Es geschah am 13. Februar 2023, 1:30 nachts, als ein Neutrino vor Sizilien mit einem gewaltigen Knall ins Wasser des Mittelmeers raste. Tatsächlich zu hören war die Kollision zwar nicht, sehr wohl aber zu sehen: Ein blauer Lichtblitz zuckte durch das Wasser in 3.000 Meter Tiefe – und wurde vom Unterwasser-Teleskop KM3-Net "erwischt", wie der ORF berichtete.
Das rätselhafte Ereignis sprengt alle Rekorde und sogar den physikalischen Rahmen – nachzulesen im Fachblatt "Nature". "Wir haben etwas gesehen, das um den Faktor 10.000 energetischer ist, als was wir hier auf der Erde mit dem größten Teilchenbeschleuniger zustande bringen", staunt Eduardo Ros vom deutschen Max-Planck-Institut.
Die Eine-Million-Euro-Frage ist nun: Woher kommt das Teilchen und wie konnte es überhaupt so energiereich werden? Aufgrund des Einschlagwinkels konnten die Forscher eine Himmelsregion bestimmen, aus der das "Geisterteilchen" stammt – im Sternbild Wasserschlange.
"Es könnte sein, dass das Neutrino in der Milchstraße erzeugt wurde. Aber es ist genauso möglich, dass es einen extragalaktischen Ursprung hat. Und es ist sogar möglich, dass es kurz nach dem Urknall entstanden ist", so Ros.
Das "Geisterteilchen" ist ein wahres Kraftpaket: Es hat eine Energie von unvorstellbaren 120 Billionen Elektronenvolt – ist aber meist äußerst zurückhaltend: Normalerweise treten Neutrinos mit der "handelsüblichen" Materie gar nicht in Wechselwirkung. Und wenn sie es doch tun – so wie nun im Mittelmeer –, dann sei das "ein kolossaler Glücksfall".
Die "Geisterteilchen" strömen zu Abermilliarden durch den Kosmos. Sie könnten demnächst eine ähnliche Rolle für die Himmelsbeobachtung spielen, wie es das Licht in früheren Zeiten getan hat – als neues "Sinnesorgan", mit dem die Forschung tief in den Kosmos blicken wird.
Überraschend ist der Fund auch aus einem anderen Grund. Das Unterwasserteleskop war zum Zeitpunkt des Nachweises noch gar nicht fertig. Aber der Lichtblitz war so intensiv, dass die bereits installierten Detektoren anschlugen, erzählt Yuri Kovalev vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie.
In der forensisch anmutenden Spurensuche gibt es noch ein weiteres mysteriöses Ereignis zu berücksichtigen. Zeitgleich mit dem Neutrino-Einschlag vor zwei Jahren wurde die Erde auch von einem kosmischen Blitz im Bereich der Radiowellen getroffen. Wer oder was diesen Blitz ausgesandt hat, ist bisher unbekannt. An einen Zufall glauben die Forscher nicht.