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Bald kein offenes WLAN mehr in Bars und Cafés

Die Schweiz will Internetuser identifizieren können. Offene WLAN-Hotspots sind mit diesem Ziel nicht vereinbar.

Heute Redaktion
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Glaubt man einer aktuellen Studie, ist WLAN für viele Menschen wichtiger als Sex. In der Schweiz soll der öffentliche Internetzugang in Bars, Restaurants oder auf Events nun aber eingeschränkt werden. Schuld ist laut der "Basler Zeitung" das Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf), das 2018 in Kraft tritt. Österreich hat zwar noch kein solches Gesetz, trotzdem zeigen sich ähnliche Entwicklungen.

Ziel des Gesetzes ist es, dass die Strafverfolger Kriminellen das Handwerk legen können, wenn diese verschlüsselt im Internet miteinander kommunizieren. In einer Verordnung definiert der Schweizer Bundesrat nun, wie dies gelingen soll: Telekom-Anbieter wie die Swisscom, Salt oder Sunrise müssen künftig jeden Kunden identifizieren, indem sie eine "gut lesbare Ausweiskopie" von ihm aufbewahren.

Auch weitere Angaben wie die Adresse und die Zahlungsmethoden der Kunden – bis hin zur IBAN-Nummer des Bankkontos – sollen erfasst werden. Die Fahnder sollen dadurch bei Bedarf genau nachverfolgen können, wer sich wann und wo im Internet aufhält.

"Ende offener WLANs"

Ein Café-Besitzer, der seinen Gästen WLAN anbieten möchte, könne die Anforderungen unmöglich erfüllen, sagt Martin Steiger, IT-Anwalt und Mitglied der Büpf-kritischen Digitalen Gesellschaft. "Stellen Sie sich vor, jeder Gast muss eine Kopie seines Passes hinterlegen, damit er im Lokal das WLAN nutzen kann – das wäre ein großer Eingriff in die Privatsphäre und schlicht nicht praktikabel.» Die Branche mache sich große Sorgen um den freien Internetzugang.

Gegentrend in der EU

Während die Schweiz die Gesetze verschärfen will, geht die Entwicklung in der EU eigentlich in die entgegengesetzte Richtung: Im Juni 2016 hat Deutschland sein Telemediengesetz so geändert, dass die Betreiber von offenen WLAN-Hotspots nicht mehr für das Verhalten der Nutzer haften. Auch der Europäische Gerichtshof hat den Anbietern solcher Hotspots im Herbst in einem wegweisenden Urteil den Rücken gestärkt.

Auch der grüne Nationalrat Balthasar Glättli ist besorgt: "Würde die Verordnung so wie vom Bundesrat vorgeschlagen in Kraft gesetzt, befürchte ich ein Ende offener WLANs." Auch, dass die Fahnder automatisiert auf die Personendaten zugreifen können sollen, ist ihm ein Dorn im Auge.

Registrierung per SMS möglich

Nils Güggi, Informationsbeauftragter beim Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr des Bundes, verteidigt die neuen Vorschriften: Damit Straftäter überwacht werden könnten, sei es wichtig, dass die Personen hinter den IP-Adressen identifiziert werden können. "Das setzt effektiv zusätzliche Registrierungspflichten voraus." Offene WLAN-Hotspots seien mit diesem Ziel nicht vereinbar.

Er verweist jedoch darauf, dass große WLAN-Anbieter bereits heute eine Registrierung voraussetzen. So müssen sich SBB-Kunden etwa via SMS anmelden, um das Gratis-Internet an Bahnhöfen nutzen zu können. "Denkbar ist, dass ein solches Modell künftig Pflicht ist", so Güggi.

Nutze jemand das WLAN für eine illegale Aktivität, könne seine Handynummer auf diesem Weg ermittelt werden. Beim Telekom-Anbieter würden anschließend die dazugehörigen Ausweiskopien sowie weitere Daten angefordert.

Ausnahmen für kleine Lokale?

Wie die Regeln im Einzelfall konkret angewendet werden, werde sich zeigen, so Güggi. Er geht jedoch davon aus, dass die Vorschriften beispielsweise für kleine Cafés, die ihr privates WLAN für die Gäste öffnen, "eher nicht gelten werden". Noch bis Ende Juni läuft die Anhörung, in der interessierte Kreise ihre Bedenken zur Verordnung äußern können.

Harsche Kritik wird dabei von den Telekom-Anbietern erwartet. Eine brancheninterne Quelle sagt auf Anfrage, dass die neuen Vorschriften für sie einen massiven Mehraufwand zur Folge haben, der "fast nicht zu bewältigen" sei. Denn neben den Ausweiskopien und persönlichen Daten der Kunden sollen die Anbieter dem Bund auch zahlreiche andere Informationen zur Verfügung stellen – bis hin zu fehlgeschlagenen Anruf- oder Anmeldeversuchen.

Jungparteien von links bis rechts hatten 2016 versucht, das Referendum gegen das Büpf zu ergreifen. Sie brachten die nötigen Unterschriften aber nicht zusammen.

Auch in Österreich Thema

Die Einschränkung von offfenen WLAN-Netzen ist auch in Österreich ein Thema. Seit Ende Jänner 2017 gibt es etwa am Wiener Westbahnhof kostenloses Internet nur noch für 15 Minuten pro Tag. Hintergrund war, dass es immer wieder zu gewalttätigen Zwischenfällen unter dort aufhältigen Personen kam.

Die Polizei hat zudem ihre Streifentätigkeit verstärkt, die ÖBB die Zahl der Securitymitarbeiter erhöht. Folge: WLAN fast weg, Kriminalität fast weg. Laut ÖBB hatte es von Juli bis Dezember 2016 85 Polizeieinsätze gegeben, in den ersten drei Monaten 2017 seien es nur noch 20 gewesen.