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Dürfte Ihr Sohn dieses Kleid tragen?

Blogger Nils Pickert fordert Eltern dazu auf, ihre Söhne Röcke tragen zu lassen, wenn diese das wollen. Was halten Sie davon?

Heute Redaktion
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Mütter und Väter, die mit Schrecken ihren Sohn etwa in der Barbie-Abteilung entdecken, können beruhigt sein. Der Blogger Nils Pickert macht solchen Eltern in einem aktuellen Tweet eine klare Ansage: "Wenn dein Sohn in einem Secondhand-Laden ‹das tollste Kleid der Welt entdeckt›, brich ihm nicht das Herz."

Sie sollten ihm nicht das Lächeln aus dem Gesicht wischen und ihm nicht sagen, das Kleid sei nur für Mädchen, erklärt Pickert. "Frag ihn einfach, ob er es anprobieren will." Der Tweet wurde über 400-mal geteilt und löste über 3000 Likes aus.

"Richtige Einstellung. Respekt", stimmt ein User zu. Ein weiterer bedankt sich für den Tweet: Dieser gebe ihm Hoffnung für diese Welt. Eine Userin bekräftigt: "Jeder, der möchte, kann Kleider tragen. Das Geschlecht ist nebensächlich. Hauptsache, man fühlt sich wohl und ist glücklich."

Anderen hingegen geht diese Einstellung gegen den Strich. Jemand warnt: "Wtf. Bitte bekommt niemals Kinder." Ein User findet, Pickert hätte seinem Sohn lieber mal einen Fußball und eine Rambo-DVD gekauft. Und eine Mutter twittert verzweifelt: Wo sie denn lebe, wenn sie als jugendliche Mutter schon fast einen Herzinfarkt bekomme, weil ihr Sohn den Puppenwagen anfasse.

"Trotzdem gibt es für ihn keine Kleiderregeln"

Nils Pickert sagt, sein vierjähriger Sohn habe sehr wohl gemerkt, dass in seiner Kita vor allem die Mädchen Röcke und die Jungs Hosen tragen. "Trotzdem gibt es für ihn keine Kleiderregeln." Angesprochen habe ihn das Kleid wegen der Farben und Rüschen. In einem Kommentar auf Twitter trägt Pickert nach: "Er sah großartig darin aus, aber die Schulterträger waren leider zu rutschig. Wir sind dann übereingekommen, ein anderes zu nehmen."

Im Schrank seines Sohnes hängt deshalb jetzt ein rotes Kleid mit T-Shirt-ähnlichen Ärmeln. "Bisher hat er es noch nicht getragen, weil es zu kalt ist. Sobald es wärmer wird, zieht er es vermutlich an."

Auch würde er seinen Sohn nicht davon abhalten, eine Haarspange zu tragen, sollte er dies einst wollen. "Ich verstehe nicht, warum Jungs, die sich Haarspangen anschauen, immer wieder zurechtgewiesen werden mit: ‹Lass das. Das ist für Mädchen.›"

"Es geht nichts kaputt"

Michael Frei, Psychotherapeut bei Pinocchio, der Beratungsstelle für Eltern und Kinder, versteht die "aufgeladene Diskussion über ein Stück Stoff" nicht. Versuchten Eltern, das Spiel mit den Geschlechterrollen zu stoppen oder verurteilten sie es, könne dies sogar schädlich sein. "Das Kind wächst dann mit dem Gewissen auf, dass ein Teil seines Selbst schlecht ist."

Kritiker können dagegen wenig anfangen mit dieser Art von genderneutraler Erziehung. "Kinder werden als Mädchen oder als Junge geboren", kommentiert die Schweizer Familienpolitikerin Nadja Pieren, die der rechtskonservativen Partei SVP angehört, Pickerts Tweet in einem Artikel von "20 Minuten". Ließen Eltern ihren Sohn in einem Prinzessinnenkleid in die Öffentlichkeit gehen, müssten sie sich auf ablehnende Reaktionen gefasst machen.

"Frauen als Käpt'n und Männer als Feen"

Nils Pickert hatte schon 2012 mit einem Foto für kontroverse Diskussionen gesorgt. Zusammen mit seinem Sohn war er durch die Stadt spaziert – er im roten Rock, der Bub im roten Kleid mit Spaghetti-Trägern. Pickert wollte damit nach eigenen Angaben seinem damals fünfjährigen Sohn, der gern Röcke und Kleider trug, als Vorbild «die Schultern breit machen».

Seither kämpft der vierfache Vater und Chefredaktor der Protest- und Bildungsorganisation Pinkstinks an vorderster Front gegen Sexismus und Homophobie. Pinkstinks fordert: «Für eine moderne Gesellschaft müssen wir ermöglichen, dass Jungen und Männer zart sein dürfen und Mädchen und Frauen Raum einnehmen können. Frauen als Käpt'n und Männer als Feen: nicht immer, aber auch!»

Wie stehen Sie zu genderneutraler Erziehung? Diskutieren Sie mit. (B. Zanni/ 20Minuten)