Politik

Birkenpollen und ein unterschlafener Präsident

Heute Redaktion
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Abschied von Peking. Die größte Delegation aller Zeiten wirkt jetzt in Chinas Provinz. Davor gab es noch reichlich Stoff für Erzählungen aus 1.000 und einer Macht.

Am vierten Tag ihrer Existenz wurde die größte Delegation aller Zeiten zerschlagen. Drei MinisterInnen reisten ab, vermutlich mussten sie daheim nach dem Rechten sehen. Man sieht an diesem Beispiel, welche Fallen einem die deutsche Sprache stellen kann. Nach DEM Rechten oder nach DEN Rechten zu sehen, ergibt etwas komplett anderes.

In der Früh aber war die größte Delegation aller Zeiten noch komplett, jedenfalls fast. Außenministerin Karin Kneissl fehlte am Podium, als der Bundespräsident, der Kanzler, die Tourismusministerin, die Digitalministerin, der Infrastrukturminister und der Wirtschaftskammerpräsident (wieder bestens gelaunt) vor Journalisten den Tag davor noch einmal durchgingen. Alexander Van der Bellen wirkte vom Dinner mit seinem chinesischen Amtskollegen noch müde oder gebenedeit, er war aber nicht ermattet genug, um das nicht selbst feststellen zu können und bezeichneten seinen Zustand als „unterschlafen". Ich erwähne das nur, falls jemand von der Ergänzungsabteilung des „Duden" mitliest.

Captainsdinner unter Tränen

Mit sanfter Stimme und einem Anflug von Wehmut erinnerte der Bundespräsident erneut an den Aufritt der siebenjährigen Anna Cäcilia Pföß beim Captainsdinner mit Xi am Vorabend. Er hätte dann auch sagen können: „Alle am Tisch haben Rotz und Wasser geplärrt und ich am meisten". Er formulierte es aber lieber so: „Der halbe Raum war in Tränen und ich konnte mich auch nicht ganz davon befreien". Er war schon Konfuzianer, noch ehe er chinesischen Boden betrat. Das wurde nicht besser.

Apropos betreten. Der chinesische Staatspräsident sei nicht nur am Schifahren interessiert (obwohl er es nicht beherrscht), sondern auch ein großer Fußballfan, erzählte Van der Bellen. Deshalb werde daran gearbeitet, eine Freundschaftsspiel zwischen Österreich und China zu arrangieren. „Für Xi bedeutet das kein geringes Risiko", sagte Van der Bellen und das konfuzianische Lächeln blitzte wieder auf. „Er musste einmal erleben, wie sein Team 0:6 gegen Tschechien verlor". Gut, Erlebnisse dieser Art kennen wir.

Jubel an allen Ecken und Enden

Die Reise, schloss Van der Bellen, „ist ein Erfolg, wenn ich das vorsichtig formulieren darf" (schärfer zugespitzt hätten wir das gar nicht erwartet). Dann zog er sich wieder in sich zurück und hörte sich dort mutmaßlich noch einmal Anna Pföß an, wie sie auf ihrer Mozartgeige so schön spielte, dass er sich vom Verlangen nach Tränen nicht ganz befreien konnte.

Nachdem Norbert Hofer seinen Wahlkampf-Kontrahenten über den grünen Klee gelobt hatte („so positiv", „Toröffner"), Elisabeth Köstinger sich über 25 Prozent mehr chinesische Touristen im Vorjahr gefreut hatte und Kanzler Sebastian Kurz mitteilte, dass er nun die größte Bank der Welt besuchen fahre, zerstoben die letzten Reste der größten Delegation aller Zeiten und ein Hauch von Wehmut lag im Raum Qing 1 im fünften Stock des Four Seasons Hotels in Peking.

Ich fuhr mit Margarete Schramböck zu Huawei. Dazu muss man wissen, dass die Digitalministerin seit einiger Zeit chinesisch lernt und das eine Stunde pro Tag. Sie gab mir eine Kostprobe und ich muss anerkennend sagen, dass es sich kaum von dem unterschied, was ich sonst hier auf der Straße so gehört habe. Wenn in Hinkunft jemand zu ihr sagt, sie spreche zu fachchinesisch, könnte es jedenfalls sein, dass sie dies als Kompliment betrachtet.

Triple A für gutes Benehmen

Der Besuch bei Huawei lässt sich einfach zusammenfassen. Das Unternehmen hätte gerne alle Daten von allen, um daraus tolle Sachen zu machen, von denen noch keiner weiß, ob er sie so braucht oder möchte, aber der Konzern hat das für sich und alle schon entschieden. Beim Datenschutz ist China ja erfrischend anders, denn so etwas gibt es hier nicht. Demnächst startet ein „Social Credit System", das Bürger automatisch nach Wohlverhalten in soziale Klassen einteilt.

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Bei Rot über die Straße gehen? Keine gute Idee. In der Firma zu spät kommen? Auch nicht ratsam. Die falschen Medien lesen? Ganz schlecht. Dann landet man nämlich in „Klasse D", also ganz unten. Anderseits: Wer sich positiv bemerkbar macht, also etwa genau zwei Kinder kriegt, sammelt Bonuspunkte. Für „AAA", also Triple A, gibt es dann eine bessere Wohnung, Uni-Zugang für die Kinder, billigere Fahrkarten in der U-Bahn. Wenn Sie jetzt sagen: Das darf doch nicht wahr sein, dann muss ich darauf antworten: Ist doch nur ein Versuch.

Die bösen Pollen

Der Kanzler war in der Zwischenzeit bei „Phoenix TV" (500 Millionen Seher) und gab dort in der Rubrik „Leaders of the World" ein Interview, das am 19. April ausgestrahlt wird. „Es kamen gar keine kritischen Fragen", wunderte sich Sebastian Kurz, der ja daheim anderes gewohnt ist, ging er doch eben gerade durch ein Stahlbad aus 100-Tage-Regierung-im-Amt-Interviews. Jedenfalls schrieb ihm die Moderatorin eine Widmung in ihr Buch, das sie dem Kanzler schenkte. „Es war eine große Freude, dass wir in China ein Interview mit Ihnen führen durften. Ich wünsche Ihnen dauerhaften Erfolg als jüngster Regierungschef der Welt". Ist doch nett, oder?

Andererseits: Wenn das bei uns einreißt, bittet Armin Wolf demnächst Heinz-Christian Strache nach einem Interview, er möge ihm doch bitte einen Lippenabdruck auf einer Serviette aus der ORF-Kantine hinterlassen. Soweit kommt es noch.

Der Kanzler, stimmlich wegen seiner Birkenallergie angeschlagen (und Birken gibt es ja in China reichlich), besuchte dann tatsächlich die weltgrößte Bank ICBC (500.000 Mitarbeiter, 40 Milliarden Dollar Gewinn), die in Wien ihr Headquarter für Zentral- und Osteuropa errichten will. Es schaue gut aus, sagte der Kanzler. Wenn nicht, können wir sie ja zumindest zu einem Freundschaftsspiel einladen. Obwohl der Chinese, wie wir vom Präsidenten wissen, im Fußball nicht gern verliert.

Österreicher weg, Smog da

Vor dem Fenster zog es dann mehr und mehr zu, die Chinesen legten ihre Atemschutzmasken an, der Smog ist zurück. Dazu sollte es gegen Abend hin aus der Wüste gelben Sand in die Stadt wehen. Gut, dass die größte Delegation aller Zeiten (trotz einiger personeller Verluste) da schon im Aufbruch nach Hainan war.

Aber sie merken: Österreich weg, Smog da. Man muss kein Energetiker sein, um zu erahnen, was für ein Kraftfeld die Österreicher sind, vor allem im Ausland.

Als Peking getroffen wurde, waren wir tatsächlich schon unterwegs zum Bedarfsflughafen, der etwa so groß ist wie die „Große Halle des Volkes", was insoferne praktisch ist, weil man zu Fuß über das Rollfeld zum Flieger gehen kann.

Und Hainan? Fragen Sie nicht! Angeblich die Antwort Chinas auf Davos, wobei mir nicht in Erinnerung ist, dass Davos eine diesbezügliche Frage gestellt hätte. Das Internet hier ist jedenfalls so langsam, dass man besser einen Reiter mit den Nachrichten über die Seidenstraße heim schickt. Ich werde Präsident Xi morgen beim BOAO-Forum darauf ansprechen. Nach ein paar Tagen in China kennt man sich ja schon besser.

Das gilt auch für die Reste der größten Delegation aller Zeiten. Vielleicht trifft man sich ja später einmal in Wien auf eine Tofupaste und denkt zurück an die Tage. Und wenn dann alle glasige Augen haben, wird sicher einen aufstehen und sagen: „Schön war es damals in China" und alle werden einstimmen „als Teil der größten Delegation aller Zeiten".