Die Bilder sorgten für Wut: In mehreren deutschen Städten wurden bei einer Anschlagsserie im Dezember insgesamt 270 geparkte Autos mit Bauschaum lahmgelegt. Die Auspuffrohre waren mit der expandierenden Masse verstopft worden. An einigen Fahrzeugen entdeckten Besitzer Aufkleber mit dem Spruch "Sei Grüner!" samt einem lachenden Robert Habeck daneben.
Die mutmaßlichen Schuldigen waren unbekannt, aber vermeintlich ausgemacht. Der Volkszorn entlud sich daraufhin gegen die "Grünen-Sekte", "Klima-Radikale" ("Bild"-Zeitung) und den grünen Kanzlerkandidaten. "Heute" berichtete.
Eine "Spiegel"-Recherche bringt nun eine irre Wende, die alles verändert, in dem mutmaßlich so glasklaren Fall, ans Licht. Die Öffentlichkeit soll gezielt getäuscht worden sein. Denn die Spur der Saboteure soll Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden zufolge nicht ins Lager von Klimaaktivisten führen, sondern nach Moskau!
Die mutmaßlichen Täter waren am 11. Dezember, um 2 Uhr früh, – kurz vor den ersten Auto-Anschlägen in Berlin – sogar von der Polizei kontrolliert worden. Im Transporter registrierten die Beamten zwar mehrere Kartuschen mit Montageschaum, sonst war aber alles unauffällig. Die drei jungen Männer durften deshalb nach der Identitätsfeststellung – sie waren 20, 17 und 18 Jahre alt, hatten Papiere aus Serbien, Bosnien-Herzegowina und Deutschland – weiterfahren. Nach Sonnenaufgang gingen dann Dutzende Anzeigen überschäumender Autobesitzer ein.
Zwei Tage später, am 13. Dezember, kam es in Ulm zu mehreren Razzien gegen die in Berlin identifizierten mutmaßlichen Verdächtigen. Auch dort waren 123 Fahrzeuge beschädigt worden. Die Behörden stellten Datenträger, Mobiltelefone und auch mehrere Dosen Bauschaum sicher.
Gegenüber den Ermittlern soll einer der Schaum-Saboteure dann ausgepackt haben. Das Trio soll gezielt über die Messenger-App "Viber" von einem Russen angeschrieben worden sein. Von diesem habe es dann auch detaillierte Instruktionen für die Ausführung der Taten gegeben. Im Gegenzug versprach der Unbekannte ein großzügiges Honorar: 100 Euro pro beschädigtem Fahrzeug wurden geboten, als "Arbeitsnachweis" sollten sie Fotos schicken.
Mehrere Tausend Euro sollen den Verdächtigen bereits bar in einem Briefumschlag übergeben worden sein. Dazu sei ihnen eine extra Entschädigung zugesichert worden, sollten sie ertappt und bestraft werden.
Deutsche Sicherheitskreise sprechen laut "Spiegel" von einer gezielten Kampagne mit der Absicht, im Wahlkampf Hass auf die Grünen zu schüren und die Gesellschaft zu spalten. Am 23. Februar 2025 wird in Deutschland der neue Bundestag gewählt.
Sollte sich der Verdacht erhärten, wäre es ein weiteres Indiz für großflächige Spionage- und Sabotageangriffe Russlands auf Deutschland.
Bereits länger warnt das Bundesamt für Verfassungsschutz vor einer Einmischung von außen in den Bundestagswahlkampf. Wladimir Putins Russland habe dabei "das wohl größte und naheliegendste Interesse" für eine solche Manipulation.
Anstatt top ausgebildeter Spione werden immer häufiger Amateure, die gegen Geld verdeckte die russische Drecksarbeit erledigen, eingesetzt. Experten sprechen auch von "Wegwerfagenten", denn sollten sie auffliegen, ist der Schaden für die Geheimdienstoperationen gering.
Der deutsche Verfassungsschutz schrieb dazu in seiner Warnung: "Die hierfür angeworbenen 'Low-Level-Agents' scheinen überwiegend jung, russischsprachig, ideologisch prorussisch und ungeschult zu sein sowie Interesse daran zu haben, durch die Ausübung einfacher Tätigkeiten schnell Geld zu verdienen. Die Rekrutierung erfolgt über soziale Medien und Messenger-Dienste kurzfristig zur Erfüllung konkreter Aufträge."
Westliche Nachrichtendienste glauben, dass Moskau bereits mehrfach so vorgegangen ist. So wurden nach dem mörderischen Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 in Paris Hunderte Davidssterne an Mauern gesprüht, was für Unruhe sorgte. Doch dahinter steckten keine propalästinensischen Aktivisten, sondern ein Paar aus Moldau, das von einem russlandfreundlichen Geschäftsmann angeheuert worden war.
Trotz des Geständnisses und der Beweislast gab es in dem Fall bisher noch keine Festnahmen. Wie der "Spiegel" abschließend schreibt, sollen sich zwei der Beschuldigten inzwischen sogar aus Deutschland abgesetzt haben. Eine offizielle Bestätigung für die Angaben aus dem Bericht lag zunächst nicht vor.