Politik

"Anti-Impf-Dschihad" – wilder Corona-Streit live im ORF

Gestartet hatte es als Debatte über Lehren und Ausblicke in der Pandemie, im ORF eskalierte eine Ö1-Sendung am Mittwoch aber zum wilden Corona-Streit.

Rene Findenig
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Die Impfpflicht: Nur eines der Streitthemen bei einer Diskussionsrunde im ORF-Radio.
Die Impfpflicht: Nur eines der Streitthemen bei einer Diskussionsrunde im ORF-Radio.
Utrecht, Robin / Action Press / picturedesk.com

In der Ö1-"Klartext"-Sendung am Mittwoch trafen der Wiener Gesundheits-Stadtrat Peter Hacker (SPÖ), die Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher, FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak, Allgemeinmedizinerin Lisa-Maria Kellermayr und Herwig Ostermann von Gesundheit Österreich und der Gecko-Kommission aufeinander. Aus der Sendung namens "Weniger Hammer, mehr Tanz?" mit Moderator Klaus Webhofer sollte es eigentlich um generelle Corona-Lehren gehen. Sollte, denn nach kurzem Geplänkel wurde die einstündige Sendung zum wilden Corona-Streitgespräch.

Hacker stellte gleich zu Beginn klar: Maßnahmen und Impfungen werde es auch weiter brauchen und die Pandemie uns noch die nächsten Jahre beschäftigen – in welcher Form sei aber noch vollkommen offen. Dass es mit Omikron Richtung "Ende der Pandemie" gehe, aber die Sache damit noch nicht abgeschlossen sei, attestierte Kellermayr. Man müsse sich jetzt auch darauf vorbereiten, dass es Erkrankungen und Long-Covid-Fälle gebe, die man noch lange Zeit behandeln müsse. Es wäre "ein Missverständnis zu glauben", dass es in einer Endemie keine Maßnahmen mehr brauchen würde, so auch Ostermann.

Die Streitrunde startet schließlich Gesundheitsökonomin Hofmarcher, die forderte, man müsse sich auf ein "neues Normal" vorbereiten und dass es Maßnahmen brauche, die das Gesundheitssystem besser auf kommende Herausforderungen vorbereite. FPÖ-Gesundheitssprecher Kaniak nahm dies gleich zum Anlass, das Zürckziehen aller Corona-Gesetze zu fordern, denn immer neue Verkündungen seien eine "Verhöhnung der Bevölkerung". Maßnahmen müssten "auch durchhaltbar" sein und sie sollten nur für Risikogruppen und für sensible Bereiche gelten. Man müsse Menschen "freistellen", sich zu schützen.

"Eine der größten Risikogruppen ist die Gruppe der Ungeimpften, ob Sie das hören wollen oder nicht"

Eine Affront für Hacker: "Eine der größten Risikogruppen ist die Gruppe der Ungeimpften, ob Sie das hören wollen oder nicht", konterte er. Man habe in der Thematik "ein unglaubliches Glück", weil man im Vergleich mit anderen Krankheiten bei Corona wirksame Impfungen zur Verfügung habe. "Da hätte ich mir jetzt eine Brandrede erwartet, dass sich die Risikogruppen impfen lassen sollen", richtete er Kaniak im Radio aus. "Natürlich sollen die Ungeimpften geschützt werden", so Kaniak als Antwort, mit Omikron hätten sich aber die Bedingungen geändert und es gebe Therapeutika und keine Spitalsüberlastung.

Hacker könne "schon nachvollziehen", dass der Wunsch nach Wunder-Medikamenten groß sei und man "das ganze Theater" nicht mehr brauche, sondern einfach "ein Mittel wie Nasivin nehme und schon seien alle leichten Symptome weg. Das gebe es derzeit aber einfach nicht. Dass wie von kaniak behauptet keine Überlastung der Spitäler bestehe, stimme laut Hacker nicht, besonders im Herbst sei man an die Grenzen des Gesundheitssystems gestoßen, "das kann man nicht wegleugnen". Therapeutika würden außerdem niemanden vorenthalten, es gebe nur geringe Mengen, die bereits im Einsatz seien.

Was Kellermayr wiederum nicht verstehe, sei die Weigerung, sich impfen zu lassen, weil man sich dabei über gentechnische Methoden echauffiere, dafür aber auf Medikamente zu warten, so die Allgemeinmedizinerin. Medikamente seien gentechnisch hergestellt und jedes habe genauso Nebenwirkungen – es gebe Missverständnisse wie den Glauben, dass man die Medikamente einfach zuhause selbst einnehmen könne und alles sei gut. Wenn man behaupte, die milliardenfach verbareichte Impfung sei zu unsicher, was sei dann mit den Medikamenten, das "geht für mich nicht zusammen".

"Faktum ist, wir haben ein Glück mit dieser Impfung, und dann kommt einmal lang nix"

Ostermann wiederum warf ein, dass auch wenn die Situation für viele Beobachter anders aussehe, der Spielraum für Lockerungen noch "sehr, sehr gering" sei. Hofmarcher kritisierte danach, dass die Bundesländer bei den Maßnahmen "sehr distant" vom Bund agieren würden und es mehr Dialog und "Demut vor den Unsicherheiten" brauche. Auch bestehende Krisen-Strukturen müssten genutzt werden. Nicht so stehen lassen wollte das Hacker: Die Kollegin sitze nicht in den Gremien und gebe nur ihren "Außensicht" wieder, außerdem fröhne man in Österreich gleichzeitig, "das man sicher nicht macht, was die sich in Wien jetzt einbilden".

Länger beschäftigen sollte die Diskussionsrunde auch die kommende Impfpflicht, bei der Kaniak zur "Verteidigung der Freiheitsrechte der Österreicher" ausrückte. Die FPÖ sei dagegen, ob dies aus wahltaktischen Gründen sei, "will ich gar nicht kommentieren". Beim Krisenmanagement seien zudem Regeln kommunitziert worden, bevor sie am Papier waren, niemand hätte sich ausgekannt. Dies ließ Hacker zürnen: Er wolle sicher nicht hier sitzen und die Regierung verteidigen, aber das Krisenmanagement funktioniere in seiner Struktur, nur in der Ausführeung happere es manchmal.

Ob die Impfpflicht die Königsidee sei? "Faktum ist, wir haben ein Glück mit dieser Impfung, und dann kommt einmal lang nix", so Hacker. Impfstoffe würden in den nächsten Jahren viel schneller modifiziert und angepasst werden können. Die Impfpflicht selst sei ein ganz ein kristisches Element, "ich war nie ein glühender Verfechter", so der Wiener Gesundheitsstadtrat. Man müsse aber auch "der unangenehmen Wahrheit" ins Auge blicken, dass die gut angelaufene Impfkampagne "abgeschossen" worden sei mit Plakatierungen, dass die Pandemie vorbei sei, aber auch mit ständigen politischen Wortmeldungen gegen die Impfung.

"Mir ist das Schicksal der FPÖ nicht sonderlich nahe"

Das zu einem Zeitpunkt geschehen, als die Impfkampagne erst anlief, die Anmeldungen stürzten ins Bodenlose, so Hacker. Das letzte Drittel, nämlich jene, die man ruhig und verständnisvoll überzeugen müsste, habe man nicht mehr erreichen können durch ÖVP- und FPÖ-Aktionen. "Mir ist das Schicksal der FPÖ nicht sonderlich nahe", so Hacker, sie scheine damit beschäftigt zu sein, ihre "8 Prozent Position" in Wien einzuzementieren, so Hacker. Kaniak hielt dagegen, dass die Vorwürfe "vollkommen haltlos" seien, die Regierung habe ein Gesetz verabschiedet, dass die Menschen zur Impfung zwinge.

Fakt sei, dass die Impfung nicht die versprochene Effektivität habe, so der FPÖ-Gesundheitssprecher, in der Omikron-Situation sowieso nicht. Man werde nun sehen, dass sich die Impfskepsis auch auf andere Impfstoffe auswirken werde. "Stimmt doch nicht, erzählens mir doch nix", so Hackers Kommentar. Die Allgemeinmedizinerin Kellermayr schaltete sich schließlich als Expertin für Verschwörungstheorien ein, sie habe in stundenlangen Gesprächen mit Patienten zwei Gruppen ausgemacht. Die eine Gruppe habe einfach Angst und man müsse dieser mit Ratschlägen und Hilfestellungen begegnen.

Die zweite Gruppe sei dagegen in eine "Parallelwelt abgeglitten" und werde vermutlich nicht mehr erreicht werden, weil sie sich in einem "Anti-Impfstoff-Jihad" und einer "Weltverschwörung" wähne. Gefährlich sei, dass die Ängstlichen bei den Radikalen Verständis erführen, so Kellermayr. Außerdem vermisse sie, dass in den Gremien keine Kassen-Ärzte sitzen und ihre Sicht einbringen würden – man sei "ein Stück weit" auf sich selbst gestellt, "das ist kein schönes Gefühl". Auch mit Long Covid rede man nur von der Lage in den Spitälern, aber nicht von den Ärzten, die als Schutzwall für sie agieren würden.

"Sowas von lächerlich"

Gesundheitsökonomin Hofmarcher wies darauf hin, dass es bei Corona im Jahr 2020 zwar eine unterdurchnittliche Sterblichkeit gegeben habe, diese aber 2021 massiv angestiegen und nun überdurchschnittlich sei. Erstaunlich sei das nicht, konterte Kellermayr, "das nennt sich Triage". Krankheiten, die tödlich verlaufen, aber nicht sofort tödlich seien, würden nach hinten verschoben. In Sachen Long-Covid erlebe man einen sozialen Abstieg, dies werde Österreich zudem länger als die akute Pandemie beschäftigen. Hackers Seitenhieb: "Vorher hat sich jemand zu Wort gemeldet, der gemeint hat, das Gesundheitswesen sei nie überlastet gewesen." Gemeint war Kaniak. 

Habe Kaniak da kein "ungutes Gefühl", wenn die FPÖ bei all diesen Fakten ein Ende aller Maßnahmen fordere, wollte Moderator Webhofer wissen. Die FPÖ habe immer mehr Mittel für den niedergelassenen Bereich gefordert und wolle es den Menschen freistellen, ob sie sich impfen lassen, so Kaniak. Webhofer selbst wurde danach ebenso provokanter: Ob Kaniak in Ordnung finde, dass sein Partei-Chef Herbert Kickl auf Demos von einer Diktatur spreche, "was völliger Blödsinn" sei? "Das ist die logische Konsequenz", so Kaniak, die Regierung ignoriere den Dialog und parlamentarische Debatten.

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    (v.l.) Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und FPÖ-Chef Herbert Kickl während der Debatte zum Impfpflicht-Beschluss im Nationalrat am 20. Jänner 2022.
    (v.l.) Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und FPÖ-Chef Herbert Kickl während der Debatte zum Impfpflicht-Beschluss im Nationalrat am 20. Jänner 2022.
    ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

    Kurzerhand machte sich schließlich Hacker zum Moderator und forderte von Kaniak eine "klare Absage an Entwurmungsmittel" zur Corona-Behandlung, weil dies zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führe, aber vom Parteichef beworben worden sei. "Sowas von lächerlich" versuche man medizinische Therapien abzutun, so Kaniak, der vorerst der Frage auswich. Damalige Studien vor mittlerweile zugelassenen Wirkstoffen hätten bei einigen Medikamenten vielversprechend ausgesehen, so Kaniak. Ob er als Apotheker auch Ivermectin an Patienten verkauft habe? Er habe Ärzte, die das "in der Vergangeheit auch ihren Patienten verschrieben haben, ja", so Kaniak. 

    "Das fällt in den Bereich der Kurpfuscherei"

    Eine Brandrede gegen die FPÖ hielt schlussendlich die Allgemeinmedizinerin Kellermayr: Sie habe Fälle von schwersten Schäden nach Ivermectin-Einnahme behandeln müssen, solche FPÖ-Ratschläge würden "in den Bereich der Kurpfuscherei" fallen. FPÖ-Chef Herbert Kickl sei Politiker und kein Arzt, FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch sei zwar Medizinerin, aber ebenso keine Ärztin (sie schloss ein Humanmedizin-Studium ab, erlangte aber keine österreichische Approbation und arbeitete nie als Ärztin, Anmerkung der Redaktion). Politiker sollten Medizin den Ärzten überlassen, so Kellermayr. kaniaks Verteidigung: Man habe immer nur gesagt, dass Therapiemöglichkeiten geprüft werden sollten. Im Gegensatz zu dem "was die Regierung bei der Impfpflicht macht", habe die FPÖ immer gefordert, dass es für jeden Betroffenen eine individuelle Behandlung geben solle. 

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      Sven Hoppe / dpa / picturedesk.com