Coronavirus

Blutiger Skandal um Leiche eines Corona-Opfers

Der Verlust eines Familienmitglieds ist belastend. Was die 21-jährige A. A.* nach dem Tod ihres Vaters erlebte, machte daraus aber einen Albtraum.

20 Minuten
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    Bei der Bestattung des Vaters von A. A. kam es zu Fehlern.
    Bei der Bestattung des Vaters von A. A. kam es zu Fehlern.
    Getty Images / iStockphoto

    Eineinhalb Monate kämpfte der Vater von A. A.* auf der Intensivstation des Inselspitals Bern gegen Covid-19. Anfang November verstarb er. A. wollte bei der Aufbahrung ihres Vaters dabei sein und fuhr einige Tage später zum Inselspital, wo das Bestattungsunternehmen Arche den Leichnam einkleiden und für einen würdevollen Abschied vorbereiten wollte.

    Als A. die Leiche das erste Mal sah, war sie geschockt: "An meinem Vater hingen noch diverse Schläuche am ganzen Körper, aus denen es teilweise noch geblutet hat", erzählt A. unter Tränen. Nicht einmal der Venenkatheter sei entfernt worden. Das zeigen Bilder, die "20 Minuten" vorliegen.

    Bestatter erhebt Vorwürfe gegen Inselspital

    A. und das Bestattungsunternehmen klemmten die Schläuche selber ab, damit sie den Leichnam einkleiden konnten. Doch als A. die Leiche ihres Vaters wenige Tage später auf dem Friedhof erneut besuchte, war die ganze Kleidung wieder voll Blut. "Da wurde ich richtig verzweifelt und wütend und habe beim Inselspital angerufen und verlangt, dass jemand kommt und die Schläuche professionell entfernt", sagt A.

    Erneut sei A. vom Inselspital enttäuscht worden: "Die Kommunikation war extrem schwierig und belastend. Anstatt einfach zu kommen und die Schläuche zu entfernen, musste ich lange über die Schuldfrage diskutieren." Letztlich habe es dann aber geklappt und Mitarbeiter des Inselspitals hätten die Schläuche entfernt.

    Franz Latrell ist Geschäftsführer des Bestattungsunternehmens Arche. Er sagt: "Erst, als wir gemeinsam mit der Familie das erste Mal im Inselspital waren, wurde uns mitgeteilt, dass die Schläuche noch am Körper waren. Normalerweise fordern wir das Inselspital in so einer Situation auf, die Schläuche zu entfernen. Wir sind schließlich keine Ärzte und haben auch nicht die nötigen Instrumente dafür." In dieser Situation sei das aber nicht mehr möglich gewesen, da die Familie bereits vor Ort gewesen sei. Latrell kritisiert, dass das Inselspital sich oft nicht einmal die Mühe mache, die Schläuche von den Leichnamen zu entfernen.

    Inselspital verweist an Ombudsstelle

    Petra Ming, Mediensprecherin des Inselspitals, sagt auf Anfrage, die Insel Gruppe übergebe Leichname ausschließlich an Bestattungsunternehmen. "Die Versorgung der Leichname erfolgt fallweise bereits in der Austrittsklinik oder aber erst im Bestattungsunternehmen. Dieser Ablauf ist bei allen verstorbenen Patientinnen und Patienten gleich."

    Zu einzelnen Patientinnen und Patienten nehme die Insel Gruppe keine Stellung. "Deshalb können wir den konkreten Fall nicht kommentieren. Bei Beschwerden, Reklamationen und Kritik finden Betroffene bei der Ombudsstelle der Insel Gruppe Unterstützung. Gemeinsam mit allen Beteiligten sucht die Ombudsstelle Lösungen", sagt Ming.

    "Es geht um den Respekt gegenüber Toten"

    A.s Vater ist mittlerweile beerdigt, das Team des Inselspitals habe sich bei ihr entschuldigt. Für sie war der Schritt an die Öffentlichkeit wichtig: "Meine Familie und ich haben vollstes Verständnis dafür, dass das Personal in den Spitälern derzeit einem hohen Druck ausgesetzt ist. Trotzdem geht es hier um Respekt einem Toten gegenüber und die Achtung dessen Würde." Insgesamt bleibe ihr die Erfahrung am Inselspital in schlechter Erinnerung. "Von einem Unispital hätte ich mehr erwartet. Es kann doch nicht sein, dass Angehörige wegen fehlender Achtsamkeit solche Bilder sehen müssen", sagt sie.

    * Name der Redaktion bekannt

    "Wir würden uns mehr Achtsamkeit wünschen"
    Adrian Hauser ist Vizepräsident des Schweizerischen Verbands der Bestattungsdienste.
    Erleben Sie es oft, dass Sie Leichname noch mit Schläuchen übernehmen müssen? Adrian Hauser: Das kommt in einigen Spitälern leider immer wieder vor und die Mitarbeitenden der Bestattungsunternehmen bekommen oft unschöne Dinge zu sehen. Gerade größere Spitäler nehmen sich nach dem Tod eines Patienten leider oft kaum Zeit. Wir würden uns wünschen, dass uns die Verstorbenen wenigstens so übergeben werden, dass die Katheter, Infusionen und Schläuche nicht mehr am Körper sind.
    Machen Sie den Spitälern Vorwürfe? Nicht direkt. Aber etwas mehr Achtsamkeit wäre wünschenswert. Zwischen den Spitälern und den Bestattungsunternehmen gibt es immer Abmachungen, wie die Leichname übergeben werden. Kleine Regionalspitäler erbringen oft mehr Leistungen als große wie das Inselspital. Das eigentliche Zurechtmachen ist aber immer Aufgabe des Bestattungsunternehmens, dafür werden unsere Mitarbeitenden ausgebildet und dafür stellen wir letztlich auch eine Rechnung.
    Wie kann verhindert werden, dass es erneut zu solchen Situationen kommt? Der geschilderte Fall ist ungewöhnlich und kommt wohl nicht häufig vor. Üblicherweise sieht die Familie den Leichnam erst, wenn er von den Bestattern zurechtgemacht und bekleidet wurde. Wenn die Familie bei diesem Vorgang dabei sein möchten, braucht es eine gute Absprache zwischen Spital und Bestattungsunternehmen, damit solche Vorfälle nicht passieren.