Politik

Behindertenvertreter: "Wir werden verarscht"

"Wir werden im wahrsten Sinne des Wortes verarscht", ärgerten sich Behindertenvertreter am Montag über Regierungs-Pläne.

Heute Redaktion
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Sie klagen: Peter Schlaffer von der Organisation Vertretungsnetz, Albert Brandstätter, der Generalsekretaer der Lebenshilfe, Behindertenanwalt Hansjörg Hofer, Herbert Pichler, der Präsident des  Behindertenrats und Martin Ladstätter vom Verein "Selbstbestimmt Leben".
Sie klagen: Peter Schlaffer von der Organisation Vertretungsnetz, Albert Brandstätter, der Generalsekretaer der Lebenshilfe, Behindertenanwalt Hansjörg Hofer, Herbert Pichler, der Präsident des Behindertenrats und Martin Ladstätter vom Verein "Selbstbestimmt Leben".
Bild: picturedesk.com

Behindertenvertreter reagierten am Montag entsetzt auf die Pläne der Regierung zum Erwachsenenschutzgesetz. Neuester Stand der Dinge ist nämlich, dass das Gesetz nicht verschoben wird, sondern wie geplant am 1. Juli in Kraft tritt, allerdings ohne die für die Umsetzung benötigte Finanzierung.

Schlimmste Variante

Nach Einschätzung der Betroffenen ist das die schlimmste Variante von allen. "Es nützt uns das beste Gesetz nichts, wenn es nicht umsetzbar ist", sagte Behindertenrats-Präsident Herbert Pichler. "Ohne Geld ka Musi. Ohne finanzielle Mittel kann das Gesetz nicht umgesetzt werden", betonte er.

Regierung als "Totengräber"

"Wir werden im wahrsten Sinne des Wortes verarscht", zeigte sich Martin Ladstätter vom Verein "Selbstbestimmt Leben" empört. Wenn das Gesetz wie von der Regierung geplant ohne Finanzierung in Kraft trete, mache sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) "zum Totengräber des Erwachsenenschutzgesetzes". Für die Betroffenen sei es völlig unverständlich, dass Kurz für hilfsbedürftige Menschen keine 17 Mio. Euro zur Verfügung stelle, aber für Großindustrielle über die Körperschaftssteuer ein Steuergeschenk von 1.500 Mio. Euro plane.

"Nicht nur das Wetter, die Politik wird vielleicht auch kälter", zeigte sich auch Behindertenanwalt Hansjörg Hofer von der Regierung enttäuscht. Ein Inkrafttreten ohne finanzielle Absicherung "ist das schlimmste, was passieren kann", so Hofer.

Gesetz ohne Finanzierung



Ähnlich sah das auch Lebenshilfe-Generalsekretär Albert Brandstätter. Die Regierung könnte stolz sein, wenn dieses gute Gesetz in ihrer Legislaturperiode in Kraft tritt. "Es ist widersinnig ein Gesetz in Kraft treten zu lassen, dafür aber das Geld nicht bereitzustellen. Damit ist das Gesetz nur teilwirksam und damit gar nicht wirksam. 17 Mio. Euro sind zwei Promille des gesamten Budgets." Wenn es sein müsse, sollten sie durch Verschuldung bereitgestellt werden. "Das würde keinen Staatsnotstand auslösen, aber Verbesserung für 60.000 Menschen bringen", so Brandstätter.

Einstimmig beschlossen



Das Erwachsenenschutzgesetz wurde im Vorjahr von allen Parteien im Parlament einstimmig beschlossen und soll das 30 Jahre alte Sachwalterrecht ablösen. Mit den neuen Bestimmungen soll die Handlungsfähigkeit von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder intellektuellen Beeinträchtigung nicht mehr pauschal eingeschränkt werden. Stattdessen soll die Vertretung in abgestuften Formen passieren, je nachdem, in welchem Ausmaß ein Mensch Unterstützung benötigt.

Umsetzung kostete 17 Mio. Euro

Die Umsetzung des Gesetzes kostet aber 17 Mio. Euro im Jahr und sollte aus Geldmangel um mindestens zwei Jahre verschoben werden. Dabei hat sich herausgestellt, dass der finanzielle Aufwand absichtlich schöngerechnet wurde. Im Begutachtungsentwurf aus dem Jahr 2016, der vom damaligen Justizminister und künftigen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter (ÖVP) erstellt wurde, ist man von einem Finanzierungsaufwand von rund 17 Mio. Euro im Jahr ausgegangen.

Schöngerechnet

Im späteren Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2017 wurden die Kosten nur mehr mit rund 10 Mio. Euro im Jahr angegeben und sollten in den Folgejahren kontinuierlich sinken und bis 2022 auf Null zurückgehen.

Das dürfte allerdings nicht der Realität entsprechen. Laut Begutachtungsentwurf werden die Kosten in den kommenden Jahren nicht sinken, sondern steigen. Auch Justizminister Josef Moser bestätigte, dass er für die Umsetzung 17 Mio. Euro im Jahr braucht und forderte von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) zusätzliches Geld. Löger will allerdings nicht zahlen.

(GP)