Gesundheit

Tschernobyl ohne Strom – wie gefährlich ist AKW für uns

Alle Kontakte an das AKW Tschernobyl sind gekappt. Wie dramatisch die Lage ohne Strom ist, berichtet eine Österreicherin gegenüber "Heute".

Christine Scharfetter
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Die Lage in der Kraftwerksruine Tschernobyl soll sich laufend verschlechtern.
Die Lage in der Kraftwerksruine Tschernobyl soll sich laufend verschlechtern.
zVg

Die Nachrichten um das stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl werden immer besorgniserregender. Nicht nur, dass sich die Belegschaft vor Ort in russischer Geiselhaft befindet und mittlerweile seit über 300 Stunden durcharbeitet, jetzt kam es auch zum ersten Blackout – eine brandgefährliche Situation, wie die Österreicherin Dr. Eva Christina Tendl gegenüber "Heute" berichtet.

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Die Wiener Tierärztin hat auch Atomphysik studiert und ist seit 2016 eine von vier Tierärzten weltweit, die im Auftrag der IAEA in der verseuchten Zone Tschernobyl zum Thema Strahlenbelastung forschen darf. Entsprechend hat sie bis heute Freunde im Atomkraftwerk, aus dem sie zuletzt vor zwei Tagen etwas gehört hat.

Die Wiener Tierärztin hat auch Atomphysik studiert und ist seit 2016 eine von vier Tierärzten weltweit, die im Auftrag der IAEA in der verseuchten Zone Tschernobyl zum Thema Strahlenbelastung forschen darf.
Die Wiener Tierärztin hat auch Atomphysik studiert und ist seit 2016 eine von vier Tierärzten weltweit, die im Auftrag der IAEA in der verseuchten Zone Tschernobyl zum Thema Strahlenbelastung forschen darf.
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Gefährliche Strahlen-Dosis

"Die 750kV-Leitung des Kraftwerks wurde gekappt, was bedeutet, dass wir das erste Blackout in der Ukraine hatten, nämlich in Slavutych", so Trendl. Ein außerordentliches Problem, denn in Tschernobyl werden mehrere tausend Reaktorbrennelemente gelagert, die eine konstante Kühlung benötigen – "und diese konstante Kühlung funktioniert nur, wenn Strom verfügbar ist, da die Kühlung über sogenannte Kühlpumpen funktioniert."

"Es kommt zwar zu keiner Explosion, aber es wird dennoch Strahlung freigesetzt."
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    Die Nachrichten um das stillgelegte <a href="https://www.heute.at/s/ukraine-akw-warnt-vor-der-nuklearen-katastrophe-100193883">Atomkraftwerk Tschernobyl</a> werden immer besorgniserregender. Nicht nur, dass sich die Belegschaft vor Ort in russischer...
    Die Nachrichten um das stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl werden immer besorgniserregender. Nicht nur, dass sich die Belegschaft vor Ort in russischer...
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    Was bedeutet das genau? Werden die Reaktorbrennelemente nicht ausreichend gekühlt, könnten Strahlen austreten. Betroffen wäre davon in erster Linie das Gebiet rund um Tschernobyl bis Kiew, so die Einschätzung von Tendl. "Die Leute im direkten Umfeld werden einer massiven Hitze ausgesetzt, alle anderen trifft die radioaktive Strahlung. Sie können durch die Strahlenkrankheit sterben." Immerhin: Für Österreich sieht sie derzeit keine Gefahr.

    "Die Leute im direkten Umfeld werden einer massiven Hitze ausgesetzt und verbrennen."
    Werden die Reaktorbrennelemente nicht ausreichend gekühlt, könnten massive Strahlenmengen rasch austreten.
    Werden die Reaktorbrennelemente nicht ausreichend gekühlt, könnten massive Strahlenmengen rasch austreten.
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    Hinzu komme, dass durch das Blackout die Belüftung im Kraftwerk ausgefallen sei. "Das bedeutet, dass das Personal, das psychisch und physisch eh schon total durch den Wind ist, hohen, wirklich gefährlichen Dosen an Strahlung ausgesetzt ist." Und die Zusammenfassung der Lage durch die Wienerin wird noch schlimmer: "Auch die Löschanlagen funktionieren ohne Stromversorgung nicht mehr - das ist schrecklich, wenn durch Militärbeschuss vielleicht ein Feuer ausgelöst wird. Durch die Kampfhandlungen in der Zone können keine Reparaturen durchgeführt werden, und wenn das Notstromsystem ausfällt, kann endgültig nichts mehr repariert werden."

    "Alle Kontakte zur Zone wurden rigoros abgeschnitten, das Personal dort ist inzwischen auf sich alleine gestellt."

    Letzter Kontaktmann geflüchtet

    "Alle Kontakte zur Zone wurden rigoros abgeschnitten, das Personal dort ist inzwischen auf sich alleine gestellt", zeigt sich die Wienerin besorgt um ihre Freunde. Den letzten Kontakt in das Atomkraftwerk hatte der ukrainische Fotograf und Journalist Alexander Sirota, der bis zuletzt vor Ort sein Leben riskierte. "Alex Sirota hat es geschafft, mit seiner Familie nach Polen zu flüchten. Wir stehen in engem Kontakt, er versucht alles, um wieder mit den Leuten im Kraftwerk in Kontakt zu kommen."

    SPENDENAUFRUF
    Trotz allem leben in der Sperrzone von Tschernobyl auch zum jetzigen Zeitpunkt einige Menschen – vor allem ältere Personen, die nach der Evakuierung in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Im Kernkraftwerk selbst befinden sich immer noch rund 210 Mitarbeiter, die keinen Kontakt mehr zur Außenwelt haben. Sie versorgte bis zuletzt der ukrainische Fotograf und Journalist Alexander Sirota. Aktuell musste zwar auch er mit seiner Familie nach Polen flüchten, will aber so schnell wie möglich wieder zurückkehren.
    Aus diesem Grund hat der Wiener Designer Jürgen Wonderwazek eine Spendenaktion ins Leben gerufen:
    Für jedes gekauften Produkt der Edition Friedenswazek gehen 7 € direkt an die Bewohner und Mitarbeiter der Zone in Tschernobyl.
    > wonderwazek.com