Politik

Ansage – FPÖ und AfD nicht verbieten, aber Geld kappen

Alice Weidel (AfD) und Herbert Kickl (FPÖ) traten am Dienstag gemeinsam auf und wetterten gegen "das System". Eine Polit-Kennerin analysierte dies.

Innenpolitikjournalistin Ann Katrin Müller am späten Dienstagabend in der ORF-"ZIB2".
Innenpolitikjournalistin Ann Katrin Müller am späten Dienstagabend in der ORF-"ZIB2".
Screenshot ORF

"In großer Freundschaft verbunden" trat am Dienstag die Bundestagsabgeordnete Alice Weidel von der Alternative für Deutschland (AfD) gemeinsam mit FPÖ-Chef Herbert Kickl in Wien auf. Beide wetterten dabei über das "politische System", dessen Teil kurioserweise beide sind, stellten sich als von einem "tiefen Staat" verfolgte Patrioten hin, bezeichneten Klimapolitik und Energiewende als "Raubzug gegen die eigene Bevölkerung" und orteten einen politisch gewollten "Kontrollverzicht" in der Migrationspolitik.

Und sie waren sich sicher: Die politischen Mitbewerber würden ihre Parteien verbieten wollen, weil sie ihnen politisch nichts entgegensetzen könnten. 

Auch Kickl streifte sich am Ende noch einmal die Opfer-Rolle über. Die FPÖ in Österreich und die AfD in Deutschland, so die Selbstdarstellung, würden alleine auf weiter Flur gegen "das politische System" – bestehend aus "Eliten und Machtzirkel", allen anderen Parteien, dem Verfassungsschutz und natürlich auch den Medien – "als Partnerparteien zu Felde ziehen": "Das ist, wofür wir beide kämpfen und wofür wir auch bekämpft werden."

Anders sah dies aber die Innenpolitikjournalistin und AfD-Expertin des "Spiegel", Ann Katrin Müller, am späten Dienstagabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf. Vielmehr erhoffe sich die AfD durch den gemeinsamen Auftritt mit der FPÖ mehr Macht und eine Regierungsbeteiligung.

Also gegen das "System" wettern, um Teil des Systems zu werden? Die AfD, gegen die in Deutschland eine "Brandmauer" besteht, durch die niemand mit der von vielen Beobachtern als rechtsextremistisch eingestuften Partei koaliert, könne FPÖ-Umfrageerfolge und vielleicht spätere Wahlerfolge darauf ummünzen wollen, den Menschen in Deutschland zu zeigen: "Das passiert, wenn ihr uns wählt."

Umgekehrt ortete Müller aber sogar eine Gefahr für die FPÖ, denn viele potenzielle Wähler könnten sich von den Freiheitlichen wegen der Annäherung zur AfD abwenden. ZU beiden Parteien sagte Müller, dass sie sich "ehrlicherweise nicht so sehr" voneinander unterscheiden würden. 

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    Doppelt rechts: Alice Weidel (AfD) zu Gast in Wien für eine gemeinsame Pressekonferenz mit Herbert Kickl (FPÖ) am 19. September 2023.
    Doppelt rechts: Alice Weidel (AfD) zu Gast in Wien für eine gemeinsame Pressekonferenz mit Herbert Kickl (FPÖ) am 19. September 2023.
    Helmut Graf

    Einziger Unterschied: In Deutschland befasse sich der Verfassungsschutz mit Parteien und es gebe eben eine "Brandmauer", die der deutschen Geschichte geschuldet sei, aber auch bröckle. Das österreichische Modell, keine Partei auszuschließen, habe in Deutschland nicht funktioniert, so Müller.

    Und warum koaliere in Deutschland niemand mit der AfD? Man habe "das Verständnis, dass wir aus der Geschichte gelernt haben wollen", so Müller, mit einer auch nur teils rechtsextremistischen Partei könne man nicht zusammenarbeiten. Spitzer Nachsatz: "Vielleicht sind Sie uns nur ein paar Jahre voraus, ich hoffe nicht", sagte die Expertin mit Blick auf Österreich.

    Gerade in den Bundesländern und Kommunen könnte die "Brandmauer" nicht durchgezogen worden sein, das würde den Erfolg der AfD vor allem im Osten erklären, so Müller. Außerdem helfe es der AfD, dass die Menschen durch ständige Krisen verunsichert seien und die Botschaften der Partei glauben würden.

    "Die AfD ist und bleibt eine Partei, die die Demokratie und den Glauben in sie zerstören will", so Müller. Sie würde sie nicht als "normale Partei" bezeichnen. Die FPÖ wiederum schlage "die einfachste und nicht funktionierende Lösung vor".

    Und wie schätze Müller ein Verbot dieser Parteien ein? Man dürfe generell Parteien nicht einfach verbieten, sondern müsse erklären, warum man eine Partei nicht mehr wählen könne.

    Entsprechend müsse man überlegen, ob man mit Staatsgeldern solche Parteien finanzieren müsse – oder ob man die Parteiförderung kappen wolle, wenn die Parteien verfassungsfeindlich seien, so die Expertin. Erst danach könne man über ein Verbot nachdenken.

    Der Erfolg der FPÖ und auch der AfD seien möglicherweise auch auf ein eklatantes Versagen zurückzuführen. Lange habe man geglaubt, die Parteien würden gar nicht so ernst meinen, was sie sagen, so Müller. Nun würden sich der rechte Rand aber sogar immer mehr damit brüsten, besonders drastische Worte zu finden.