Szene

Gabalier, Wossa am Oarsch und "jetzt erst recht"

Heute Redaktion
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Der "Volks Rock'n'Roller" feierte seinen größten Triumph in Wien. Ein Abend mit Schmalz, gar nicht so harten Tönen und ganz viel Verklärung.

Andreas Gabalier muss innehalten und seine Kräfte sammeln. Zweimal lässt er sich auf den Boden fallen, die Brust hebt und senkt sich unter schwerem Atem. Es ist das große Finale der Jubiläumstournee im Wiener Ernst Happel Stadion. Zehn Jahre Volks Rock'n'Roller. Zehn Jahre Mountain Man. Zehn Jahre Bergbauernbua. Ganz fit ist der Superstar, der beteuert, eigentlich kein "Superschtoar" zu sein, noch nicht.

Er hatte drei Wochen mit einem "garstigen Krankenhauskeim" zu kämpfen. Immer wieder betont er, wie groß die körperliche Anstrengung an diesem Abend ist. Drei Stunden lang bringt er das Stadion zum Schunkeln, Klatschen und Grölen. Mit dermaßen schweißgebadetem Einsatz, dass ihm das "Wossa den Oarsch owi rinnt".

Textsicherheit

"Wüüün" – also "Wien", die "Bundeshauptstadt", wie er immer wieder betont – dankt es ihm mit viel Begeisterung. Und Textsicherheit, die er mehrmals an diesem Abend einfordert. Gut, die Refrains sind großteils auch mit zunehmender Alkoholisierung kein Problem. "Hodi odi ohh di ho di eh" und "Hallo Halli Halli Hallo Halli Halli Hallo" sind da die Paradebeispiele. Das macht einen guten Stadion-Act vielleicht auch aus.

In dieser Einfachheit bewegt sich auch das Weltbild, das Gabalier verpackt in etwas härter wirkende Klänge, die aber eigentlich ganz harmlos sind, in die Menge schmettert. Es schwingt das Bild einer Vergangenheit mit, die es so niemals gab. Eine Postkartenwelt mit gewaltigen Alpen und grünen Almen. Mit Männern, die noch echte, bodenständige Kerle sind und Frauen, die sich als "Lipstick-Ladys" in Zurückhaltung üben. Mit Kaiserschmarrn und extra dunkel-knusprig gebackenem Schnitzel.

Selbst wenn es diese Vergangenheit, die es nie gegeben hat, doch gegeben hätte, Gabalier hätte sie mit Jahrgang 84 nie erlebt. Für ihn sind ja schon die "neinzga Joahr" "verdammt lang her". Das ist ein bisschen wie Summer of '69, nur eben mit weniger Melancholie und mehr lesbischen Küssen im Musikvideo.

Das sagten die Fans vor dem Konzert:

(Video: Video3)

Die "New York Times" und "jetzt erst recht"

Andreas Gabalier ist an diesem Abend ganz besonders stolz darauf, dass 65 Medienvertreter zu seinem Triumphkonzert gekommen sind. Sogar die "New York Times" sei hier, um über die "Bewegung" zu berichten, die sich da um ihn gebildet habe. Das ganze Stadion applaudiert, Donald Trump hätte seinen Augen und Ohren nicht getraut.

Doch der Mountain Man kann auch anders. Ein Highlight habe in den letzten zehn Jahren das andere gejagt, was von "journalistischen Randgruppierungen", diesmal verzichtet er auf konkrete Nennungen, nicht immer so euphorisch kommentiert wurde wie von Gabalier selbst. "Ich bin froh, dass es noch viele normal tickende Leute gibt", ruft er ins applaudierende Publikum. Gemeint sind wohl Menschen, die so ticken wie er selbst.

Die Rechtfertigung

Ein wenig rechtfertigt er sich dann aber doch. Das alles sei nur eine "gesunde Form der modern gelebten Tradition", als Beleg dienen ihm die guten Verkaufszahlen der Trachtenhersteller. Und außerdem: "Jetzt erst recht." So kurz vor der Nationalratswahl wird man da natürlich hellhörig, doch Gabalier lässt das ohne Erklärung so stehen. Auch seine Erinnerungen an die Zeit am "türkisblauen Wörthersee" könnten in eine Richtung deuten.

Das Publikum stößt sich jedenfalls nicht daran. Vom Kind bis zu den Großeltern – oft in Tracht mit roten und weißen Karos, man könnte kleinkariert dazu sagen – werden alle unterhalten. Der Ton ist deutlich besser als bei anderen Großevents im Happel-Stadion in letzter Zeit. Gabalier erkundigt sich mehrmals, wie es um die Stimmung in "Wüüün" steht. Würde er die Sonnenbrille öfter absetzen könnte er sehen, dass sie am Kochen ist.

Alles ganz bescheiden

Bei aller Bescheidenheit, die der "stinknormale Steierbua" betont, der hier von 50.000 Menschen angehimmelt wird, ist auch genug Raum für Selbstlob. Zwischen den Gassenhauern referiert Gabalier über die vergangenen zehn Jahre. Über ein "klitzekleines Hobby", das zur "Lebensaufgabe" wurde. Seinen Erfolg nach dem ersten Auftritt im "Musikantenstadel", den Status als einziger Österreicher bei MTV Unplugged, den beispiellosen Erfolg. Aber natürlich ganz bescheiden, mit Ecken und Kanten.

Nach 23 Uhr ist Schluss. Nach rockigen Balladen, Herzschmerz, Partykrachern. Nach ganz viel Rot-Weiß-Rot und einer Flammenshow, die so wirkte, als hätten Rammstein letztens ein paar Kisten Schwarzpulver im Stadion vergessen. Drei Stunden Eskapismus in eine heile Welt.

Gabalier ist erschöpft, hat für "Wüüün" um sein "Leben gespielt". Jetzt kann er verschnaufen und neue Kraft schöpfen. 2020 werden die nächsten zehn Jahre des Volks Rock'n'Rollers eingeläutet. Ganz sicher mit Schmalz, Stimmung und Sehnsucht nach einer einfacheren Zeit, die es nie gegeben hat.