Fetisch-Kleidung, Nacktheit, Sexpositivität: Vor der Bundestagswahl geht es in die Disco. Im Berliner Technoclub Kitkat sehen die meisten Gäste um acht Uhr morgens nach Stunden zum ersten Mal wieder Tageslicht. Nebenan öffnen zur gleichen Zeit gerade die Wahllokale.
Für drei Frauen geht die Partynacht genau dort weiter. "Wir müssen jetzt gleich noch an der Urne wählen", sagt die eine teils genervt, teils amüsiert. Sie hätten eigentlich nur ein oder zwei Bier trinken wollen, tanzen bis in die frühen Morgenstunden sei nicht geplant gewesen. Ein Foto lehnen sie vehement ab. "Man sieht es uns vielleicht gerade nicht an, aber wir haben ernstzunehmende Jobs", sagt die eine und lacht.
Auch Angelina (29) schafft es nicht mehr an die "dienstälteste Afterhour Berlins", die im Kitkat noch bis 18 Uhr dauert. Sie wartet draußen gerade auf ein Uber. "Ich hatte eine lange Nacht, es reicht jetzt auch." Sie habe zum Glück schon per Briefwahl gewählt und könne deshalb direkt ins Bett fallen.
Auch die Freundinnen Kathi (23) und Sophia (26) warten nach einer langen Partynacht vor dem Kitkat-Club auf ihr Uber. Sophia hat über die lange Nacht ein bisschen das Zeitgefühl verloren, sie lebt in München und ist zu Besuch in Berlin: "Sind die ersten Wahlprognosen schon raus? Wer hat die Wahl gewonnen?"
Beide junge Frauen sind besorgt über den Rechtsruck im Land. "Ich habe Angst, dass dann Clubs wie das Kitkat schließen müssen. Das hier ist ein Safe Space und macht Berlin doch aus", sagt Kathi. Sophia kritisiert AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel deutlich: "Sie ist lesbisch, hat eine Frau aus Sri Lanka und lebt mit ihren zwei Kindern in der Schweiz. Gleichzeitig gibt sie vor, das traditionelle Familienbild zu verkörpern. Wie kann man so jemanden wählen?"
Das fragen sich auch Rima (29) und Simon (30), der heute seinen Geburtstag gefeiert hat. "Es war eine gute Nacht, wir hatten echt Spaß." Sorgen bereitet ihnen heute weniger der Alkohol-Kater, sondern mehr der politische. "Die Depris werden bei den ersten Hochrechnungen noch heftiger kicken", sagt Rima. Beide haben die Linke gewählt. "Das ist alles, was wir tun können, um CDU und AfD irgendwie entgegenzuwirken", ergänzt Simon.
Auch Thomas (37) aus Hamburg hat seine Stimme schon per Briefwahl abgegeben. Er ist extra für die Fetischparty nach Berlin gereist, unterwegs ist er mit Yagmur, die aus der Türkei kommt, aber in Berlin lebt. Beide waren rund acht Stunden im Kitkat. Thomas fragt uns: "Wie viel Uhr haben wir eigentlich? Im Club muss man ja die Handys abgeben!" Seine Begleitung Yagmur kommt alle paar Monate ins Kitkat. "Es ist so ein einzigartiger Ort."
Das finden auch alle anderen, die aus dem Club torkeln und nach einer Mitfahrgelegenheit suchen. Auf der Straße reiht sich ein Taxi an das nächste. Viele der Feierwütigen werden wohl nun erstmal wie Angelina ins Bett fallen. Selbst wer richtig ausschlafen will, kann danach noch seine Stimme abgeben – die Wahllokale haben bis 18 Uhr geöffnet.