Politik

Bekomme ich jetzt alle Überstunden ausbezahlt?

Der Europäische Gerichtshof urteilte: Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit der Mitarbeiter exakt erfassen. Heißt das mehr Geld ?

Heute Redaktion
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Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu einem Arbeitskonflikt in Spanien bestätigt weitgehend das österreichische Arbeitsrecht. Die höchste juristische Instanz der EU entschied nämlich, dass die Staaten alle Arbeitgeber verpflichten müssen, ein "objektives, verlässliches und zugängliches System" zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit einzurichten. Nur so lasse sich überprüfen, ob zulässige Arbeitszeiten überschritten würden. Einfach Überstunden aufzuschreiben, reiche nicht. (Rechtssache C-55/18)

Das Urteil hat laut Gewerkschaft und Wirtschaftskammer nur geringe Auswirkungen auf den Arbeitsalltag in Österreich. Nach der österreichischen Gesetzeslage muss Beginn und Ende der Arbeitszeit ohnehin lückenlos aufgezeichnet werden. Dasselbe gelte für Pausen, betont Rolf Gleißner, der Arbeitszeit-Experte der WKO. Zudem können Arbeitnehmer jeden Monat die Übermittlung der Aufzeichnung ihrer Arbeitszeit verlangen.

Allerdings: Auch Heimarbeit oder Außendienst muss künftig registriert werden. Wird abends von zuhause noch dienstlich telefoniert oder werden E-Mails geschrieben, fällt auch dies unter die Pflicht zur Erfassung. Außerdem gibt es in vielen Arbeitsverträgen eine Verfallsfrist für alle Überstunden von drei Monaten.

1Werden jetzt alle Überstunden bezahlt?

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Eine von fünf Überstunden wird nicht bezahlt. Das ist keine Frage des Rechts, sondern der Durchsetzung. Natürlich müssen schon jetzt alle Überstunden durch Geld oder Zeitausgleich abgegolten werden. Je genauer sie aufgezeichnet sind, desto besser kann man sie einklagen, erklärt ÖGB-Arbeitsrechtexperte Martin Müller.

Der EuGH vertritt die Meinung, dass Arbeitnehmer die schwächere Partei im Arbeitsvertrag seien und deshalb durch genaue Kontrolle der Arbeitszeit geschützt werden. Geklagt hatte eine spanische Gewerkschaft vor dem Nationalen Gerichtshof in Spanien: Die Arbeitnehmervertreter wollten die Deutsche Bank in dem Land verpflichten, die täglich geleisteten Stunden ihrer Mitarbeiter vollständig aufzuzeichnen. Die Kläger vertraten die Ansicht, dass nur so die Einhaltung der vorgesehenen Arbeitszeiten sichergestellt werden könne.

3Wie soll das in der Praxis gehen?





Arbeitgeber müssen über die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter minutengenaue, vollständige und aktuelle Aufzeichnungen führen – egal ob Normalarbeitszeit oder Überstunden, führt Müller aus. Die Arbeitszeit für dienstliche Telefonate in der Freizeit, könne auch erst am nächsten Tag dem Dienstgeber mitgeteilt werden.



4Kommt die Totalüberwachung?





2018 wurden 43 Millionen Überstunden nicht bezahlt. Ein bisschen mehr „Überwachung" der Arbeitgeber ist also offenbar notwendig. Mehr- und Überstunden dürfen nicht verfallen! Wer Überstunden mutwillig vorenthält, soll das Doppelte zahlen müssen, verlangt die Gewerkschaft.

Die Aufzeichnungspflicht trifft den Arbeitgeber – aber der darf sie an die Beschäftigten weitergeben. Dann müssen Sie mitmachen. Durchaus in Ihrem eigenen Interesse, denn was aufgezeichnet wird, kann später leichter vor Gericht bewiesen werden.

Das Urteil gilt in den EU-Mitgliedsstaaten ab sofort. In der Praxis müssen aber erst noch die Gesetze beschlossen werden, die die Arbeitgeber dann befolgen müssen. Solange die Politik also nicht reagiert, müssen die Unternehmen nichts tun.

(GP)