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Amanda Knox: "Enttäuscht, aber nicht verzagt"

Heute Redaktion
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Der Mordprozess gegen die US-Austauschstudentin Amanda Knox und ihren Ex-Freundes Raffaele Sollecito wird erneut aufgerollt. Das gab das Kassationsgericht in Rom am Dienstagvormittag bekannt. Das Urteil enthalte schwere logische und juristische Fehler.

Das Kassationsgericht gibt damit dem Rekurs der Staatsanwälte von Perugia gegen den 2011 gefällten Freispruch der beiden Hauptangeklagten statt. Das Urteil enthalte schwere logische und juristische Fehler, hatte die Staatsanwaltschaft von Perugia ihre Berufung begründet.

Anwalt: "Amanda ist enttäuscht"

Knox habe vor dem jüngsten römischen Verdikt eine schlaflose Nacht in Seattle gehabt, wo sie studiert, berichtet ihr Anwalt Carlo Dalla Vedova. Nach einem Telefongespräch mit ihr sagt er: "Sie ist enttäuscht, aber nicht verzagt, so was würde auch nicht ihrem Charakter entsprechen."

Die junge britische Austauschstudentin Meredith Kercher wird in einer kalten November-Nacht 2007 in Perugia vergewaltigt und dann brutal ermordet. Zwischen ihr und den beiden Studenten Amanda Knox und Raffaele Sollecito soll es zu wilden Sexspielen gekommen sein, die ausufern. Am Morgen des 2. November fand man sie mit durchgeschnittener Kehle, halbnackt und mit Messerstichen übersät.

Ihre amerikanische Mitbewohnerin und deren Freund geraten unter Mordverdacht. Beide beteuern im Verhör ihre Unschuld.

Die hübsche Studentin Amanda Knox von der US-Westküste und ihr italienischer Freund sowie ein Barkeeper wurden erst verhaftet, zu 26 und 25 Jahren Haft verurteilt und . Viele Zweifel blieben in den beiden Indizienprozessen - vor allem an der Spurensicherung nach der Bluttat.

Wird Knox anwesend sein?

Nun hat das römische Kassationsgericht den Freispruch für die 25-jährige Knox und ihren Ex-Freund Raffaele Sollecito annulliert. In Florenz kommt der spektakuläre Mord neu vor Gericht. Dort könnte schon in wenigen Monaten das nächste Kapitel geschrieben werden. Ob Knox bei dem Verfahren dabei sein wird, ist fraglich. Sie lebt seit ihrem Freispruch wieder in den USA.

Der Ivorer Rudy Hermann Guede, der in jener Mordnacht ebenso am Tatort war, befindet sich weiterhin hinter Gittern. Der Barkeeper war wegen Beihilfe zum Mord und sexueller Gewalt zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Guede könne nicht allein für dieses Delikt verantwortlich gemacht werden, sagte Staatsanwalt Riello. In allen Blutlacken, die am Tatort gefunden worden waren, seien auch DNA-Spuren Amandas vorhanden gewesen.

"Teufel im Engelsgewand"

Ist Amanda eine Mörderin? Knox beteuerte stets, nichts damit zu tun zu haben, weinte und flehte vor Gericht. Für die Medien war die blonde, blauäugige Studentin zuerst ein "Teufel im Engelsgewand" und "Engel mit den Eisaugen", dann die Unschuldige hinter Gittern.

Medienprozess

Der Prozess bekam Aufmerksamkeit wie kaum ein anderer in Italien - allein mehr als 400 Medienvertreter waren beim Freispruch 2011 dabei. Sie kamen vor allem aus Großbritannien - wegen der Ermordeten - und aus den USA, weil eine Amerikanerin vor Gericht stand. Die US-Medien sparten dann auch nicht mit bösen Seitenhieben auf "Unzulänglichkeiten" der italienischen Justiz.

Der Italiener Sollecito erfuhr die Hiobsbotschaft an seinem 29. Geburtstag: "Und ich dachte, man könnte nun einen Schlussstrich unter diese Sache ziehen", sagt er. Bis zum Prozess kann wohl auch Sollecito sein Studentenleben in Verona ungestört von der Justiz fortsetzen. Bis zu ihrem Freispruch hatten er und Knox immerhin fast vier Jahre hinter Gittern verbracht.

Schwester des Opfers weinte Freudentränen

Der Anwalt der Familie Kercher feiert dagegen einen Sieg, die Schwester der Getöteten weint Freudentränen. Alle warten jetzt auf die Begründung der Kassationsentscheidung.

Lesen Sie weiter: Die Chronologie des Falls

Verurteilt, freigesprochen, neue Verhandlung: Der Fall der US-Studentin Amanda Knox, die in Italien wegen Mordes an ihrer britischen Mitbewohnerin verurteilt worden ist, nahm am Dienstag erneut eine überraschende Wende. Folgend eine Chronologie der Causa.


2. November 2007: Die britische Austauschstudentin Meredith Kercher (21) wird in der mittelitalienischen Universitätsstadt Perugia (Umbrien) tot aufgefunden - mit durchschnittener Kehle, vergewaltigt, halbnackt, der Körper von Messerstichen übersät.
6. November 2007: Ein Barkeeper, Kerchers Mitbewohnerin Amanda Knox und ihr italienischer Freund Raffaele Sollecito werden festgenommen. Knox und Sollecito werden verdächtigt, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein. Alle drei bestreiten dies. Laut Polizei wurde Knox' DNA an einem Küchenmesser gefunden.
19. November 2007: Die italienische Polizei hat einen vierten Verdächtigen im Visier. Der Ivorer Rudy Hermann Guede wird einen Tag später in Deutschland festgenommen, als er im Zug nach Mainz schwarzfährt. Guede bestreitet alle Vorwürfe und wird nach Italien ausgeliefert. Seine DNA findet sich aber an Kerchers Polster. Der Barkeeper wird freigelassen. Knox und Sollecito bleiben in Untersuchungshaft.
28. Oktober 2008: Guede wird nach einem Schnellverfahren zu 30 Jahren Haft wegen Mordes an Meredith Kercher verurteilt. Erst später wird seine Haftstrafe nach Berufung auf 16 Jahre festgesetzt. Der Richter entscheidet Ende Oktober 2008 auch, dass gegen Knox und Sollecito ein Verfahren wegen Mordverdachts beginnen soll.
5. Dezember 2009: Knox und Sollecito werden wegen Mordes und sexueller Gewalt zu 26 und 25 Jahren Haft verurteilt. Sie beteuern ihre Unschuld. Knox' Familie kündigt Berufung an.
24. November 2010: Der Berufungsprozess beginnt. Im Verlauf treten Zweifel an der Verwendbarkeit der DNA-Spuren am Küchenmesser auf. Der italienischen Polizei wird unsaubere Arbeit bei der Spurensuche vorgeworfen.
18. Juni 2011: Ein verurteilter Kindermörder sagt im Berufungsprozess aus. Sein Mithäftling Guede habe ihm gesagt, Knox und Sollecito seien unschuldig. Ein ungenannter Komplize habe Kercher ermordet. Vor Gericht bestreitet Guede diese Behauptung.
3. Oktober 2011: Das Gericht spricht Knox und Sollecito frei.
14. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft legt Berufung gegen den Freispruch für die US-Studentin Knox und ihren Ex-Freund ein.
26. März 2013: Der Fall Amanda Knox muss neu aufgerollt werden. Das Kassationsgericht in Rom, das höchste italienische Gericht, hob den Freispruch der US-Studentin und den ihres Ex-Freundes Sollecito auf.