fahrgästen nicht verborgen: "Ich habe mich noch nie in meinem Leben so geschämt", erzählt Paul. Er verstehe, dass solche Probleme passieren können: "Aber ich finde, dass in jedem Zug zumindest eine funktionierende Toilette Pflicht sein sollte."
An eine noch erniedrigende Situation kann sich die Schaffhauserin Cornelia* (58) erinnern: "Ich war in der S-Bahn von Winterthur nach Schaffhausen unterwegs, als ich plötzlich starke Bauchkrämpfe bekam." Die Fahrt dauerte zwar nur acht Minuten, da aber das einzige WC im Zug defekt war und der Druck derart groß war, sei ihr nichts anderes übrig geblieben: "Ich habe mein Geschäft schließlich in meiner Hose verrichtet. Das war mir so unangenehm." Priska fordert deshalb, dass besonders auf Regionalzügen mindestens zwei WCs vorhanden sein sollten: "Solche Zustände sind eine Zumutung." Aus dem gleichen Grund hätte sich auch schon ihre Nichte eingenässt während der Zugfahrt.
Funktionierende WCs sind auch für die an Morbus Crohn leidende Bernerin Isabell (39) essenziell: "Ich hatte schon mehrere Fahrten, bei denen alle WCs im Zug defekt waren. Einmal lief sogar Abwasser durch den Wagen. Ich musste durch eine stinkende Brühe steigen." Für Isabelle ein Grund, warum sie mittlerweile keine Züge mehr nutzt: "Bei meiner Krankheit zählt jede Minute. Im Zug ist es oft unmöglich, rechtzeitig eine Toilette zu finden, mit dem Auto kann ich schneller bei einer Tankstelle halten." Sie appelliert an die Zuggesellschaften, mehr auf die Bedürfnisse von Menschen mit gesundheitlichen Problemen einzugehen.
Grund für unbenutzbare WCs in Zügen seien oft die Passagiere selbst, meint Stefan (31), der für die Wartung sanitärer Anlagen in SBB-Zügen zuständig ist: "Fahrgäste werfen Dinge ins WC, die dort nicht hineingehören. Von Windeln über Plastikflaschen bis zu Kleidung – ich habe schon alles gesehen." Solche Verstopfungen würden dazu führen, dass alle leiden. Eduard* (25), ein weiterer SBB-Mitarbeiter, fügt hinzu, dass manchmal auch der Abwassertank voll sei: "Um diesen zu entleeren, müsste der Zug zu einer Kläranlage fahren, was im regulären Betrieb oft nicht möglich ist."
"Es kommt tatsächlich vor, dass Dinge ins WC geworfen werden, die nicht da hinein gehören", bestätigt Sprecherin Fabienne Thommen. Die SBB versuche daher, Defekte so schnell wie möglich zu beheben: "Bei den allermeisten Störungen geschieht dies innerhalb eines Tages", so Thommen.
Da im Regionalverkehr die Reisezeiten eher kurz sind, die Toiletten-Benutzungen pro Sitzplatz geringer und die Kompositionen im Fernverkehr länger und mehr Platz bieten, gibt es teilweise Züge, die nur ein WC haben. Thommen betont aber: "Von über 3400 rollenden Toiletten sind durchschnittlich jeweils 97 Prozent offen. In einem Fernverkehrszug kommt ein Ausfall aller WCs praktisch nie vor."
Der Redaktion liegen Fotos vor, die uns Paul nach seinem Missgeschick sendete. Auf eine Publikation dieser wurde verzichtet.
*Name geändert