Politik

Arme Menschen sterben zehn Jahre früher

Menschen, die dauerhaft in Armut leben müssen oder gefährdet sind, sterben laut neusten Zahlen zehn Jahre vor dem Rest der Bevölkerung.

Heute Redaktion
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Obdachlose leben laut Statistik um 20 Jahre kürzer.
Obdachlose leben laut Statistik um 20 Jahre kürzer.
Bild: picturedesk.com

Eine von der Statistik Austria durchgeführte Sonderauswertung der EU-Sozialstudie SILC hat ergeben, dass dauerhaft arme Menschen im Schnitt zehn Jahre früher als der Rest der Bevölkerung stirbt. Bei Obdachlosen sei der Unterschied noch drastischer. Sie sterben demnach sogar um 20 Jahre früher.

Laut Statistik Austria 1,5 Millionen Menschen in Österreich armutsgefährdet. Als armutsgefährdet gilt, wer ein niedriges Einkommen (unter 1.238 Euro bei Einzelpersonen) und/oder Probleme bei der Erfüllung von notwendigen Grundbedürfnissen hat.

Geschlechterunterschiede

Männer, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, sterben der Statistik nach um vier Jahre früher, bei Frauen sinkt die Lebenserwartung um eineinhalb Jahre. Wer nicht nur armutsgefährdet ist, sondern manifest in Armut lebt, würde um bis zu elf Jahre (Männer) oder vier Jahre (Frauen) früher sterben. Damit sind Personen gemeint, die etwa damit kämpfen, die Wohnung ordentlich zu beheizen oder sich nötige Reparaturen (wie Schimmelbekämpfung) nicht leisten können.

Armutsgefährdungsschwelle

Die aktuelle Armutsgefährdungsschwelle (60% des Median-Einkommens) beträgt 1.238 monatlich für einen Einpersonen-Haushalt. Der Wert erhöht sich um den Faktor 0,5 pro weitere Erwachsene Person im Haushalt und um den Faktor 0,3 pro Kind (unter 14 Jahre) im Haushalt.

Quelle: armutskonferenz.at

"Man kann Menschen mit einer feuchten Wohnung genauso töten wie mit einer Axt"

Die Armutskonferenz warnt in diesem Zusammenhang, die Situation von Beziehern der Mindestsicherung weiter zu verschlechtern. Bei den Betroffenen handle es sich durchwegs um manifest arme Menschen. "Diese enorme Einschränkung der Lebenserwartung betrifft in Österreich fast 270.000 Menschen, das entspricht in etwa der Bevölkerung von Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs", fasst Martin Schenk von der Armutskonferenz zusammen. Anschaulicher formuliert: "Man kann einen Menschen mit einer feuchten Wohnung genauso töten wie mit einer Axt." Die Armutskonferenz kritisiert die Kürzungen der Mindestsicherung seit jeher scharf. Es brauche effektive Maßnahme für leistbares Wohnen und unbedingt Hilfe für ältere Arbeitslose.

Über die Armutskonferenz:

Sie vernetzt über 30 soziale Organisationen (Beratungsstellen, Wohlfahrtsverbände, Selbstorganisationen, Soziale Integrationsunternehmen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen ...), sowie einige regionale Netzwerke in den Bundesländern, die gemeinsam als Lobby derer, die keine Lobby haben, aktiv werden. Hintergründe und Ursachen, Daten und Fakten, Strategien und Maßnahmen rund um Armut, soziale Ausgrenzung und Ungleichheit in Österreich werden thematisiert. So soll unter Einbeziehung der Betroffenen für mehr Verteilungsgerechtigkeit und bessere Verwirklichungschancen und damit ein gutes Leben gesorgt werden.

"Armut bedeutet immer ein Mangel an Möglichkeiten"

Wer von Armut betroffen ist, hat laut Definition der Armutskonferenz ein geringes Einkommen, schlechte Bildungschancen, ist häufiger krank und kann am gesellschaftlichen Leben nur eingeschränkt teilnehmen.

Lesen Sie hier: Bezieher der Mindestsicherung schildern, wie sie den Alltag meistern >>>>

(ek)