Coronavirus

Lehrer finden, dass Lehrer weiter frei haben sollen

Heute Redaktion
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An den Fenstertagen nach Christi Himmelfahrt und Fronleichnam soll laut Bildungsminister Heinz Faßmann Unterricht stattfinden. Was Lehrer und Eltern davon halten? "Heute" hat nachgefragt.

Verzwickte Lage bei der Diskussion um die Zwickeltage: Um die kurze Zeit zwischen der Wiedereröffnung der Schulen und den Sommerferien so gut wie möglich zu nutzen, hat Bildungsminister Heinz Faßmann angekündigt, die eigentlich freien Tage nach Christi Himmelfahrt (21.5.) und Fronleichnam (11.6.) zu streichen. Sprich: Es soll Unterricht stattfinden. Bei der Lehrergewerkschaft sorgte das für Empörung, der Vorsitzende Paul Kimberger wirft dem Bildungsminister nun sogar Gesetzesbruch vor.

Auf "Heute"-Anfrage erklärte das Ministerium knapp:

"Wir sind in Gesprächen mit der Gewerkschaft. Alle Details werden geklärt." Kimberger hingegen erklärte, es würden mit der Streichung der Fenstertage jene bestraft, die in den letzten Wochen "Großartiges geleistet" hätten, neben den Lehrern auch die Schüler und ihre Eltern. Was ebendiese zur Debatte sagen, wollte "Heute" genauer wissen. Der Grundtenor: alle haben die letzten Wochen viel geleistet, oder es zumindest versucht. Manche Lehrer und Eltern mehr, andere weniger. Bei einem Thema sind sich aber alle einig: Die Schüler müssen im Vordergrund stehen.

Was Pädagogen zur Streichung der Fenstertage sagen



Natanya T., Volksschullehrerin in Wien: "Wenn es Schülern hilft, arbeite ich natürlich an den Fenstertagen. Man sollte machen was notwendig ist, es geht immerhin um die Kinder. Im Homeschooling mache ich für meine Schüler Lehrvideos und habe Einzel- und Gruppenmeetings mit ihnen. Meine Schüler bekommen einen Wochenplan in allen machbaren Fächern, das kennen sie auch schon von der Arbeit in der Klasse, da hat sich für sie nicht viel geändert. Wir arbeiten mit Büchern und eigens zusammengestellten Themenheften. Es ist schon viel Arbeit. Ich verstehe auch die Zweischneidigkeit zu dem Thema, denn es wird erwartet, dass wir Lehrer eh immer alles machen und noch mehr geben sollen."

Melanie R., NMS-Lehrerin in Wien: "In dem vorgelegten Etappenplan wird vieles der Schulautonomie überlassen, da sollten dann auch die schulautonomen Tage hineinfallen. Ich denke gegen eine freiwillige Betreuung an diesen Tagen, wie in den Osterferien, spricht nichts. Eine allgemeine Streichung der schulautonomen Tage stellt ein Ungleichgewicht her, da einige Schulen diese schon im Herbst konsumiert haben, und einige nicht. Die Anfänge des Homeschoolings waren mit einem sehr hohen Zeitaufwand verbunden, damit sichergestellt werden konnte, dass möglichst alle SchülerInnen und Schüler auch digital oder zumindest telefonisch kontaktierbar sind. Von einer flächendeckenden Ausstattung mit Laptops oder PCs kann nicht mal annähernd die Rede sein, dazu kommt, dass es oft zuhause gar keinen Internetanschluss gibt. Beim Videounterricht merkt man wie sehr die SchülerInnen sich schon auf ihre SchulkollegInnen und einen geregelten Unterricht freuen und wieviel Redebedarf sie haben. Man merkt aber jetzt noch mehr als sonst, dass Schule so viel mehr ist, als nur lernen und lehren. Es fehlt der direkte soziale Kontakt wie beispielsweise das Plaudern in der Pause aber auch das gemeinsame Mittagessen."

Hanna I., Lehrerin an einer HTL in Wien: ": Wenn man gesagt hätte, man macht jetzt Ferien und unterrichtet dann durch, hätte ich das ok gefunden. So aber ist es jetzt für niemanden regenerativ. Weder für Schüler, noch für Lehrer. Die Schüler freuen schon wahnsinnig darauf, zurück in die Schule zu kommen. Im Homeschooling arbeite ich vormittags und halte Sprechstunden ab. Ab spätestens 13 Uhr wird der Computer aber ausgemacht, sonst schaffe ich mein eigenes Familienmanagement nicht. Ich habe selbst drei Kinder und mein Lebensgefährte wohnt nicht in Wien. Am Abend drehe ich dann um 22 Uhr den Computer wieder an und korrigiere bis halb 1 in der Früh. Die Schüler, die auch in der Schule weiterhin bleiben wollen, die habe ich im Homeschooling auch erreicht."

Frank M., Pädagoge aus der Steiermark: "Für Schüler ist es vielleicht lässig, noch mehr frei zu haben. Allerdings muss man dem entgegenhalten, dass es für Kinder wichtig wäre, so viel nicht eingehaltene Unterrichtsstunden wie möglich nachzuholen.

Für Lehrer ist es ärgerlich, da diese Großteils auch zur Zeit des e-Learnings all ihren Unterrichtsstunden nachkommen – nur eben online. Für Eltern ist es sicher hilfreich eine Kinderbetreuung während der Arbeit zu haben. Bildungsminister Faßmann hat zwar erklärt, wie er sich die Schulöffnung vorstellt, allerdings

fehlt mir hier ein transparenter und auch sinnvoller Plan von dem SchülerInnen auch wirklich profitieren können.

Vor allem bei sehr jungen SchülerInnen weiß ich auch nicht, wie sehr sich diese an die geäußerten Maßnahmen halten werden. Hier werden die Lehrer und Lehrerinnen wieder in der Pflicht stehen, etwas umzusetzen, für das sie eigentlich nicht ausgebildet

worden sind."

Was Eltern zur Streichung der Fenstertage sagen



Ema K. aus Wien: "Ich denke es gibt jetzt so viele Lücken und Unregelmäßigkeiten, dass es auf die zwei Fenstertage auch nicht mehr ankommt. Lehrer könnten auch den Beitrag zur Gesellschaft leisten und sich hinreißen lassen über den eigenen Tellerrand zu sehen und für das Allgemeinwohl diese zwei Tage opfern, ohne große Aufregung und Zwist. Ich finde sowieso, dass die Bildungsdirektion in mehreren Punkten komplett versagt hat. Mein Kind ist im Volksschulalter und geht, in Absprache mit der Lehrerin, bis September nicht zur Schule."

Canan B. aus Niederösterreich: "Die Situation daheim mit zwei Volksschulkindern und einem Kindergartenkind ist nicht immer einfach. Dem Schulstart gegenüber bin ich dennoch etwas skeptisch, ob die Kinder wirklich immer die Regeln befolgen können, ob die Zahlen der Ansteckungen eventuell wieder steigen. Man hat doch um die ältere Generation von Eltern und Großeltern ziemlich Angst. An den freien Tagen sollten weder Lehrer noch Kinder zusätzlich in die Schule müssen. Ich finde Lehrer und Schüler haben die letzen Wochen schon genug geleistet."

Alva S. aus Wien: "Ich denke Lehrer wie Eltern sind derzeit gleichermaßen gefordert und angespannt. Ich kann bei der Diskussion über die schulautonomen Tage beide Seiten verstehen. Die Regelung der schulautonomen Tage gehört für mich prinzipiell einmal neu überdacht. Denn diese verlangt bei Kindern in unterschiedlichen Einrichtungen immer sehr viel Organisation.

Genauso denke ich, verhält es sich nun bei der stufenweisen Schulöffnung, die am Anfang sicherlich gewöhnungsbedürftig für alle sein wird. Diese besondere Zeit in der wir uns befinden, fordert ein hohes Maß an Flexibilität auf allen Ebenen."